Sondersession in BernNationalrat senkt Mehrwertsteuer auf Produkte der Monatshygiene | Parlament will missliebige Medienberichte einfacher verhindern
In Bern findet eine ausserordentliche Session statt. Wir berichten laufend.
Das Wichtigste in Kürze:
Der Nationalrat tagt von Montag bis Mittwoch an einer Sondersession.
Das Parlament debattiert unter anderem über höhere Armeeausgaben, die Modernisierung der Zivilprozessordnung und eine Reform der Mehrwertsteuer.
Die grosse Kammer hat mit 117 zu 79 Stimmen entschieden, die Armee-Ausgaben ab 2023 um 300 Millionen Franken jährlich zu erhöhen.
Als Nachfolgerin von Regula Rytz ist die Berner Grüne Natalie Imboden vereidigt worden.
Änderung der Zivilprozessordnung: Missliebige Medienartikel können zukünftig einfacher mit einer superprovisorischen Verfügung verhindert werden.
Wer ist für die Lücken verantwortlich?
Auf mehrere Fragen aus dem Rat nach der Verantwortlichkeit für den Zustand der Armee sagt Gmür: «Wir alle hier im Ratssaal sind dafür verantwortlich.» Die Kürzungen im Militäretat in den letzten Jahrzehnten seien auf Mehrheitsentscheide des Parlaments zurückzuführen.
«Keine Einsparungen nötig»
«Es sind keine Einsparungen nötig, um das Armeebudget aufzustocken», sagt Gmür auf eine Frage von Aline Trede (Grüne). Die Finanzplanung des Bundes zeige das klar. Der Bundesrat müsse die Prioritäten dafür setzen, was mit dem Geld angeschafft werden soll. Klar aber bestehe bei den Bodentruppen ein Nachholbedarf.
Im Konflikt mit der Aufgabenbremse?
Alois Gmür (Mitte), ebenfalls Sprecher der Sicherheitskommission, erinnert daran, dass das Militärbudget seit 1990 geschrumpft ist. Waffen und Material seien zum Teil veraltet. «Die Sicherheitslage in Europa hat sich nunmehr grundsätzlich verändert», sagt Gmür. Deshalb müssten der Armee so schnell wie möglich zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die Aufstockung soll schrittweise erfolgen, um nicht in Konflikt mit der Ausgabenbremse zu kommen.
«Krieg in der Ukraine ist ein Elektroschock»
Jean-Luc Addor (SVP) eröffnet als Sprecher der Sicherheitskommission die Debatte: «Der Krieg in der Ukraine ist ein Elektroschock». Die Kriegshandlungen hätten schonungslos die Schwächen der Schweizer Armee in Erinnerung gerufen. Zum Teil würden Kampfeinheiten nur auf dem Papier bestehen, da nicht genügend Waffen und Material dafür zur Verfügung stünden. Die vorgeschlagene Aufstockung des Budgets sei aber kein «Blankocheck». Es gehe um Anschaffungen, die geplant, aber zurückgestellt worden seien.
Nationalratssession beginnt mit Debatte über höheres Armeebudget
Die Armee soll ab 2023 schrittweise mehr Geld erhalten. Der Nationalrat debattiert am Montag vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine über eine Motion seiner Sicherheitspolitischen Kommission (SIK-N).
Hinter der Motion steht die bürgerliche Mehrheit der SIK-N; die Einreichung des Vorstosses hiess die Kommission mit 13 zu 9 Stimmen gut. Vertreterinnen und Vertreter von SP, Grünen und GLP sagen Nein zur Motion. Dem Ständerat liegt eine gleiche Motion der Schwesterkommission vor, er hat aber noch nicht darüber entschieden.
Ziel bei rund sieben Milliarden Franken
Die Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte (SIK-N und SIK-S) verlangen, die Armeeausgaben schrittweise ab 2023 zu erhöhen. Ziel soll sein, dass sie spätestens 2030 mindestens ein Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) betragen. Das wären rund sieben Milliarden Franken. 2019 hatte die Armee ein Budget von 5,6 Milliarden Franken. Der Bundesrat unterstützt das Anliegen.
Die Armeeausgaben sind seit 1990 kontinuierlich von jährlich 15,7 Milliarden Franken auf 5,6 Milliarden Franken im Jahr 2019 gesunken, wie es in den Motionen heisst. Oder anders ausgedrückt: 1990 wurde 1,34 Prozent des BIP in die Armee investiert, 2019 waren es noch 0,67 Prozent.
«Aufgrund des grossen Spardrucks bei der Armee wurden Anschaffungen aufgeschoben und es bestehen Fähigkeitslücken», heisst es in den schriftlichen Begründungen der Motionen. Nach wie vor würden in Europa Kriege mit infanteristischen Waffen, Panzern, Artillerie und Kampfjets geführt. Das zeige der Krieg in der Ukraine.
