Verbaler Fehltritt des US-PräsidentenAuf Joe Bidens öffentlichen Fluch folgt scheinheilige Empörung
Der US-Präsident hat einen Fox-Reporter beschimpft. Der reagiert mit Humor. Andere Konservative stellen den Charakter des Präsidenten infrage.
Wie schlimm ist es, wenn der US-Präsident einen Kraftausdruck benutzt? Konsumenten des rechten Medien-Netzwerks Fox News wird das als eine der drängendsten Fragen der amerikanischen Innenpolitik präsentiert. Dabei hatte Fox-Reporter Peter Doocy zunächst gar nicht gehört, dass ihn Joe Biden an seiner Medienkonferenz einen «stupid son of a bitch» – einen dummen Hurensohn – schimpfte.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Der Anlass war bereits zu Ende, die Mikrofone liefen noch, als Doocy eine letzte Frage nach vorne warf: Ob denn die Teuerung eine Belastung sei für die Wahlen im Herbst. Die Suggestivfrage erwischte Biden auf dem falschen Fuss; die hohe Inflation ist eines seiner grössten Probleme im Hinblick auf die Zwischenwahlen, und bisher haben die Demokraten kein Rezept dagegen gefunden. Biden weiss, dass er sein Kameragesicht auch in solchen Situationen nicht fallen lassen darf. Also murmelte er mit einem Lächeln den Fluch vor sich hin, den die Mikrofone selbstverständlich aufschnappten.
Der Reporter kontert mit Selbstironie
Fox-Korrespondent Doocy erfuhr von dem Vorfall erst, als ihn Kollegen darauf ansprachen. Im Unterschied zu seinem Sender reagierte er gelassen. Biden habe ihn angerufen und ihm gesagt, er solle das nicht persönlich nehmen, berichtete Doocy. Für ihn war die Angelegenheit damit erledigt. Es sei ja gut möglich, dass Biden recht habe – bisher habe niemand die Aussage einem Faktencheck unterzogen, witzelte er. Damit zeigte er die graziöse Reaktion eines Profis, der weiss, dass Kraftausdrücke in den USA ebenso zum (politischen) Geschäft gehören wie überall, wenn auch üblicherweise nicht bei öffentlichen Auftritten von Amtsträgern. Nun aber steht Bidens Fehltritt schwarz auf weiss im Protokoll des Weissen Hauses.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Andere Fox-Mitarbeiter und -Gäste konnten den Steilpass Bidens nicht ignorieren. Talkmaster Sean Hannity versteifte sich darauf, eine Entschuldigung zu fordern, obwohl Doocy das ablehnte. Showhost Jesse Watters erinnerte süffisant an Bidens Drohung an seine Mitarbeiter, er werde gnadenlos gegen jede Form unanständigen Verhaltens im Weissen Haus durchgreifen. Um die Ohren gehauen wurde Biden zudem sein Versprechen, er werde den Amerikanern mit Anstand, Ehre, Respekt und Würde begegnen – anders als der Rüpel vor ihm.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Lange gelang es Biden, seine Maxime hochzuhalten. Intern jedoch herrscht bisweilen durchaus ein rauer Umgangston, wie «Politico» unlängst berichtete. Flüche gehören zu Bidens täglich Brot. Als Beispiel führten Bidens Mitarbeiter die Frage «Was machen wir nur?» an, bestärkt durch das F-Wort. Die Antwort auf diese Frage wird zunehmend drängender: Die Zwischenwahlen rücken näher, alle Umfragen und Vorzeichen deuten darauf hin, dass Bidens Demokraten eine schwere Niederlage erwartet, das alles vor dem Hintergrund einer explosiven Sicherheitslage in Osteuropa. Mag sein, dass die Anspannung dazu führte, dass Biden nun innert weniger Tage gleich dreimal hintereinander wenig souverän auf Fragen von Reportern rechtslastiger Medien reagiert.
Biden vs. Trump
Biden hat als Präsident Fragen von Journalisten geduldig zu beantworten, abwertende Kommentare gebühren seines Amtes nicht. Trotzdem ist die Kritik von Fox scheinheilig, etwa wenn Donald Trumps frühere Beraterin Kellyanne Conway Bidens Fluch als Beleg für sein «ungezügeltes Temperament» anführt. Dabei präsentierte sich ihr Chef als Verkörperung eines solchen Charakterzugs, er war es, der derbe Sprache in der sonst prüden politischen Öffentlichkeit salonfähig machte – dank ihm waren sogar in der «New York Times» für Amerikaner sehr vulgäre Wörter wie «shit» zu lesen, weil er Haiti und pauschal ganz Afrika «shithole countries» nannte (eine Sammlung von Trumps Ausfälligkeiten finden Sie hier). Im Vergleich mit Trumps rassistisch getränkter Vulgärsprache sind Bidens Aussetzer harmlos; sie dürften ihm auch nicht schaden, sofern er seine Zunge fortan im Zaum hält.
Alles klar, Amerika? – der USA-Podcast von Tamedia
Den Podcast können Sie auf Spotify, Apple Podcasts oder Google Podcasts abonnieren. Falls Sie eine andere Podcast-App nutzen, suchen Sie einfach nach «Alles klar, Amerika?».
Fehler gefunden?Jetzt melden.