Funkstille beim HerstellerDefekte Lastenvelos: Babboe lässt Schweizer Kundinnen und Händler im Ungewissen
Kunden fühlen sich über Rückruf und Verkaufsstopp ungenügend informiert. Hiesige Händler verweisen auf das niederländische Mutterhaus. Doch das schweigt.
![Frauen mit Babboe Lastenfahrrädern unterwegs, München, M rz 2024 Deutschland, München, März 2024, Frauen fahren Babboe Lastenfahrräder in Schwabing, transportieren Kinder, bei einigen Babboe Lastenrädern waren in den letzten Wochen schwere Sicherheitsmängel festgestellt worden, Sicherheit, Stadt, Mobilität, Umwelt, Winter, *** Women riding Babboe cargo bikes, Munich, March 2024 Germany, Munich, March 2024, Women riding Babboe cargo bikes in Schwabing, transporting children, some Babboe cargo bikes have been found to have serious safety defects in recent weeks, safety, city, mobility, environment, winter,](https://cdn.unitycms.io/images/EoIBPTer4NF8j1K41Q2Ox0.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=qzrnCnrHMdg)
Jean Sersa (Name geändert) fühlt sich vom Lastenvelohersteller Babboe und von den Schweizer Behörden im Stich gelassen. «Erst von einer unabhängigen Reparaturwerkstatt habe ich erfahren, dass diese Velos ein Risiko darstellen», berichtet er gegenüber dieser Redaktion.
Trotz der Massnahmen der niederländischen Konsumentenschutzbehörde NVWA (Nederlandse Voedsel- en Warenautoriteit) sei das Produkt vom Eidgenössischen Büro für Konsumentenfragen immer noch nicht als gefährlich eingestuft worden.
Babboe kontaktiert Velokäufer nicht
Es habe auch keine Kontaktaufnahme von Babboe in der Schweiz gegeben. «Dabei haben wir das Fahrrad direkt bei ihnen über ihre Internetseite gekauft», so Sersa. Seltsam sei, dass Babboe Schweiz auf der Website mit einer Medienmitteilung von Anfang März auf die Situation aufmerksam gemacht habe. Der Hinweis sei aber inzwischen verschwunden.
Sersa spricht den Skandal um Sicherheitsmängel bei gewissen Babboe-Modellen an, der sich zum Kriminalfall entwickelt. Inzwischen ermittelt die niederländische Staatsanwaltschaft gegen den Hersteller mit Hauptsitz in Amersfoort. Der Vorwurf lautet auf Fahrlässigkeit, weil die Firma lange von den Problemen gewusst und nichts dagegen unternommen haben soll.
In den Niederlanden wie in Deutschland verfügten die zuständigen Behörden einen Rückruf und Verkaufsstopp für Babboe-Lastenvelos, weil es Hinweise auf mehrere Rahmenbrüche gab. In beiden Ländern ruft Babboe 22’000 Fahrräder zurück: Besitzern, deren Velos jünger als fünf Jahre sind, bietet das Unternehmen ein neues Fahrrad an.
Lastenräder sind vor allem bei der städtischen Bevölkerung ein beliebtes Fortbewegungsmittel. Sie erlauben es, Waren oder Kleinkinder mitzuführen, und sind deshalb ein beliebter Ersatz für das Auto. Es kann jedoch unangenehm werden, mit einem fehlerhaften Fahrrad unterwegs zu sein: Wer damit einen Schaden verursacht, muss im schlimmsten Fall damit rechnen, dass die Haftpflichtversicherung die Leistungen kürzt.
Kein offizieller Rückruf für die Schweiz
Hierzulande gibt es gegenwärtig keine Warnhinweise oder Rückrufe von offizieller Seite. Babboe Schweiz als Importeur und Schweizer Vertreter des Unternehmens habe die Sicherheitsmängel und die davon betroffenen Modelle zwar gesetzeskonform gemeldet, heisst es bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU).
«Die erforderlichen Massnahmen und die Kommunikation des Rückrufes sind aber in erster Linie durch diese zwei Wirtschaftsakteure zu treffen und nicht durch uns als Behörde», fügt ein BFU-Sprecher hinzu.
