Sanktionen gegen RusslandAuf die Gasleitung will Berlin nicht verzichten
Im Fall des vergifteten russischen Oppositionellen Nawalny steigt der Druck auf die deutsche Regierung, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Doch Nord Stream 2 dürfte es nicht treffen.
Angela Merkel hatte ihre Worte sorgfältig gewählt: Der Befund sei «klar», das Gift lasse sich «zweifelsfrei» nachweisen, «nur die russische Regierung» könne Antworten geben. Mit den Partnern werde nun «im Lichte der russischen Einlassungen über eine angemessene gemeinsame Reaktion» entschieden. Was das bedeuten kann, wir derzeit ausgehandelt.
Immer klarer wird bei der Debatte, dass die grosse ökonomische Keule zunächst nicht geschwungen wird: Nord Stream 2. Sowohl Aussenminister Heiko Maas als auch Kanzlerin Merkel hatten nach der Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny nicht mehr ausschliessen wollen, dass auch ein Ende der Pipeline zu möglichen Strafmassnahmen gehören könnte. Dahinter stand die Sorge, in der EU nicht glaubwürdig zu sein, wenn die in Europa so umstrittene Pipeline von vorneherein von der Liste möglicher Strafen gestrichen würde.
Was aber dann? Der Druck, eine Antwort darauf zu finden, steigt. «Es kann nicht sein, dass auf den klaren Auftritt der Bundeskanzlerin nichts folgt», sagt der aussenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Omid Nouripour. Und fragt: «Will die Bundesregierung nicht vorankommen, oder kann sie nicht?» Gehandelt werden müsse bald. «Sonst verpufft das Momentum.»
Endlose Verwicklung in Scheinargumente
Nawalny selbst hat sich in dieser Woche erstmals seit seiner Einlieferung in die Berliner Charité per Foto vom Krankenbett gemeldet. Gleichzeitig wurde bekannt, dass Unterstützer unmittelbar nach Nawalnys Zusammenbruch am 20. August eine Wasserflasche aus seinem Hotelzimmer sichergestellt hatten, auf der offenbar die Spuren des Nervengiftes Nowitschok festgestellt wurden. Die Information hat sofort der russischen Lesart Futter gegeben, wonach es sich hier um eine gross angelegte Inszenierung handle.
Doch die russische Forderung nach Einsicht in die Beweisakte und gar nach einem Verhörzugang für Staatsanwälte aus Moskau tropft ab. Berlin befürchtet eine endlose Verwicklung in Scheinargumente und Täuschungen und besteht hartnäckig auf Ermittlungen in Tomsk, wo Nawalny offensichtlich mit dem Gift in Berührung kam. Nichts fürchtet Berlin mehr als ein deutsch-russisches Scharmützel, das den übrigen EU-Staaten den Rückzug ermöglicht und die Gemeinschaft spaltet.
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