Wikileaks-Gründer Öffnen sich die Gefängnistore für Julian Assange?
Die USA könnten auf eine Auslieferung des australischen Whistleblowers verzichten. «Wir denken darüber nach», sagt Joe Biden.
Just zum fünften Jahrestag seiner Verhaftung in London darf Wikileaks-Gründer Julian Assange Hoffnung schöpfen, dass er demnächst auf freien Fuss gesetzt wird, statt in die USA ausgeliefert zu werden. Offenbar erwägt man jetzt in Washington erstmals, die Spionageanklage gegen Assange fallen zu lassen – auf Drängen Australiens und anderer Nationen hin.
Gefragt, ob er einem entsprechenden Ersuchen nachgeben werde, erklärte US-Präsident Joe Biden diese Woche: «Wir denken darüber nach.» Assange ist australischer Staatsbürger, und Australien hat seit längerem an die USA appelliert, auf einen Spionageprozess gegen den 52-Jährigen zu verzichten. Im Februar unterstützte das australische Parlament in aller Form den Regierungsappell.
Australiens Premier ist optimistisch
Zu Bidens Äusserung meinte der australische Regierungschef Anthony Albanese am Donnerstag, wiewohl eine amerikanische Entscheidung noch ausstehe, sei er zunehmend optimistisch. Assange habe «bereits einen erheblichen Preis bezahlt, und genug ist genug». Mit Assanges weiterer Einkerkerung, sagte Albanese, sei «nichts zu gewinnen». Das sei die Überzeugung der australischen Regierung generell.
In London rief Assanges Anwältin und Ehefrau Stella Assange den US-Präsidenten auf, die Anklage endlich fallen zu lassen. Gegenwärtig verlangt die US-Justiz noch die Auslieferung Assanges, um ihn wegen Spionage vor Gericht zu stellen.
Sie will Anklage in 18 verschiedenen Punkten gegen ihn erheben, was bei einer Verurteilung eine Gefängnisstrafe von 175 Jahren nach sich ziehen könnte. Britische Richter haben erst unlängst Garantien von den USA verlangt, dass keine Todesstrafe über Assange verhängt werden kann.
Beschuldigt wird Assange der berühmten Wikileaks-Veröffentlichung Hunderttausender von US-Geheimdokumenten in den Jahren 2010 und 2011, hauptsächlich zum Krieg im Irak und in Afghanistan. Die Dokumente hatte der US-Militäranalyst und Armeeangehörige Bradley Manning (heute Chelsea Manning) Assange damals zugespielt.
Assange wird zur Last gelegt, durch den «Diebstahl» und die Veröffentlichung des Geheimmaterials an Spionageaktivitäten beteiligt gewesen zu sein und das Leben von Informanten gefährdet zu haben. Er selbst bestand immer darauf, dass Wikileaks für die Öffentlichkeit wichtige Informationen, teils über amerikanische Kriegsverbrechen, ans Tageslicht gefördert habe. Dafür wollten ihn die USA bestrafen – und die Pressefreiheit generell einzuschränken suchen mit ihrem Vorgehen gegen ihn.
Vier Jahre im Londoner Hochsicherheitsgefängnis
Tatsächlich hatte der frühere US-Präsident Barack Obama sich mit einer Anklage gegen Assange seinerzeit zurückgehalten. Obama hatte Manning begnadigt. Erst Donald Trumps Regierung verlangte Assanges Auslieferung von Grossbritannien. Vier der letzten fünf Jahre sass Assange im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh nur deshalb ein, weil er sich gegen seine Auslieferung an die USA wehrte. Noch vor Ende Mai dieses Jahres wollte der High Court jetzt klären, ob Assange noch einmal in Berufung gehen kann in London oder ob dem US-Begehren endgültig stattgegeben wird.
Bereits im März hatte ein Bericht im «Wall Street Journal» allerdings davon gesprochen, dass Joe Bidens Regierung die Spionageanklage fallen lassen könnte. Assange könnte sich, meinte das Blatt, per Fernschaltung aus London eines geringeren Vergehens – wie des «unsachgemässen Umgangs mit Dokumenten» – schuldig bekennen. Und weil er insgesamt schon fünf Jahre Haft verbüsst habe, könne man das als ausreichende Bestrafung auch in Washington akzeptieren.
Statt in die USA deportiert zu werden, suggerierte der Bericht, könnte Assange so in Kürze schon auf freien Fuss gesetzt werden und eventuell nach Australien ausreisen.
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