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Jungunternehmerin in St. Gallen
Die Pharmaassistentin, die den Apotheken­ketten trotzt

Junge Pharmaassistentin trotzt den Apothekenketten: Michèle Ammanns Erfolgsgeschichte

Während grosse Apothekenketten den Markt zu dominieren versuchen, beweist Michèle Ammann, dass auch unabhängige Apotheken dank Effizienz und moderner Technik bestehen können. 
St. Gallen, 24.9.2024
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In Kürze:
  • In der Schweiz gibt es 1839 Apotheken, wovon ein Drittel Ketten gehören.
  • Unabhängige Apotheken wie die von Michèle Ammann profitieren von Verbänden wie Rotpunkt.
  • Automatisierung ist entscheidend, um die Effizienz zu steigern.
  • Die Galenica-Kette plant, jährlich 5 bis 15 neue Apotheken zu eröffnen oder zu kaufen.

Der Weg zur nächsten Apotheke ist in der Schweiz in der Regel nicht weit. In der Schweiz gibt es heute 1839 dieser Basislager für die medizinische Grundversorgung von der Babywaage über Kopfwehpulver und Stützstrümpfe bis zum hochkomplexen Medikamentenmix.

Während grosse Ketten in anderen Ländern längst diesen Markt dominieren, halten sie in der Schweiz bisher erst ein Drittel aller Apotheken. Aber: «Tendenz steigend», schreibt der Apothekerverband im jüngsten Jahresbericht.

Dass inhabergeführte, im Dorf und Quartier verankerte Apotheken dennoch nicht vom Markt verschwinden, liegt auch am Engagement von Netzwerken unabhängiger Apotheken wie Rotpunkt und Toppharm. Mit vereinten Kräften stemmen sie sich gegen die immer stärkere Konkurrenz der Ketten.

Traum vom Unternehmertum

Ein Beispiel dafür, wie unabhängig geführte Apotheken in diesem Umfeld erfolgreich bestehen, ist Michèle Ammann. Die 32-jährige Pharmaassistentin hat letztes Jahr die Rotpunkt-Apotheke am Bahnhofpärkli in St. Gallen übernommen.

Die Chance, eine Apotheke zu übernehmen, ergab sich, nachdem Ammann bereits Erfahrung gesammelt hatte – als Angestellte in der Bahnhofapotheke, gleich nebenan. «Ich war von Anfang an mit Herz und Verstand dabei», erzählt sie. Schon bald verhielt sie sich weniger wie eine Angestellte und mehr wie jemand, die Verantwortung für die ganze Apotheke übernimmt.

Junge Pharmaassistentin trotzt den Apothekenketten: Michèle Ammanns Erfolgsgeschichte

Während grosse Apothekenketten den Markt zu dominieren versuchen, beweist Michèle Ammann, dass auch unabhängige Apotheken dank Effizienz und moderner Technik bestehen können. 
St. Gallen, 24.9.2024

Die eigene Apotheke zu führen, war damals ein Traum. Er wäre für Ammann beinahe in Erfüllung gegangen, als die Bahnhofapotheke zum Verkauf stand. Doch letztlich ging das Geschäft an die Grosskette Amavita des Schweizer Gesundheitsdienstleisters Galenica.

Damit war für Ammann klar: Eine Karriere als Filialleiterin innerhalb eines Firmengeflechts, das Geschäftsabläufe zentral vorgibt, entsprach nicht ihren Vorstellungen.

Hilfe beim Finanzieren

Wenig später tat sich eine andere Möglichkeit auf. Im St. Galler Bahnhofpärkli, nur ein paar Schritte entfernt von ihrer alten Arbeitsstelle, stand eine weitere Apotheke zum Verkauf.

Hier kam Rotpunkt ins Spiel. Über ihre Firma Vitopha kauft die Vereinigung inhabergeführter Apotheken, die vor der Übergabe stehen, und gibt sie an motivierte Interessenten weiter. Rotpunkt sorgt für Bankkredite, sodass die Jungunternehmer sich nicht mit hohen Krediten belasten müssen.

Auch Michèle Ammann profitierte davon: Die Finanzierung des Geschäfts lief über Vitopha, und für den Neustart erhielt sie fachliche Unterstützung – bei voller Freiheit, die Apotheke nach ihren Vorstellungen zu gestalten.

Heute betreibt Ammann ihre Apotheke mit einem Team von zwölf Angestellten, darunter zwei Lernende und ein Apotheker, der die fachliche Führung übernimmt, während sie selbst die Geschäfte leitet.

