Aufregung um Late-Night-HostWieso hört das Gezerre um Jimmy Fallon nicht auf?
Er war ein schlechter Boss und will sich bessern. In den sozialen Medien suchen neue Ankläger nach mehr Stoff für Tadel. Aber es gibt auch andere Stimmen.

Jimmy Fallon hat sich entschuldigt – und trotzdem geht die Diskussion weiter, Artikel um Artikel erscheint. Der Host der am längsten laufenden Late-Night-Show der Welt, der amerikanischen «Tonight Show», war vor einer Woche vom Magazin «Rolling Stone» an den Pranger gestellt worden: Zahlreiche – anonyme – Stimmen berichteten von einem toxischen Arbeitsumfeld, von Fallons (womöglich alkoholinduzierter) Unberechenbarkeit, seiner Neigung zu Wutausbrüchen und einer generellen Atmosphäre der Angst. Und die Kader hätten diese Atmosphäre noch verstärkt.
Unter den «Big Five»-Hosts, die in diesen Tagen des Autorenstreiks einen gemeinsamen Podcast auf die Beine gestellt haben, ist der 48-jährige Fallon, Vater von zwei Primarschulkindern, sicher der Harmloseste, dessen oft arg schlichte Witzeleien gern mal ins Langweilige lappen. Im Studio dagegen herrsche Hochspannung, hiess es. Es gebe «gute Jimmy-Tage» und «schlechte Jimmy-Tage». An Letzteren verzögen sich die Mitarbeitenden zuweilen in die Gäste-Garderoben, um heimlich zu weinen ob der harschen Demütigungen; manche sagten sogar, dass ihre mentale Gesundheit durch den Job angeschlagen worden sei.
Jimmy Fallon ist nicht der erste Show-Host, der solche Anwürfe zu hören bekommen hat. Ellen deGeneres, James Corden und auch Lawrence O'Donnell hatten ihre grösseren oder kleineren Skandale rund um abwertendes Verhalten gegenüber Untergebenen. Fallon hat die Bezichtigungen offensichtlich nachvollziehen können und sich bei seinen Mitarbeitenden stante pede via Zoom-Call entschuldigt.
Für das Internet ist die Sache noch lange nicht abgehakt.
«Es ist mir sehr peinlich, und ich fühle mich wirklich schlecht», soll er nach übereinstimmenden Berichten gesagt haben: so schlecht, dass er es gar nicht in Worte fassen könne. Es tue ihm leid, wenn er Mitarbeitende blossgestellt und eine derartige Arbeitsatmosphäre geschaffen habe. «Ich möchte, dass die Show Freude macht, dass sie inklusiv ist, für alle.»
Den Worten müssen Taten folgen, so viel ist klar. Klar ist aber auch, dass dies nun auf einer persönlichen Ebene, eben bei der Arbeit, zu geschehen hat und im Grunde kein öffentliches Geschäft mehr ist. Eventuell sind auch Entschädigungen nötig oder ein internes Monitoring. Für das Internet ist die Sache aber noch lange nicht abgehakt. Man stöbert intensiv nach weiteren Missetaten.
So hat jemand nun eine Passage aus den Memoiren der Comedian Tina Fey aus dem Jahr 2014 getweetet, in der sie erzählt, wie Fallon die damals aufstrebende Kollegin Amy Poehler in den Senkel gestellt habe. Daraufhin kommentierte Fey, dass die beiden sehr gute Freunde seien; tatsächlich trat Poehler später auch in Fallons Show auf. Auch Autor und Comedian Jerry Seinfeld wehrt sich gegen eine Anekdote, laut der er sich unwohl gefühlt habe, als Fallon einen Mitarbeiter in seiner Anwesenheit niedergemacht habe. Es werde völlig verdreht, sie hätten gemeinsam über einen kleinen Schnitzer gelacht.
Man stehe als Gesicht einer Sendung unter immensem Druck, und ab und an verliere man die Übersicht, sagt Comedian Dave Hughes.
Sogar eine australische Radiopersönlichkeit, ein Comedian und TV-Host springt Jimmy Fallon bei. «Ich verteidige Fallon, obwohl ich ihn nie getroffen habe», sagt Dave Hughes ohne Umschweife. Man stehe als Gesicht einer Sendung unter immensem Druck, und ab und an verliere man die Übersicht.
Dieser Druck entschuldigt kein Fehlverhalten, und er wird ja auch fürstlich belohnt, mit Aufmerksamkeit, Einfluss und nicht zuletzt mit einem Riesengehalt – was den Hosts offenbar gelegentlich zu Kopf steigt. Dennoch wirft es eher ein schlechtes Licht auf die Psychologie des Netzes und auf seinen empörungsgetriebenen Algorithmus als auf Jimmy Fallon, wenn immer wieder neue Geschichten aus lang vergangenen Zeiten aufploppen, hinter denen am Ende nichts steckt.
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