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Anstieg der Kosten befürchtet
Auch Taxifahrer und Künstler landen bei der Sozialhilfe

Taxifahrer in Genf leiden stark darunter, dass ausländische Gäste zurzeit fast ausbleiben. 
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Vor der Corona-Pandemie waren Selbstständigerwerbende bei der Sozialhilfe die absolute Ausnahme. Doch als Folge der Erwerbseinschränkungen droht manchen Einzel- und Kleinstunternehmern der Gang zur Sozialhilfe. Dies vor allem dann, wenn Soforthilfen wie Corona-Erwerbsersatz und Härtefallentschädigungen auslaufen oder wenn sie zum Überleben nicht ausreichen.

Gefährdet sind etwa Taxifahrer, Kulturschaffende, selbstständige Kursleiter in der Weiterbildungsbranche, selbstständige Mitarbeiter der Eventbranche oder im Sexgewerbe tätige Frauen. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) rechnet damit, dass bis 2022 rund 14’000 Selbstständige auf Unterstützung angewiesen sein werden. In den Jahren vor Corona waren unter den rund 180’000 erwachsenen Sozialhilfebezügern nur rund 2000 Selbstständigerwerbende.

Zusatzkosten bis 1 Milliarde

Die Corona-Krise droht für die Sozialhilfe in den nächsten zwei Jahren zu einer grossen finanziellen Belastung zu werden. Zusätzlich zu den Selbstständigen werden ausgesteuerte Arbeitslose kommen sowie Flüchtlinge, bei denen wegen des Wegfalls von Bundesgeldern die Sozialhilfe künftig voll zulasten von Kantonen und Gemeinden geht. Die Skos rechnet in einem Referenzszenario bis 2022 mit insgesamt 58’000 zusätzlichen Sozialhilfebezügern (plus 21 Prozent) gegenüber 2019, als rund 271’400 Menschen Sozialhilfe bezogen. Die Zusatzkosten für Kantone und Gemeinden betragen rund 820 Millionen Franken.

Die Skos hat neben dem Referenzszenario auch noch eine pessimistischere Prognose erstellt, bei der die Zahl der Sozialhilfebezüger um 28 Prozent und die Kosten um 1 Milliarde Franken ansteigen. 2019 betrugen die Sozialhilfekosten rund 2,7 Milliarden Franken. Die wirtschaftliche Entwicklung der nächsten zwei Jahre ist für die Skos jedoch schwer einzuschätzen. Es könnte auch weniger schlimm kommen. Ein optimistisches Szenario geht von zusätzlichen 33’000 Sozialhilfebezügern aus mit Zusatzkosten von 543 Millionen Franken.

Im pessimistischen Szenario rechnet die Skos damit, dass 19’000 Selbstständige in die Sozialhilfe gelangen. Dabei stellen sich den Sozialämtern neue Probleme. Denn die Sozialhilferichtlinien seien eigentlich nicht auf Selbstständige ausgerichtet, sagt Skos-Geschäftsführer Markus Kaufmann. So muss heute das Betriebsvermögen, zu dem bei Taxifahrern etwa ein Auto gehört, zuerst aufgebraucht werden. Diese Regelung ist jedoch in der gegenwärtigen Krise nicht sinnvoll, weil der Betroffene später das Auto wieder braucht, falls das Taxigeschäft wieder besser läuft. Zurzeit leidet das Taxigewerbe vor allem darunter, dass kaum ausländische Touristen in die Schweiz kommen. Besonders zu spüren bekommt dies die Branche in Genf und in der Flughafenregion Zürich. In Genf kamen im letzten Jahr bis zur Hälfte der neuen Sozialhilfebezüger aus dem Taxigewerbe.

Ausserordentliche Richtlinien

Zwar haben Selbstständigerwerbende zurzeit Anrecht auf Corona-Erwerbsersatz. Allerdings haben manche bereits vor der Krise mit ihren Einkünften nur knapp ihre Existenz bestreiten können und oft nicht den ganzen Erwerb bei der AHV deklariert. Weil der Corona-Erwerbsersatz aufgrund der AHV-Beiträge berechnet wird, erhalten sie so tiefe Entschädigungen, dass sie davon nicht leben können und zusätzlich auf Sozialhilfe angewiesen sind.

In der Regel versuchen die Sozialämter zudem die Bezüger als Angestellte in den ersten Arbeitsmarkt oder in ein Arbeitsprogramm zu vermitteln. Beides macht aber bei vielen Selbstständigen, die wegen der Corona-Krise Sozialhilfe brauchen, keinen Sinn. Die Skos will nun mit ausserordentlichen Richtlinien dafür sorgen, dass die Sozialhilfe besser auf solche Fälle Rücksicht nehmen kann, etwa mit höheren Vermögensfreibeträgen.

Sozialhilfe-Appell an Politik

Um die Zusatzbelastungen der Sozialhilfe in Grenzen zu halten, dürften die Corona-Hilfen nicht frühzeitig eingestellt werden, appellierte Skos-Präsident Christoph Eymann am Donnerstag an die Politik. Der Corona-Erwerbsersatz und weitere Hilfsprogramme von Bund, Kantonen und Gemeinden müssten bis zum Ende der Pandemie aufrechterhalten werden. Eine Massnahme hat der Bundesrat aber bereits im letzten Sommer wieder aufgehoben. Arbeitslose erhielten zwischen März und August 2020 zusätzliche 120 Taggelder, womit sie bis ein halbes Jahr länger Arbeitslosengelder bekommen. Die vorübergehend verlängerte Bezugsdauer hat dazu geführt, dass 2020 kaum ausgesteuerte Arbeitslose zur Sozialhilfe gelangten. Allerdings geht die Skos davon aus, dass nun dieses Jahr 7900 und nächstes Jahr 21’100 ausgesteuerte Arbeitslose zur Sozialhilfe gelangen.

Die Skos sorgt sich auch um die Zusatzkosten für die öffentliche Hand. In stark betroffenen Kantonen müsse der Lastenausgleich allenfalls angepasst werden, damit die Gemeinden nicht zu stark belastet würden. Ein weiteres Problem seien die Kosten, die Kantonen und Gemeinden für Menschen aus dem Asylbereich entstehen, weil die Bundessubventionen für die zwischen 2014 bis 2016 eingereisten Asylsuchenden auslaufen.