Analyse zu Energie-AbstimmungWallis lehnt raschen Solarausbau ab – das trifft die ganze Schweiz
Das Nein zu beschleunigten Bewilligungsverfahren ist zwar kein Nein zum Solarstrom an sich, doch ein Rückschlag für die Energieversorgung des gesamten Landes.
Eine Mehrheit der Walliserinnen und Walliser will keinen raschen Ausbau der alpinen Solarenergie in ihrem Kanton. Sie haben das vom Kantonsparlament beschlossene Dekret für beschleunigte Bewilligungsverfahren von Solarkraftwerken knapp abgelehnt. Das Dekret hätte den Staatsrat ermächtigt, in erster Instanz Solaranlagen ausserhalb der Bauzonen zu bewilligen.
Eine Beschwerde gegen ein bewilligtes Projekt hätte keine sofortige Planungs- oder Baublockade zur Folge gehabt. Darum sprach man vom «Solarexpress».
Das Nein zum Solarexpress ist zwar kein Nein zur alpinen Solarstromproduktion an sich, aber trotzdem ein Rückschlag für die Energieversorgung der gesamten Schweiz. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, ist das Land gerade im alpinen Raum auf einen raschen Ausbau der Solarenergie angewiesen. Das sieht das Bundesparlament genauso – und hat darum im Herbst 2022 im Eilverfahren ein nationales Notgesetz durchgepaukt.
Viele Walliserinnen und Walliser überfordert das Tempo beim Ausbau der Solarenergie.
Nun zeigt sich: Viele Walliserinnen und Walliser überfordert das Tempo. Sie befürchten offenbar, dass erhebliche Teile ihrer unberührten Bergwelt rücksichtslos mit Solarkraftwerken zugebaut werden und Beschwerden dagegen wirkungslos bleiben.
Tatsache ist: Natürlich hätten Beschwerden ihre unmittelbare Blockadewirkung verloren. Aber langfristig hätten sich Gegner durchaus durchsetzen – und den Investoren von alpinen Solaranlagen grosse finanzielle Schäden zufügen können. Den Kritikern des Solarexpress fehlte jedoch der Glaube daran.
Auch die Befürworter müssen sich hinterfragen, ob sie die Situation falsch eingeschätzt, kommunikative Fehler begangen und zu viel Druck aufgesetzt haben. Einzelne alpine Solarkraftwerke, wie etwa jenes in Grengiols, sind schlicht zu gross geplant worden. Inzwischen mussten die Initianten Grengiols stark redimensionieren. Genau dieses Projekt hat im Wallis viele Menschen aufgeschreckt und ins Nein-Lager getrieben.
Viele Schweizerinnen und Schweizer haben noch immer nicht realisiert, was für die Landesversorgung auf dem Spiel steht.
Das Walliser Nein zum Solarexpress bremst die Energieversorgung im ganzen Land. Viele Schweizerinnen und Schweizer haben noch immer nicht realisiert, was in den nächsten Jahren für die Schweizer Landesversorgung auf dem Spiel steht. Der Energiebedarf steigt ständig, unter anderem wegen der Elektrifizierung der Autos und der Installation von Wärmepumpen.
Die Schweiz wird in 30 Jahren laut Schätzungen der Schweizer Strombranche rund 80 Terawattstunden Strom verbrauchen – heute sind es 60 Terawattstunden. Doch mit der Abschaltung der Atomkraftwerke werden im selben Zeitraum 30 Terawattstunden wegfallen. Die Schweiz braucht also 50 Terawattstunden aus neuen Energiequellen. Das ist eine rein physikalische Tatsache. Die Energie soll CO₂-neutral sein und so wenig wie möglich aus dem Ausland stammen.
Um die Stromlücke zu schliessen, ist das Land auch auf alpinen Solarstrom angewiesen. Von den 50 Terawattstunden, die in den kommenden Jahren fehlen, sollen zwar «nur» 2 Terawattstunden von alpinen Solarkraftwerken kommen. Doch dieser Strom ist wichtig. Alpine Fotovoltaikanlagen sind übers ganze Jahr gesehen um ein Vielfaches leistungsfähiger als kleinflächige Solarpanels auf Privathäusern. Nur schon deshalb, weil im Gebirge die Sonneneinstrahlung im Winter intensiver ist als im Flachland.
Das Nein aus dem Wallis hilft den Befürwortern neuer Atomkraftwerke. Doch selbst wenn die Schweiz heute neue AKW bestellen würde, gingen diese erst in 20 Jahren in Betrieb. Das Diesel- und Gaskraftwerk in Birr ist wiederum eine Umweltsünde, die einem hoch entwickelten Land wie der Schweiz unwürdig ist. Mit anderen Worten: Es gibt keine Alternative, der Solarexpress muss weiterrollen, wenn auch etwas langsamer als geplant.
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