Dabei hätte die BFU durchaus die Möglichkeit, über das Eidgenössische Büro für Konsumentenfragen eine Warnung oder sogar einen Rückruf herauszugeben. Warum dies nicht geschehen ist, wie von Jean Sersa bemängelt, erklärt der Behördensprecher so: «Mittlerweile wurde der Rückruf von verschiedensten Medien in genügendem Ausmass verbreitet. Wir gehen davon aus, dass alle Konsumentinnen und Konsumenten davon wissen.»
![Frauen mit Lastenfahrrädern überqueren die Prinzregentenstraße, München, Januar 2024 Deutschland, München, Januar 2024, Frauen fahren Lastenfahrräder, transportieren Kinder, überqueren die Prinzregentenstraße, Autos warten, Sicherheit im Straßenverkehr, Stadt, Mobilität, Umwelt, Winter, *** Women with cargo bikes crossing Prinzregentenstraße, Munich, January 2024 Germany, Munich, January 2024, women riding cargo bikes, transporting children, crossing Prinzregentenstraße, cars waiting, road safety, city, mobility, environment, winter,](https://cdn.unitycms.io/images/79LnSqx24AVAxFjJzPeBO5.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=vn4XLzpZvdI)
Bei Babboe Schweiz tönt die Lage verzweifelt. Das niederländische Mutterhaus habe die Verträge gekündigt, sagt der Schweizer Lizenznehmer. Weil er mit einem Rechtsstreit rechnet, wird sein Name an dieser Stelle nicht erwähnt. Er sei nun daran, den Betrieb ordnungsgemäss herunterzufahren und zu prüfen, inwiefern er Dienstleistungen wie Reparaturen weiterhin anbieten könne. Eine entsprechende Kundeninformation bereite er vor.
Hierzulande gebe es einen Verkaufsstopp für gewisse Modelle. Den entsprechenden Hinweis habe er von der Website entfernt, weil diese umgestaltet werde. «Ich erhalte schlicht keine Informationen und Anweisungen aus den Niederlanden mehr», sagt der Schweizer Lizenznehmer. Das gehe nicht nur ihm so, sondern auch anderen Importeuren. Der Mutterkonzern lasse sie im Ungewissen.
Gespräche mit anderen Lizenznehmern bestätigen diese Version. «Bei mir stehen verärgerte Kunden vor der Tür und verlangen Auskunft», sagt ein Händler von Babboe-Lastenvelos für Skandinavien. «Nur kann ich ihnen nicht weiterhelfen, weil ich vom niederländischen Hauptsitz trotz mehrmaliger Kontaktaufnahme keine Auskunft erhalte.»
Er sitze auf einem Lagerbestand von Babboe-Produkten im Wert von rund 350’000 Euro, den er nicht loswerde. Als Kleinunternehmer sei das eine belastende Situation. Auch dieser Händler will anonym bleiben, weil er rechtliche Schritte gegen Babboe prüft.
Die befragten Distributionspartner sehen vor allem zwei Gründe für das Chaos am Hauptsitz: Überforderung und ein Stellenabbau, der von der niederländischen Babboe-Besitzerin Accell verfügt wurde. Accell wiederum gehört der US-Investmentfirma KKR & Co, die gemäss den Informanten das defizitäre Unternehmen Accell und dessen Marke Babboe rigoros auf einen Gewinnkurs trimmt.
Stellenabbau am Produktionsstandort
So gab Accell im Dezember 2023 bekannt, die beiden niederländischen Produktionsstandorte in Heerenveen zusammenzulegen und Teile der Herstellung in die bestehenden Fabriken in Ungarn und in die Türkei zu verlegen. Bis zu 150 Jobs sind laut niederländischen Medienberichten davon betroffen.
Doch auch im Management und in der Administration von Babboe soll es zu einem Stellenabbau gekommen sein. Deren Expertise fehle nun ausgerechnet in einer Zeit, in der Krisenmanagement gefragt sei, halten die befragten Händler fest.
Das Stammhaus von Babboe in den Niederlanden liess eine Anfrage dieser Redaktion unbeantwortet. Es bleibt deshalb unklar, warum das Unternehmen den Vertrag mit dem Schweizer Importeur gekündigt hat und offenbar nicht auf die Hilfeschreie von europäischen Händlern reagiert.
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