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Prozess wegen Kriegsverbrechen
Ankläger konfrontieren Thaçi mit grausigen Details

Ex-UÇK-Führer Hashim Thaçi vor Gericht in Den Haag.
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Die vor einem Vierteljahrhundert auf dem Gebiet Kosovos und im Norden Albaniens mutmasslich von Mitgliedern der kosovarischen Guerillatruppe UÇK begangenen Kriegsverbrechen werden seit Montag vor einem Sondertribunal in Den Haag behandelt. Vor den sogenannten Kosovo Specialist Chambers (KSC) stehen der kosovarische Ex-Präsident Hashim Thaçi und drei seiner Mitkämpfer, die nach dem Konflikt ihre Uniformen ablegten und in die Politik wechselten.

Sie müssen sich wegen ihrer angeblichen Teilnahme an einem «gemeinsamen kriminellen Unterfangen» verantworten, das laut Anklagebehörde zum Ziel hatte, politische Gegner, kosovo-albanische Kollaborateure des serbischen Regimes und auch Angehörige der Minderheiten wie Serben und Roma zu beseitigen. Die UÇK-Führer, sagte Ankläger Alex Whiting zum Prozessauftakt, seien verantwortlich für Morde und illegale Festnahmen. Die Schuld dafür trügen insbesondere die vier Angeklagten als Mitglieder des Generalstabs. Thaçi und die Mitangeklagten wiesen die Vorwürfe zurück und sagten nacheinander fast wortgleich: «Ich bin unschuldig.»

Gab es eine klare Befehlskette?

Die Opfer, so die Anklagebehörde, seien in illegalen Gefängnissen und in Tierställen festgehalten worden, 102 Opfer überlebten die Folterkammern nicht. In ihrem Eröffnungsplädoyer versuchten die Ankläger den Nachweis zu erbringen, dass die UÇK eine Kampftruppe mit klaren Befehlsketten gewesen sei. Verwiesen wurde auf mehrere Pressecommuniqués, in denen die UÇK politische Rivalen ins Visier nahm. Obwohl die Gräueltaten der UÇK zahlenmässig in keinem Verhältnis zum serbischen Massenmord an Kosovo-Albanern stehen, kann man sie nicht leugnen, wie manche Anhänger Thaçis es tun. Ob der ehemalige Staatschef dabei eine direkte Rolle gespielt hat, muss die Anklagebehörde nun belegen.

Für seine Verteidigung hat Thaçi Topanwälte in den USA angeheuert. Sie wollen dokumentieren, dass es in der UÇK keine funktionierende Befehlskette gab. Dies sollen Stellungnahmen des US-Aussenministeriums zeigen. Die Verteidiger wollen mehrere international bekannte Persönlichkeiten in den Zeugenstand rufen. Erwähnt werden unter anderem US-General Wesley Clark, der während des Kosovo-Krieges Nato-Befehlshaber in Europa war, und der französische Ex-Aussenminister Bernhard Kouchner, der nach dem Krieg die UNO-Verwaltung in Kosovo leitete.

Prominente Zeugen

Clark und Kouchner hätten auf professioneller und zum Teil auf persönlicher Ebene mit Thaçi zu tun gehabt. In deren Anwesenheit unterzeichnete Thaçi kurz nach Kriegsende die Umwandlung der UÇK in ein «Zivilschutzkorps». Die Anklagebehörde kann dies allerdings als Beweis sehen, dass Thaçi der einflussreichste UÇK-Führer war. Die Anwälte sind bemüht, ihn als einen unbedeutenden Studenten zu beschreiben, der kurz vor Kriegsausbruch die Uni Zürich verliess und sich dem Befreiungskampf in der Heimat anschloss. Die Anklagebehörde möchte über 300 Zeugen aufbieten.

Die Anklagebehörde legte Wert auf die Feststellung, dass die kosovarischen Guerillakämpfer einen Befreiungskrieg geführt hätten. Weder der Befreiungskrieg noch die UÇK stünden hier vor Gericht, sondern vier Personen, sagte eine Anklägerin. Es war eine direkte Antwort an jene Unterstützer Thaçis, die am Sonntag in Pristina gegen den Prozess protestierten.