Neues zu RückenproblemenStehen ist doch nicht viel besser als Sitzen
Sitzen ist das neue Rauchen, heisst es seit Jahren. Jetzt zeigt sich, dass auch Stehen diverse Risiken mit sich bringt. Über die Suche nach der optimalen Arbeitsposition.
- Langes Stehen ist nicht gesünder als Sitzen, warnen australische Ärzte.
- Risiko für Kreislaufleiden erhöht sich mit zusätzlicher Stehzeit stetig.
- Ideale Bürohaltung bleibt unklar, Sitzen und Stehen bieten beide Nachteile.
- Regelmässige Bewegung und kurze, intensive Anstrengungen fördern die Gesundheit effektiv.
Als Bürobewohner hat man es nicht leicht. Gut, meistens sitzt man im Trockenen, und es wird geheizt. Aber die Kollegen. Die Chefs. Der verspannte Nacken vor dem Bildschirm. Und dann noch die Nörgelei an der Haltung. Sitzen ist das neue Rauchen, heisst es seit Jahren. Die sesshafte Arbeitsweise schade Herz und Kreislauf.
Prompt wurden Stehtische angeschafft, und der schlaffe Typ aus der Abteilung nebenan stand plötzlich im Büro stramm. Im Einzelhandel bedienten manche Mitarbeiter nur stehend. Nur für Fernfahrer und Handlungsreisende gab es keine Möglichkeit, das Lenkrad im Stehen zu steuern.
Etliche Menschen machten sich auf die Beine, doch jetzt folgt die Ernüchterung. Ärzte aus Australien zeigen im «International Journal of Epidemiology», dass Stehen nicht gesünder ist als Sitzen. Im Gegenteil, es drohen ebenfalls Herz-Kreislauf-Leiden: orthostatische Erkrankungen wie Beinvenenthrombosen, Krampfadern und Geschwüre an den Unterschenkeln.
Langes Stehen senkt zudem den Blutdruck. Für das Herz ist das zwar gut, doch Stürze sind mögliche Nebenwirkungen, wenn das Blut mit verminderter Wucht durch die Adern rauscht.
Nicht weniger Infarkte oder Schlaganfälle
Die Wissenschaftler der Universität Sydney haben Daten von 83’000 Erwachsenen ausgewertet, die im Mittel knapp sieben Jahre beobachtet wurden. Dabei entdeckten sie, dass Stehen im Vergleich zum Sitzen keineswegs besser vor Infarkt oder Schlaganfall schützte.
Wer mehr als zwei Stunden am Tag stand, erhöhte mit jeder halben Stunde, die er zusätzlich stehend verbrachte, sein Risiko für orthostatische Leiden um 11 Prozent. «Die Kernbotschaft ist, dass langes Stehen Nachteile eines sesshaften Lebenswandels nicht aufhebt», sagt Matthew Ahmadi, der die Studie geleitet hat. «Die kardiovaskuläre Gesundheit wird nicht verbessert, dafür handelt man sich andere Kreislaufthemen ein.»
Chirurgen im OP wissen davon – ebenso Barkeeper und Gastgeber von Empfängen, die stundenlang Hände schütteln. Die Beine werden dick, die Füsse drücken in den Schuhen. Wer im Stehen nicht ab und zu ein paar Schritte macht oder auf den Zehen wippt, vernachlässigt die Muskelpumpe im Bereich der Knöchel, die das venöse Blut in Richtung Herz transportieren hilft, wenn man sich bewegt.
Hauptsache Bewegung
Ja, welche ist denn nun die optimale Haltung im Büro? Sitzbälle haben sich nicht bewährt; Arbeitsmediziner warnen vor Kopfverletzungen, falls der Ball unbemerkt wegrollt, wenn man sich kurz erhebt und dann ins Leere plumpst. Liegestühle sind prima, verstärken aber die Neigung zum Büroschlaf.
Vielleicht sind Laufbänder vor dem Schreibtisch die Lösung. Ärzte sind sich jedenfalls einig, dass Menschen, die täglich zehn, zwölf Stunden passiv verbringen (erst im Büro, dann vor dem Fernseher) mehr Bewegung bräuchten. Die Treppe nehmen, der Gang zum Kollegen oder ein Spaziergang senken effektiv Risiken.
Ist die Anstrengung intensiv genug, reichen auch sechs Minuten am Tag. Ideal wäre der «Hampelmann» mehrmals täglich, dabei werden alle Muskelgruppen sowie Herz und Kreislauf aktiviert. Ob sich das durchsetzt? Viele Angestellte haben bereits jetzt das Gefühl, sich jeden Tag zum Hampelmann zu machen.
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