«Haltet euch fern» Amsterdam hat genug von betrunkenen Engländern
Um den ramponierten Ruf aufzupolieren, lanciert der Stadtrat eine neue Kampagne. Sie zielt darauf ab, vorerst junge britische Männer zu entmutigen, in die «Partyhauptstadt» zu kommen. Denn deren Eskapismus nervt gewaltig.
Amsterdam gilt als liberale Stadt mit attraktivem Nachtleben. Rund 20 Millionen Besucher – darunter eine Million Briten – strömen jährlich in die rund 883’000 Einwohner zählende Stadt. Doch ihr Ruf ist anrüchig und der übermässige Tourismus stellt die Toleranz der Einheimischen seit längerem auf die Probe.
Im Lauf der letzten Jahre verschrieb sich die Stadtverwaltung deshalb einer äusserst restriktiven Stadtpolitik – unter anderem durch Verschärfungen der Sperrstunden oder das Verbot, draussen im Stehen zu trinken. Seit vergangenem Wochenende müssen Amsterdamer Bordelle und Bars früher schliessen. Und im kommenden Mai tritt ein Verbot des Cannabis-Rauchens auf den Strassen im und um das Rotlichtviertel in Kraft.
Doch weil das nicht genügt, um die Stadt lebenswerter zu machen, richtet sich Amsterdam mit einer neuen Kampagne gezielt an Männer zwischen 18 und 35 Jahren aus Grossbritannien – expliziter: an rüpelhafte britische Sex- und Drogentouristen. Der Slogan der Kampagne ist simpel und prägnant formuliert: «Stay away» («Haltet euch fern»).
Via Suchmaschinen und Onlineportalen finden Briten für knapp 60 Franken Hin- und Rückflüge nach Amsterdam. Reisebüros bieten explizit Junggesellenabschieds-Wochenenden an, Kanalbootfahrten mit unbegrenztem Alkoholkonsum inklusive. Oder «Steak und Strip»-Nächte und Kneipentouren durch das Rotlichtviertel. Dies hat zur Folge, dass betroffenen Anwohner sich über betrunkene Briten beschweren, die in der Öffentlichkeit urinieren, sich in den Grachten übergeben und in Schlägereien verwickelt sind.
«Sie singen ‹You’ll Never Walk Alone›, sind als Kaninchen oder Priester verkleidet, und manchmal sind sie überhaupt nicht angezogen», sagte der mittlerweile verstorbene Bürgermeister Eberhard van der Laan bereits vor Jahren. Er lud damals seinen Londoner Amtskollegen Boris Johnson ein, sich selbst ein Bild von den Aktivitäten der Briten in Amsterdam zu machen.
So sollen Touristen abgeschreckt werden
Wer die Stadt künftig besuchen will, um sich auszutoben, und deshalb online nach Stichworten wie «Junggesellenabschied Amsterdam», «Billiges Hotel» oder «Kneipentour» sucht, erhält eine Warnanzeige. Amsterdams stellvertretender Bürgermeister Sofyan Mbarki sagt: «Besucher werden weiterhin willkommen sein, aber nicht, wenn sie sich schlecht benehmen und Belästigungen verursachen.»
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Den potenziellen Besuchern werden die Risiken und Folgen von asozialem Verhalten und übermässigem Drogen- und Alkoholkonsum aufgezeigt und klargemacht, dass Geldbussen, Festnahmen und Spitalaufenthalte drohen, Gesundheitsschäden inklusive.
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Während Kritiker behaupten, die gezielten Werbekampagnen seien diskriminierend und beruhten auf ungerechten Stereotypen, machen sich andere über die Anti-Tourismus-Kampagne lustig. Eine Reaktion aus den sozialen Medien: «Das sieht für mich eher wie ein Werbespot aus.» Jemand anderes schreibt zynisch, es sei «ein Rätsel, warum 18- bis 35-Jährige von einer Stadt mit legalisierten Drogencafés und Bordellen angezogen werden». Eine weitere Reaktion zielt auf die Verwaltung: Sie wolle mit Familien und Museen Geld verdienen, «aber sie weiss, dass Gras und Rotlicht die Stadt am Laufen halten».
Doch die Abschreckungskampagne ist nur einer der Schritte des breiten Massnahmenpakets, das vom Stadtrat bereits verabschiedet wurde und Teil der «Visitors Economy Vision 2035»-Strategie ist. Die Kampagne wird im Lauf des kommenden Jahres weiterentwickelt und richtet sich dann auch an potenziell störende Besucher aus den Niederlanden und anderen EU-Ländern. Die Behörden erwägen auch, die Prostitution im traditionellen Rotlichtviertel De Wallen zu beenden. Die Sexarbeiterinnen sollen in ein grosses «Erotikzentrum» am Rande der Stadt verlegt werden.
So geht Amsterdam
Die Stadt bietet aber Besuchern auch offensichtliche und offenbar benötigte Hilfe an – mit einer weiteren Kampagne namens «How to Amsterdam». Sowohl online als auch offline werden Besucher darüber informiert, welches Verhalten akzeptabel ist. So wurden Warnschilder aufgestellt, die darauf hinweisen, dass es verboten ist, in der Öffentlichkeit zu urinieren, betrunken und unordentlich zu sein, Lärmbelästigung zu verursachen und Drogen bei Strassendealern zu kaufen.
Darüber hinaus informieren die Hotels das ganze Jahr über auf Bildschirmen in der Lobby und durch die Ausgabe von Stadtplänen. Gastgeber werden eingesetzt, um Besucher anzusprechen, wenn sie eine Nacht in der Stadt verbringen.
«Amsterdam ist eine Metropole und Menschenmassen und Hektik gehören dazu, aber um unsere Stadt lebenswert zu halten, müssen wir uns jetzt für Beschränkung statt für verantwortungsloses Wachstum entscheiden», sagte Bürgermeisterstellvertreter Mbarki.
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