Argentinien vor Megareform Hinter Mileis Schocktherapie steht ein Ökonom mit Schweizer Wurzeln
Federico Sturzenegger hat die Reformpläne des libertären Präsidenten ausgearbeitet. Von einer Niederlage vor Gericht lässt er sich nicht stoppen.
Als Argentiniens neuer Präsident Javier Milei bekannt gab, wie er sein Land reformieren will, stand neben ihm ein Mann mit hellblauem Jackett und abgewetzten Turnschuhen. Im prunkvollen Weissen Saal des Präsidentenpalastes in Buenos Aires sah Berater Federico Sturzenegger ziemlich verloren aus.
Spätestens seit diesem Foto aus der letzten Dezemberwoche ist der argentinischen Bevölkerung klar, dass der Ökonom eine der wichtigsten Personen im Umfeld des Präsidenten ist. Obwohl der 57-Jährige keinen offiziellen Posten in der Regierung hat, beschreiben ihn Medien als «Mileis Gehirn» und als Architekten von Mileis wirtschaftlicher Schocktherapie. Die «Weltwoche» betitelte ihn gar ehrfürchtig als «Argentiniens Terminator».
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Sturzenegger hat für den Präsidenten ein Programm ausgearbeitet, das – falls es denn umgesetzt wird – den argentinischen Staat massiv zurückdrängen würde. Hunderte Gesetze sollen rasch abgeschafft oder abgeändert werden, vom Kündigungsschutz bis zu Importverboten.
Das Gesetzespaket stellt in seiner Radikalität und seinem Tempo Reformen früherer Präsidenten bei weitem in den Schatten. Mit der Notstandsklausel will die Regierung ihr Vorhaben ohne Mitsprache des Parlamentes umsetzen. «Die argentinische Wirtschaft befindet sich in einer Notsituation», sagte Sturzenegger. Auch der frühere Präsident Alberto Fernández habe während der Pandemie mit Präsidialdekreten regiert, rechtfertigt der Ökonom das Vorgehen.
Niederlage vor Gericht
Es war eine persönliche Niederlage für Sturzenegger, dass die Justiz der argentinischen Regierung einen ersten Dämpfer zugefügt hat. Ein Gericht hat kürzlich die geplante Reform des Arbeitsrechts ausgesetzt. Unter anderem wollte die Regierung die Probezeit verlängern, bestimmte Entschädigungen und den Mutterschutz kürzen.
Der zuständige Richter stellte die «Notwendigkeit» und «Dringlichkeit» des Dekrets infrage und setzte die Massnahmen bis zu einer Prüfung des Parlaments aus.
Besuch im Appenzell
Sturzeneggers Grossvater war einst aus dem Appenzell nach Südamerika ausgewandert. Wie er dem Newsportal Cash.ch bei einem früheren Besuch am WEF verriet, war Sturzenegger auch schon mal im Appenzell, um sich dort umzusehen. Er hat jetzt aber keine Verwandten mehr in der Schweiz.
Stärker als durch die Schweiz wurde Sturzenegger durch die USA geprägt. Nach einem Abschluss in Argentinien machte der Ökonom an amerikanischen Elite-Universitäten Karriere. Er erhielt einen Lehrauftrag an der Kennedy School of Government der Harvard University und promovierte anschliessend am Massachusetts Institute of Technology.
Karriere im konservativen Establishment
1995 kehrte er nach Argentinien zurück, wo er diverse Spitzenjobs in Wirtschaft und Politik übernahm. Lange Zeit war er auf der Linie der Konservativen Partei. Als der Konservative Mauricio Macri 2015 Präsident wurde, ernannte er Sturzenegger zum Präsidenten der argentinischen Zentralbank.
Die erhoffte positive Wende gelang Macri nicht. Die Wirtschaft darbte, der Peso schwächelte. Die Probleme der Währung wurden dem Zentralbankchef Sturzenegger angehängt, der im Sommer 2018 zurücktreten musste.
Die Verbindung zu den Konservativen aber blieb. Seine Deregulierungspläne arbeitete er für die konservative Kandidatin Patricia Bullrich aus, die im ersten Wahlgang gescheitert war. Weil sich die Konservativen nach ihrer Niederlage für Milei aussprachen, wurden sie mit wichtigen Posten belohnt. Bullrich ist Ministerin für Innere Sicherheit, Sturzenegger der wichtigste Berater.
Von ihrem Kurs wird sich die argentinische Regierung nicht abbringen lassen. Gegen den Gerichtsentscheid zur Arbeitsmarktreform hat sie Berufung eingelegt. Ohnehin ist das Massnahmenpaket erst der Anfang. Noch vor dem Urteil kündigte Sturzenegger an, in der kommenden Woche weitere Deregulierungsschritte umsetzen zu wollen.
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