Mehrheit will Lücken schliessen
Die bürgerliche Mehrheit mit SVP, FDP und Mitte hofft, dass mit der Aufstockung des Budgets diese Lücken geschlossen und die Rüstungsvorhaben rascher umgesetzt werden könnten. Aus finanzieller Sicht sei diese Erhöhung massvoll und machbar, lautet der Tenor.
Die Minderheit – SP, Grüne und GLP – dagegen will eine allfällige Erhöhung der Armeeausgaben in einem grösseren Kontext diskutieren. Ein solcher Entscheid erfordere eine vertiefte Analyse der aktuellen Konfliktsituation und deren Auswirkungen. Es solle deshalb der Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht 2021 abgewartet werden, der Ende 2022 vorliegen sollte. (SDA)
Aufrüsten wegen Ukraine-Krieg: Das steht auf dem Einkaufszettel der Verteidigungsministerin
Ausgangslage
An seiner heute beginnenden Sondersession debattiert der Nationalrat unter anderem über höhere Armeeausgaben, die Modernisierung der Zivilprozessordnung und eine Reform der Mehrwertsteuer. Die Session dauert drei Tage und endet am Mittwochmittag.
Am Montagnachmittag befasst sich der Nationalrat mit dem Armeebudget. Die Sicherheitspolitische Kommission (SIK-N) beantragt mit einer Motion, bis 2030 die Ausgaben für die Armee schrittweise von fünfeinhalb auf rund sieben Milliarden Franken zu erhöhen. Bis spätestens 2030 will die SIK-N ein Prozent des BIP für die Armee ausgeben.
Anlass für die Forderung ist der Krieg in der Ukraine. Bereits in der Frühjahrssession hatten die bürgerlichen Fraktionen beider Räte verlangt, das Budget des Verteidigungsdepartements schrittweise aufzustocken. Die SIK des Ständerats stellt dieselbe Forderung, ebenfalls mit einer Motion.
Der Bundesrat erklärt sich mit dem Anliegen einverstanden und beantragt ein Ja zu den Motionen. Allerdings will er sich nicht auf konkrete Beträge festlegen, sondern die Mehrausgaben «im Licht der Gesamtausgaben» laufend beurteilen.
Streit um «Medienartikel»
Am zweiten Sessionstag befasst sich der Nationalrat dann mit der modernisierten Zivilprozessordnung. Hier dürfte ein «Medienartikel» zu reden geben: Der Ständerat, der die Vorlage als Erstrat behandelt hatte, senkte die Hürde für gerichtlich erwirkte superprovisorische Verfügungen, um Medienberichte vorsorglich zu stoppen (Lesen Sie zum Thema auch unser Editorial: Wir müssen die Medienfreiheit schützen).
Heute kann ein Gericht einen Bericht stoppen, wenn dieser für die gesuchstellende Partei einen besonders schweren Nachteil verursachen kann. Der Ständerat strich das Wort «besonders». Damit reicht neben anderen Kriterien ein «schwerer Nachteil» als Rechtfertigung für das vorläufige Verhindern eines Medienberichts.
Die Mehrheit der Rechtskommission des Nationalrates (RK-N) will es halten wie der Ständerat. Es liegen aber auch Minderheitsanträge vor – eine Minderheit will beim Status quo bleiben.
Mit der Reform der Zivilprozessordnung sollen Private und Unternehmen einen leichteren Zugang zu Gerichten erhalten. Unter anderem soll dafür das Prozesskostenrecht angepasst werden. Auf eine Verbesserung der kollektiven Rechtsdurchsetzung verzichtete der Bundesrat nach der Vernehmlassung.
Tiefere Mehrwertsteuer auf Tampons
In der Sondersession befasst sich der Nationalrat schliesslich auch mit Anpassungen im Mehrwertsteuergesetz. Unter anderem sollen ausländische Online-Händler, die in der Schweiz Waren verkaufen, der Mehrwertsteuer unterstellt werden. Schweizer Online-Versandplattformen liefern die Mehrwertsteuer bereits ab.
Die vorberatende Wirtschaftskommission des Nationalrates (WAK-N) will diese Regel auf alle steuerpflichtigen Importeurinnen und Importeure ausdehnen. Damit soll sichergestellt werden, dass inländische Importunternehmen gegenüber ausländischen elektronischen Plattformen nicht benachteiligt werden.
Die WAK-N ist mit der tieferen Besteuerung der Produkte für Monatshygiene einverstanden. Anträge für eine Streichung dieser Bestimmung sowie für eine Ausweitung der Steuerreduktion auf Babywindeln und Einlagen für inkontinente Personen wurden in der Kommission allerdings relativ knapp abgelehnt. (SDA)
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