«Die Hilfe von Rotpunkt war wichtig», sagt sie. «Sie haben mich beraten, aber mir auch viele Freiheiten gelassen, wie ich die Apotheke im Detail aufbaue.» Der entscheidende erste Schritt war der Umbau, bei dem sie den ungenutzt im Keller lagernden Medikamentenroboter aus dem Dornröschenschlaf weckte.

Junge Pharmaassistentin trotzt den Apothekenketten: Michèle Ammanns Erfolgsgeschichte

Während grosse Apothekenketten den Markt zu dominieren versuchen, beweist Michèle Ammann, dass auch unabhängige Apotheken dank Effizienz und moderner Technik bestehen können. Hier ist Frau Ammann in ihrem Roboter drin.
St. Gallen, 24.9.2024

Der Roboter lagert über 15’000 Medikamente und befördert sie bei Bedarf innert Sekunden zur Verkaufstheke. Ein solcher Roboter spart Zeit und Arbeitsschritte, was die Personalkosten deutlich reduziert – ein Vorteil, der heute für die Konkurrenzfähigkeit unabhängiger Apotheken unverzichtbar ist.

Automatisierung ist zentral

Dank der Automatisierung wird Ammanns Team entlastet, die Mitarbeitenden können sich stärker der Kundenberatung widmen. «Effiziente Abläufe sind der zentrale Faktor für das Überleben der unabhängigen Apotheken», sagt Ruedi Andres.

Er ist selbst unabhängiger Apotheker in Zürich und engagiert sich in der Rotpunkt-Vereinigung – auch indem er persönlich Leute wie Michèle Ammann auf dem Weg ins Unternehmertum fachlich begleitet.

«Bei Pharmaassistentinnen wie Michèle Ammann ist das unternehmerische Gen offenbar weiter verbreitet als bei studierten Apothekerinnen und Apothekern», sagt Andres aus seiner Erfahrung von unterdessen Dutzenden von Beratungen.

Expansion grosser Ketten

Im Gegensatz zu den unabhängigen Apotheken können sich die grossen Ketten dagegen auf ihre wirtschaftliche Stärke verlassen. Die Schweizer Unternehmensgruppe Galenica, die die Ketten Amavita, Sun Store und – zusammen mit Coop – Coop Vitality betreibt, hält heute rund 20 Prozent des Schweizer Apothekenmarkts.

Galenica Infotafel beim Haupteingang.

Foto: 20min/Matthias Spicher

Und Galenica will weiterwachsen: Der Pharmadienstleister hat laut einer Unternehmenssprecherin ein Wachstumsziel von 5 bis 15 neuen Apotheken pro Jahr durch Zukauf und Neueröffnungen, «um möglichst nah bei unseren Kunden zu sein». Anderseits schliesst Galenica auch Standorte oder legt Apotheken zusammen. «Qualität kommt vor Quantität», sagt die Sprecherin.

Benu, eine weitere grosse Kette, verfolgt in der Schweiz eine ähnliche Strategie. Der Ableger des deutschen Pharmagrosshändlers Phoenix will die Zahl der Filialen in der Schweiz von derzeit etwa 100 auf 120 erhöhen. Weitere zentral geführte Ketten sind Dropa Bähler und die Medbase-Apotheken der Migros.

Rotpunkt will Unabhängige fit machen

Mit der Standardisierung der Betriebsführung und Marketingkampagnen wollen sich die Ketten einen wachsenden Marktanteil sichern. Für unabhängige Apotheken ist die Strategie eine andere. «Wir verstehen uns als Selbsthilfeorganisation für unabhängige Apotheken», sagt Ruedi Andres über Rotpunkt. «Wie bieten Einkaufsvorteile, gemeinsames Marketing und Schulungen – so werden die Inhaberinnen und Inhaber fit gemacht, um eigenständig bestehen zu können.»

Galenica streicht die Vorteile der Apothekenketten heraus. Geschäftsleitungs­mitglied Daniele Madonna ist selbst Apotheker und sitzt im Vorstand des Branchenverbands. Er sagt: «Wer bei uns Verantwortung übernehmen möchte, hat die Möglichkeit dazu, ohne ein Pharmaziestudium machen zu müssen.» Madonna bringt auch die Innovation ins Spiel: «Hier nehmen wir eine treibende Rolle ein, von der am Ende alle Apotheken profitieren können.» Das nehme Druck aus dem Gesundheitssystem als Ganzes.

Der Trend zur Konsolidierung im Markt dürfte laut dem Apothekerverband anhalten, was für die unabhängigen Apotheken eine ungewisse Zukunft bedeutet. Gleichzeitig zeigt das Beispiel von Michèle Ammann, dass sich auch heute noch neue unternehmerische Wege im Apothekenmarkt eröffnen.