Parlamentswahl in TschechienOpposition holt Mehrheit, Amtsinhaber Babiš abgewählt
Die Partei von Tschechiens Amtsinhaber wird nur zweitstärkste Kraft. Anfang der Woche sind persönliche Geschäfte in Steueroasen bekannt geworden.
Premier Andrej Babiš hat die Parlamentswahl in Tschechien knapp verloren. Nach Auszählung fast aller Stimmen ist am Samstagabend der Stimmenvorsprung der Opposition nicht mehr einzuholen. Zwei Wahlbündnisse waren gegen Babiš und seine populistische Partei Ano (Allianz unzufriedener Bürger) angetreten. Bereits vor der Wahl hatten die beiden Bündnisse klar gemacht, dass sie eine Regierungskoalition bilden wollen.
Gemeinsam kommen sie nun auf 109 Sitze der 200 Sitze im Parlament. Anders als Babiš – der vier Jahre lang eine Minderheitsregierung zusammen mit den Sozialdemokraten und geduldet von den Kommunisten geführt hatte – haben die bisherigen Oppositionsparteien damit eine klare Mehrheit.
«Der Wandel ist da», sagte Spitzenkandidat von Spolu, Petr Fiala, auf der Pressekonferenz in Prag. «Wir haben ihn versprochen und wir führen ihn aus.» Der 57-jährige Politikprofessor aus Brünn kann sich nun Hoffnungen machen, der neue Premier Tschechiens zu werden. Fiala war bereits zwischen 2012 und 2013 Minister für Bildung und führte die vergangenen vier Jahre mit seiner Partei ODS die Opposition an. Seine Partei stehe der deutschen CSU näher als der CDU, erklärte er vor einiger Zeit.
Koalition aus Mitte-Links-Bündnis und Konservativen
Damit liegt sie inhaltlich teils weit auseinander mit ihrem erkorenen Koalitionspartner: Die Piratenpartei hatte mit der Bürgermeisterpartei Stan ein Mitte-Links-Bündnis geschmiedet. Die Piraten stehen für einen vorgezogenen Kohleausstieg 2033, für soziale und transparente Politik. Spolu eher für Marktliberalismus und ein konservatives Familienbild. Beide Bündnisse aber hatten erklärt, Babiš müsse abgelöst werden.
Es waren die Piraten gewesen, die gemeinsam mit Transparency International die Ermittlungen zum Interessenkonflikt des Premiers als Unternehmer, angeschoben hatten. Babiš hatte vor seinem Einstieg in die Politik 2011 bereits mehrere Unternehmen gegründet, für die er unter anderem EU-Subventionen bezieht. Er lagerte die Anteile an den Firmen in zwei Treuhandfonds aus. Die EU-Kommission war jedoch zu dem Schluss gekommen, dass er auf diese weiter entscheidenden Einfluss ausübt.
Der Regierungschef war eine Woche vor der Wahl durch Enthüllungen im Rahmen der «Pandora Papers» in Erklärungsnot geraten. Demnach soll der 67-jährige Milliardär 2009 über eine Briefkastenfirma anonym ein Landschloss in Südfrankreich für 15 Millionen Euro gekauft haben. Die Herkunft des Geldes ist nicht bekannt, der Vorwurf der Geldwäsche steht im Raum.
«Spolu» bedeutet «gemeinsam», während der Name von Babiš' Partei Ano, auf Tschechisch «ja» heisst. Viele Wähler hatten im Internet gepostet, nun «nein» zu sagen.
Die Wählerbeteiligung lag mit knapp 65,5 Prozent um fünf Prozentpunkte höher als noch 2017. Vielleicht auch ein Erfolg der ausdauernden Kampagne der Organisation «Eine Million Augenblicke für die Demokratie». Sie hatte sich im Jahr 2018 in Reaktion auf die Babiš-Regierung gegründet. Im Jahr 2019 organisierte sie die grössten Demonstrationen in Tschechien seit der Wende 1989.
In den Wochen vor der Wahl hatten Freiwillige der Organisation Tausende Gespräche auf den Strassen geführt. «Wir haben mit den Leuten über Demokratie gesprochen und darüber, warum Babiš eine Gefahr für sie ist», erklärt der Vorsitzende Benjamin Roll. Schliesslich hatte sich «Eine Million Augenblicke» ganz offen hinter die beiden Wahlbündnisse gestellt und vor allem zum Wählen aufgerufen.
Stimmen verloren hat die rechtsradikale SPD, die ausländerfeindliche Parolen verbreitete, die Corona-Pandemie leugnet und ein Referendum über einen EU-Austritt ankündigte. Es war befürchtet worden, dass Babiš diese Partei in Ermangelung anderer Partner in die Regierung holen könnte. Nicht ins Parlament geschafft haben es die Sozialdemokraten und erstmals seit ihrer Gründung 1921 auch die Kommunisten.
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