No Deal? «Unter keinen Umständen!»
Das britische Unterhaus lehnt einen EU-Austritt ohne Abkommen ab. Nun will Theresa May zum dritten Mal über den Vertrag abstimmen lassen.
Nachdem die Parlamentarier tags zuvor den Austrittsvertrag Theresa Mays mit der EU abgeschmettert hatten, stimmten sie gestern mit 321 zu 278 Stimmen prinzipiell gegen die Idee militanter Tory-Hardliner, ohne Deal, ohne ein formales Arrangement, aus der EU auszutreten. Das Abstimmungsergebnis bindet die Regierung nicht rechtlich, setzt May aber weiter enorm unter Druck. May selbst hatte sich erstmals damit einverstanden erklärt, gegen einen «No Deal»-Brexit zu stimmen. Die Vorlage der Regierungschefin beschränkte sich allerdings darauf, einen «No Deal»-Abgang zum jetzigen Zeitpunkt, also für Ende März, vermeiden zu wollen.
Der von May gebilligte Beschluss wies auch darauf hin, dass bei Nichtzustandekommen irgendeiner Vereinbarung mit der EU ein solcher Abgang noch immer der gesetzlich «vorgegebene» und damit unvermeidbare Weg zum Exit wäre. Das war Pro-Europäern auch im Regierungslager aber nicht scharf genug.
Ein dritter Versuch?
Empörte Brexit-Gegner beschlossen, die Regierung darauf festzunageln, dass ein «No Deal»-Brexit «jederzeit und unter allen Umständen» verhindert werden müsse. Sie setzten sich, in einer sensationellen Kampfabstimmung, mit ihrer Protestversion durch.
Noch am Abend kündigte May an, bis zum 20. März ein drittes Mal über den von ihr mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag abstimmen zu lassen. Einen entsprechenden Antrag will sie heute ins Parlament einbringen
Die Angst vor Rücktritten hatte May schon dazu bewogen, rebellische Minister und Staatssekretäre in der «No Deal»-Frage teilweise von der Verpflichtung zu einer einheitlichen Linie zu befreien. Folglich war das Kabinett nicht in der Lage, mit einer Stimme zu sprechen. Kritiker Mays erklärten dazu, die Premierministerin habe «vollkommen die Kontrolle über ihr Kabinett verloren».
Brexit-Hardliner brachten dabei einen eigenen Antrag ein, der einen gestuften, aber einseitigen Ausstieg mit einer selbst gewählten Übergangszeit vorsah. Entsprechende Vorstellungen hatte EU-Chefunterhändler Michel Barnier bereits mehrfach als «reine Fantasie» bezeichnet. Der Antrag fand denn auch wenig Anklang in Westminster. Er wurde mit 374 zu 164 Stimmen abgelehnt.
Im Gegenzug erklärte der Brexit-Wortführer Jacob Rees-Mogg, jegliches Votum zur Verhinderung eines «No Deal»-Abgangs sei eh bedeutungslos, weil keine Zeit mehr sei, das auf die Nacht zum 30. März festgelegte Austrittsdatum noch gesetzlich abzuändern.
Zölle auf null
Unterdessen enthüllte Mays Regierung gestern erstmals, was sie für den Warenverkehr im Falle eines «No Deal»-Austritts plant. Generell sollen Einfuhrzölle vorübergehend auf null heruntergefahren werden, damit die britische Wirtschaft und die britischen Verbraucher von einem «chaotischen Brexit» nicht zu heftig getroffen würden. Zölle auf Fleisch, Schuhe, Unterwäsche und Autos sollen aber erhöht werden, um die betreffenden Branchen und vor allem britische Farmer zu schützen. Die irische Regierung klagte, die Verteuerung irischer Exporte für den britischen Markt wäre «für die irische Landwirtschaft eine absolute Katastrophe». Spezielle Grenzkontrollen an der 500 Kilometer langen Grenze Nordirlands zur Republik im Süden hat London fürs Erste nicht vorgesehen. In Brüssel haben im Kreis der Botschafter der anderen 27 Mitgliedsstaaten Beratungen darüber begonnen, wie man reagieren will, sollte Grossbritannien heute beantragen, das Austrittsdatum zu verschieben. Dabei besteht Uneinigkeit, ob eine Verschiebung über die Europawahl am 26. Mai hinaus rechtlich möglich beziehungsweise politisch wünschenswert ist. Klar ist, dass die EU-Staaten eine Verschiebung des Austrittsdatums an Bedingungen knüpfen werden.
«Das Vereinigte Königreich muss uns sagen, was es will», betonte EU-Chefunterhändler Michel Barnier. Es müsse klar sein, wofür die zusätzliche Zeit benötigt werde, bevor überhaupt über eine Verlängerung geredet werden könne. Alle 27 Mitgliedsstaaten müssen einer Verlängerung zustimmen.
Das dürfte nicht schwierig sein, wenn die Regierung ein neues Referendum beziehungsweise Neuwahlen ansetzt oder sich eine Mehrheit für einen sanfteren Brexit abzeichnet, wie ihn die Opposition anstrebt. Nur eines dürfte die Mehrheit der EU-Staaten nicht wollen, nämlich den bestehenden Deal noch einmal aufschnüren: Das Austrittsabkommen sei nicht verhandelbar, sagte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. Es sei an der Regierung in London, einen Weg aus der Sackgasse zu finden.
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