Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Aussenminister Cassis auf heikler Mission

Treffen unter Aussenministern: Ignazio Cassis hat Zyperns Nikos Christodoulides die guten Dienste der Schweiz im Zypern-Konflikt angeboten.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Seit sich die Türkei in der Folge des gescheiterten Putschversuchs vom Juli 2016 in ein autokratisch regiertes Land verwandelt hat, sind die Asylgesuche türkischer Staatsbürger in der Schweiz sprunghaft angestiegen. Insgesamt haben seither 2531 Türken Asyl beantragt, wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) mitteilt.

Stammten vor dem Putsch im Schnitt 300 bis 400 Asylgesuche pro Jahr aus der Türkei, stieg diese Zahl 2017 auf 852 und letztes Jahr auf 1005 Gesuche. Im laufenden Jahr sind bis Ende Mai bereits 416 Gesuche eingegangen. Auch der in Ungnade gefallene türkische Vizebotschafter in Bern, Volkan Karagöz, hat 2017 ein Asylgesuch gestellt.

Die Mehrzahl der Asylsuchenden können inzwischen in der Schweiz bleiben. 2017 betrug die Schutzquote – sie umfasst Personen, die als Flüchtlinge anerkannt oder vorläufig aufgenommen wurden –38 Prozent. Im Folgejahr stieg sie auf 54 Prozent, im laufenden Jahr auf 61 Prozent. Ob auch Karagöz' Gesuch bewilligt worden ist, sagt das SEM nicht.

Nicht gut auf die Schweiz zu sprechen

Aussenminister Ignazio Cassis, der momentan Zypern, Griechenland und die Türkei besucht, trifft am Freitag in Ankara einen massgeblichen Repräsentanten des repressiven Regimes. Laut dem Aussendepartement (EDA) wird sich Cassis mit seinem Amtskollegen Mevlut Cavusoglu unter anderem über Migrationsfragen unterhalten.

Cavusoglu ist nicht gut auf die Schweiz zu sprechen. So untersagte es ihm die Zürcher Regierung 2017 aus Sicherheitsgründen, in Opfikon eine Wahlkampfveranstaltung für Präsident Erdogan abzuhalten. Ein Jahr zuvor hatte Cavusoglu Medienberichte als frei erfunden bezeichnet, wonach die Türkei in der Schweiz Oppositionelle ausspionierte und eine Entführung plante.

Versuchte Entführung

Tatsächlich aber hatte die Tamedia-Redaktion aufgedeckt, wie Mitarbeiter der türkischen Botschaft in Bern 2016 einen schweizerisch-türkischen Doppelbürger kidnappen wollten. Der Mann gehört der Bewegung von Fethullah Gülen an. Die Türkei macht den Prediger für den Putschversuch verantwortlich.

Der Entführungsversuch scheiterte, und die Bundesanwaltschaft erliess einen Haftbefehl gegen zwei Botschaftsmitarbeiter, die sich in die Türkei absetzten. Ankara dementierte die Vorwürfe postwendend. Cavusoglu bezeichnete einen Journalisten, der ihm dazu eine Frage stellte, vor laufenden Kameras als «Terroristen».

Das EDA kann nicht sagen, ob der Fall beim Treffen mit Cavusoglu angesprochen wird. Dies, obwohl die Haftbefehle gegen die Botschaftsmitarbeiter gemäss Bundesanwaltschaft immer noch in Kraft sind. Offiziell erklärt das EDA bloss, es gehöre zu Cassis' «Standardtraktandum», die Menschenrechtslage zu thematisieren.

Entrüstung und Kritik

Jedenfalls wird Cassis auf eine Gegenseite treffen, die sehr wohl zur Kenntnis genommen hat, wie stark in der Schweiz die Kritik an der Menschenrechtslage in der Türkei geworden ist.

So reagierte Ankara entrüstet, als der «Blick» 2017 auf der Frontseite auf Türkisch und Deutsch die Türken in der Schweiz aufrief: «Stimmt Nein zu Erdogans Diktatur!» Das Ministerium von Cavusoglu verurteilte die Aktion aufs Schärfste und forderte «Wiedergutmachung».

Auch im Schweizer Parlament wird die Türkei wiederholt scharf kritisiert. Letztes Jahr verurteilte der Nationalrat in einer Erklärung die türkische Intervention in Syrien. Und als die grosse Kammer im Juni das Freihandelsabkommen mit der Türkei bewilligte, kritisierten mehrere Redner die fehlende Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei sowie die Inhaftierung von Tausenden Unschuldigen.

Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne, ZH) hat den Bundesrat zudem per Interpellation aufgefordert, bei der türkischen Regierung zu intervenieren und einen unverzüglichen Stopp der schweren Menschenrechtsverletzungen zu verlangen. Die Gelegenheit bietet sich Ignazio Cassis am Freitag.