Oberster Energiedirektor im Interview«Die Schweiz hat den Solarzug verpasst, wir müssen ihn nochmals aufgleisen»
Nach dem Ja zum Klimaschutzgesetz kündigt Roberto Schmidt neue Energievorschriften für Gebäude an. Er sagt, wo Verschärfungen anstehen.
Roberto Schmidt, nach dem Ja zum Klimaschutzgesetz müssen nun die Kantone liefern, oder?
Jetzt müssen wir vorwärtsmachen, das ist klar. Nun ist das langfristige Klimaziel bis 2050 in einem Bundesgesetz verankert, das verpflichtet – und gibt gleichzeitig Planungssicherheit. Die Kantone, die primär für die Gebäude zuständig sind, sind nun gefordert, den Immobilienpark bis 2050 klimaneutral zu machen. Die Kantone haben da schon viel erreicht, aber ja, es gibt noch einiges zu tun.
Wie will die Konferenz der Energiedirektoren die Sanierung beschleunigen?
Wir haben ja bereits Mustervorschriften für die Gebäude. Diese müssen wir nun weiterentwickeln. Bereits im August werden die kantonalen Energiedirektoren einen Teil der neuen Mustervorschriften voraussichtlich beschliessen.
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Wo sind konkrete Verschärfungen angedacht?
Wenn die Gebäude bis 2050 klimaneutral sein sollen, dann muss es zunächst einmal ein Ziel sein, keine fossilen Heizungen mit Erdöl oder Gas mehr einzubauen – weder in Neubauten noch beim Heizungsersatz in bestehenden Gebäuden. Für bestehende Bauten wird es in Härtefällen immer Ausnahmen geben. Aber spätestens bis 2050 sollten alle fossilen Heizungen fossilfrei durch erneuerbare ersetzt werden.
Also quasi ein Verbot fossiler Heizungen?
Es geht längerfristig klar in diese Richtung, ja. Aber unsere Mustervorschriften bleiben Empfehlungen. Entscheiden werden letztlich die Kantone in ihren Energie- oder Klimagesetzen.
Gleichzeitig sollte aber auch die Energieeffizienz gesteigert werden.
Ja, die Sanierungsrate von Gebäuden ist heute viel zu tief, sie müsste verdreifacht werden. Da müssen wir vorerst neue Prioritäten schaffen. Einfamilienhäuser werden erfahrungsgemäss gut saniert. Bei Mehrfamilienhäusern ist das Potenzial für Energieeffizienz aber viel grösser. Doch hier hapert es vielfach mit der Umsetzung, weil oftmals mehrere Eigentümer im Spiel sind und diese sich nicht immer einig werden. Gesetzliche Verpflichtungen kommen ja in der Regel nicht gut an, also muss man da bessere Anreize schaffen. Der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise haben unsere Abhängigkeit vom Ausland gezeigt und die Bevölkerung sensibilisiert. Die Motivation für Gebäude- und Heizungssanierungen ist gestiegen.
Die 200 Millionen Franken jährlich durch das neue Klimaschutzgesetz sind aber vor allem für neue erneuerbare Heizungssysteme reserviert, weniger für Energieeffizienz.
Nicht nur. Mit dem Impulsprogramm sollen auch Massnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz finanziert werden. Für den Kanton Wallis könnten zum Beispiel schätzungsweise 10 Millionen Franken pro Jahr anfallen. Wir haben heute schon 30 bis 40 Millionen pro Jahr zur Verfügung. Damit könnten 25 bis 30 Prozent mehr investiert werden. Und damit kann man schon etwas machen.
«Es wäre sinnvoll, rasch auf grossen Dachflächen Solaranlagen zu erstellen oder sogar eine Solarpflicht einzuführen.»
Geld allein reicht nicht, sie müssen die Hauseigentümer auch überzeugen.
Sicher, man muss aktiv auf die Hauseigentümer zugehen. Im Wallis wollen wir alle Eigentümer von Mehrfamilienhäusern aktiv über die technischen Möglichkeiten und über die Subventionen bei Sanierungen beraten. So können wir Hauseigentümer überzeugen, da bin ich mir sicher.
Die Gebäude müssen in Zukunft auch Solarstrom liefern. Wie wollen Sie den Zubau steigern?
Die Schweiz hat den Solarzug verpasst, wir müssen ihn nun nochmals aufgleisen. Wir haben zwar nun den «Solarexpress» für alpine Fotovoltaikanlagen, und neunzehn Kantone haben bereits eine Solarpflicht für sämtliche Neubauten eingeführt. Aber wir haben bei bestehenden Infrastrukturen noch ein grosses ungenutztes Potenzial. Da braucht es jetzt nicht unbedingt eine Pflicht auf allen bestehenden Bauten, aber sinnvoll wäre es zumindest, rasch auf grossen Dachflächen Solaranlagen zu erstellen oder sogar eine Solarpflicht einzuführen. Aber da müssen wir nun mit den Kantonen ausloten, wie weit wir mit Verpflichtungen gehen dürfen, damit die Akzeptanz da ist. Vergessen wir nicht die Option der Solarfassaden, die einen beträchtlichen Beitrag an die Stromproduktion im Winter leisten kann. Da gibt es einfach noch zu wenig innovative Planer. Die Technologien und Produkte sind auf dem Markt.
Das Haus der Zukunft ist auch ein Energiespeicher, zum Beispiel über Autobatterien der Elektroautos. Das setzt eine ausgedehnte Ladeinfrastruktur voraus. Braucht es dazu zusätzliche Gesetze?
Das denke ich nicht. Das ergibt sich automatisch mit der grösseren Nachfrage nach Elektroautos. Wer ein Elektroauto kauft, wird sich in den meisten Fällen zu Hause eine Ladestation erstellen. Auch die Energieversorger investieren immer mehr in öffentliche Ladestationen. Diese Entwicklung läuft von allein. Da braucht es meines Erachtens weder Gesetze noch Subventionen.
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