Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Schweizer Armee
Projektchef der Debakel-Drohne denkt bei «SRF bi de Lüt» übers Auswandern nach

Die pannenanfällige Aufklärungsdrohne Hermes 900 (hinten im Bild) war auch in der Sendung «SRF bi de Lüt – Heimweh» zu sehen.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk
In Kürze:
  • Der Bericht der Finanzkontrolle kritisiert Armasuisse wegen mangelhafter Planung und Risikomanagement.
  • Das Projekt mit Hermes-Drohnen wird als «Entwicklungsprojekt» bezeichnet.
  • Die Finanzkontrolle stellt infrage, ob das Projekt zeitnah realisiert werden kann.
  • Fragen wirft auch die Teilnahme eines führenden Mitarbeiters bei einer SRF-Sendung auf.

Mangelhafte Planung, unzureichendes Risikomanagement, unterschätzte Komplexität, zu ambitionierte Ziele: Ein am Mittwoch veröffentlichter Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle kritisiert das Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) und dessen Vorgehen bei der Beschaffung neuer Aufklärungsdrohnen scharf. Das oberste Aufsichtsorgan des Bundes hatte den Auftrag, zu prüfen, wie es um die Einsatztauglichkeit der sechs Hermes-Drohnen des israelischen Herstellers Elbit steht. Das Fazit: Obwohl das System laut Ursprungsplan eigentlich seit 2020 im Einsatz stehen sollte, hat es laut den Finanzkontrolleuren nach wie vor den «Charakter eines Entwicklungsprojekts».

Recherchen dieser Redaktion zeigten vergangene Woche, dass die Schieflage des 300-Millionen-Franken-Programms massgeblich mit den überhöhten Ansprüchen zu tun hat. Die Schweizer Armee will nichts weniger als die Aviatik revolutionieren. Als erstes Drohnensystem weltweit sollen die Schweizer Hermes-Exemplare ein für den zivilen Luftraum zugelassenes «Detect and avoid»-System (kurz: DAA) an Bord haben. Ein solches System muss andere Flugobjekte in der Luft erkennen, deren Bewegungen analysieren und rechtzeitig Massnahmen einleiten, um Kollisionen zu vermeiden. Den Auftrag, ein DAA zu realisieren, hat der staatliche Rüstungskonzern Ruag MRO gefasst.

Nach mehreren Experten äussert nun auch die Finanzkontrolle «erhebliche Zweifel», ob die angeschlagene Ruag ein solches System überhaupt zeitnah realisieren kann. Die Armasuisse, die bisher stets behauptete, mit den Firmen Elbit und Ruag einen «Werkvertrag» eingegangen zu sein, sei in Wirklichkeit zur «Generalunternehmerin in einem Entwicklungsprojekt» geworden, heisst es im Bericht. Die Finanzkontrolleure sehen «dringenden Handlungsbedarf», wie das weitere Vorgehen im Projekt aussehen soll.

Die Armasuisse schreibt in ihrer Stellungnahme zum Bericht, dass man die Empfehlungen der Finanzkontrolle zur Kenntnis nehme. Zugleich betonen die Verantwortlichen aber, dass sie an ihren bisherigen Plänen festhalten: Ende 2026 soll das DAA-System fertig sein und 2029 für den zivilen Luftverkehr zertifiziert werden. Den wesentlichen Kritikpunkten der Finanzkontrolle – etwa was das ungenügende Risikomanagement angeht oder die mangelhafte Projektführung – «stimmt Armasuisse nicht zu», heisst es in der Stellungnahme.

SRF-Sendung übers Auswandern

Nicht nur die Stellungnahme im Bericht wirft Fragen auf, ob sich Armasuisse dem Ernst der Lage vollends bewusst ist. Während die Finanzkontrolle die Beschaffung auf Herz und Nieren prüfte, machte der damalige Leiter des Drohnenprojekts als Protagonist bei der Sendung «SRF bi de Lüt – Heimweh» mit. Die Crew des Schweizer Fernsehens begleitete ihn und seine amerikanische Frau bei der Suche nach einem neuen Lebensmittelpunkt.

Das Leben der beiden sei bereits jetzt ein «Hin und Her zwischen zwei Kontinenten», heisst es im ersten Einspieler. Im Kern dreht sich die vierteilige Serie darum, ob er seinen Job als Leiter eines 100-köpfigen Teams, das die Schweizer Aufklärungsdrohnen beschafft, an den Nagel hängen soll, um nach Kalifornien auszuwandern. Nach einem Aufenthalt in den USA fällt das Paar in der finalen Folge genau diesen Entscheid: Er hat seinen Job gekündigt, das Drohnenprojekt leitet heute sein Stellvertreter.

Bei Armasuisse fehlte offenbar das Sensorium dafür, dass diese Sendung sie in ein schlechtes Licht rücken konnte. Nicht nur sahen die Verantwortlichen offenbar keinerlei Probleme darin, ihren leitenden Angestellten an seinem Arbeitsplatz von SRF begleiten zu lassen und dabei Fragen zu seiner beruflichen Zukunft zu stellen. Kurz vor der Veröffentlichung im letzten April promotete Armasuisse auf ihrer Website sogar die Ausstrahlung der Serie.

Armasuisse teilt mit, dass ihnen die Teilnahme an der Sendung bekannt gewesen sei. Die Aussage in der Sendung, dass der leitende Angestellte oft in den USA weile, treffe aber nicht zu. «Seine Abwesenheiten fanden jeweils zu geeigneten Zeitpunkten im Projektverlauf statt und waren mit dem Team abgesprochen», sagt Armasuisse-Sprecher Kaj-Gunnar Sievert. Was Mitarbeitende in ihrer Freizeit machten, darauf habe man als Arbeitgeber keinen Einfluss. Der Vorwurf, dass die Teilnahme an der Sendung Ausdruck dafür sei, dass man sich bei Armasuisse dem Ernst der Lage nicht vollends bewusst sei, treffe nicht zu, so Sievert. «Die Herausforderungen im Projekt sind an anderen Stellen zu verorten.»

Fragwürdige Personalentscheide

Dass das Projekt in mehrerlei Hinsicht unprofessionell aufgestellt ist, wird aber auch im Bericht an mehreren Stellen deutlich. Laut Finanzkontrolle führte die Projektleitung etwa keine genügende Gesamtplanung und hatte keinen vollständigen Überblick über die Risiken. Auch bekundete das operative Führungsteam Mühe, die Lieferanten Elbit und Ruag zu steuern. Mit Elbit ist die Kommunikation dermassen eskaliert, dass mittlerweile Rüstungschef Urs Loher persönlich die Gespräche mit der israelischen Firma führen muss.

Wesentliche Fehler sind aber nicht nur bei der operativen Leitung, sondern bei der Gesamtsteuerung des Projekts zu suchen. Das zeigt sich beispielsweise bei der Besetzung des externen Qualitäts- und Risikomanagers. Für diesen Posten wurde ein Mitarbeiter des Generalsekretariats des VBS eingesetzt. Dieser machte laut dem Bericht «mehrmals darauf aufmerksam», dass ihm wesentliche Kenntnisse für diese Rolle fehlen würden. Er beantragte bei seinen Vorgesetzten, dass er durch eine «sachverständige Person» ersetzt werde. Auf seinen Hilferuf erhielt er von diesen aber nicht einmal eine schriftliche Antwort.

Immerhin: In diesem Punkt hat Armasuisse Handlungsbedarf eingesehen. In diesen Tagen soll die Rolle des externen Qualitäts- und Risikomanagers beim Drohnenprojekt neu besetzt werden.