New Yorks GouverneurAndrew Cuomo verliert an Rückhalt
Inzwischen sind es sechs Frauen, die dem demokratischen Politiker sexuelle Belästigung vorwerfen. Politisch gilt Andrew Cuomo als isoliert. Mehrere Abgeordnete seiner Partei haben ihm den Rücktritt nahegelegt.
Larry Schwartz dürfte gerade eigentlich genug zu tun haben. Er leitet das Impfprogramm in New York, dem mit knapp 20 Millionen Einwohnern viertgrössten Bundesstaat der USA. Schwartz hat allerdings auch einen heiklen Nebenjob. Sein Chef Andrew Cuomo, demokratischer Gouverneur von New York State, hat seinen langjährigen Vertrauten offenbar losgeschickt mit dem Auftrag, ihm die Unterstützung der Demokraten im Bundesstaat zu sichern, berichtet die «New York Times». Und Unterstützung hat Cuomo gerade bitter nötig.
Seit Ende Februar ist der Gouverneur in Bedrängnis. Es begann mit Vorwürfen, Cuomo habe die hohe Zahl von Corona-Toten in New Yorker Altersheimen unterschlagen. Das ist ein Skandal für sich. Was ihm gerade noch mehr zu schaffen macht, sind aber die öffentlichen Vorwürfe von inzwischen sechs Frauen, ehemalige Mitarbeiterinnen vor allem, er sei ihnen verbal und körperlich deutlich zu nahe getreten.
Es geht etwa um kaum verdeckte Angebote, die Nacht mit ihm zu verbringen. «Jede über 22 Jahre» sei für ihn «in Ordnung», soll Cuomo seiner Mitarbeiterin Charlotte Bennett im Juni 2020 zugesichert haben, berichtete die «New York Times». Bennett ist heute 25 Jahre alt. Cuomo 63. Zuvor hatte bereits Lindsey Boylan berichtet, Cuomo habe sie etwa zum «Strip-Poker» eingeladen und ihr einen unerwünschten Kuss gegeben. Eine Frau, die anonym bleiben möchte, berichtete Mitte vergangener Woche, Cuomo habe ihr in seiner Dienstvilla unter die Bluse gefasst.
«Ich habe niemanden belästigt»
Cuomo streitet körperlichen Übergriffe ab. Er räumte allerdings in einer ersten schriftlichen Erklärung ein, dass er Mitarbeiter in diesem «sehr ernsten Geschäft» gern necke und herausfordere. Das sei ihm «falsch ausgelegt worden». Er verstehe jetzt, «dass meine Interaktionen möglicherweise unsensibel oder zu persönlich waren und einige meiner Kommentare angesichts meiner Position eine Wirkung auf einige Personen hatten, die ich nie beabsichtigt habe». Nach der Erklärung haben sich weitere Frauen öffentlich erklärt.
Zweimal hat Cuomo sich an Pressekonferenzen zu den Vorwürfen geäussert. Beide Male erklärte er, es habe keine körperlichen Übergriffe gegeben. Und: Er trete nicht zurück. Zuletzt hatte er am Freitag gesagt: «Ich habe nicht getan, was mir vorgeworfen wird. Punkt. Ich habe niemanden belästigt. Ich habe niemanden angegriffen. Ich habe niemanden missbraucht.»
Das scheinen ihm immer weniger Parteifreunde zu glauben. Zumal die Demokraten sich in den vergangenen Jahren als Vorreiter der #MeToo-Bewegung positioniert haben. Manche, etwa der Senator Al Franken, haben schon wegen deutlich weniger ihre Ämter aufgeben müssen.
Nach einer Umfrage steht die Hälfte der New Yorker nach wie vor zu ihrem Gouverneur.
Politisch gilt Cuomo als isoliert. 12 der 19 demokratischen New Yorker Abgeordneten im Washingtoner Repräsentantenhaus haben ihm vergangene Woche den Rücktritt nahegelegt. Zudem haben die beiden New Yorker Senatoren Kirsten Gillibrand und Chuck Schumer ihm am Freitag die Unterstützung entzogen. Schumer ist als Mehrheitsführer der Demokraten im Senat der ranghöchste Vertreter seiner Partei. Präsident Joe Biden bittet darum, die Ermittlungen abzuwarten.
Am Montag ist Charlotte Bennett über vier Stunden von unabhängigen Ermittlern befragt worden, die die New Yorker Justizministerin Letitia James eingesetzt hat. Bennetts Anwältin Debra Katz erklärte, ihre Mandantin habe den Ermittlern detaillierte Informationen über ein angeblich sexuell aufgeladenes Arbeitsumfeld in den Büros des Gouverneurs in Albany und Manhattan gegeben.
Noch kann sich Cuomo halten. Im State Assembly – dem Unterhaus – von New York in Albany haben sich zwar Dutzende Abgeordnete beider Parteien für seinen Rücktritt ausgesprochen. Dennoch fehlt offenbar der nötige Wille für ein Amtsenthebungsverfahren. Nach einer Umfrage steht auch die Hälfte der New Yorker nach wie vor zu ihrem Gouverneur. Der wichtigste Grund: Er habe sie bisher doch gut durch die Pandemie geführt. Vielleicht kann sich Cuomo über die kommenden Wochen retten und seine dritte Amtszeit zu Ende führen. Nötig wäre dafür aber wohl das Zugeständnis, im kommenden Jahr nicht noch einmal zu kandidieren.
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