Analyse zur Gesundheit des Kreml-ChefsAm liebsten würde man Wladimir Putin einfach wegzaubern
Der russische Präsident sei an Parkinson und Krebs erkrankt, berichten Boulevardmedien. Das dürfte mehr mit westlichen Wunschträumen zu tun haben als mit Tatsachen.
Der russische Präsident leide an Parkinson, er werde Anfang 2021 zurücktreten, berichteten britische Klatschblätter schon vor Wochen. Sie zitierten dabei einen umstrittenen russischen Analysten, der dann nachlegte und behauptete, Wladimir Putin habe zudem auch noch Krebs in einem fortgeschrittenen Stadium. Inzwischen geistern die Gerüchte auch durch die deutschen Medien, und manche fragen sich: Ist da etwas dran?
Grundsätzlich weiss man natürlich nie. Kreml-Astrologie war schon zu Zeiten der Sowjetunion eine ungenaue Wissenschaft. Heute ist es nicht einfacher, hinter die Kulissen des Kremls zu blicken, weil der Präsident hermetisch abgeschirmt wird. Dass die Gerüchte zutreffen, ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich. Zwar wirkte Putin die letzten Monate tatsächlich etwas alt und grau. Doch ist schliesslich gerade nicht die Zeit für glänzende öffentliche Auftritte, die er so gut beherrscht.
Gerade erst die Verfassung geändert
Russland hat nun mit Massenimpfungen begonnen, aber noch zeigt die Corona-Kurve steil nach oben. Deshalb ist es nur vernünftig, wenn der Präsident vor allem in seiner Residenz vor den Toren Moskaus sitzt. Im Frühling war das anders: Damals trat Putin öffentlich auf und schüttelte Hände, als wäre nichts. Doch seine Gäste mussten einen negativen Corona-Test vorlegen oder vor dem Treffen in Quarantäne gehen. Nun ist der Präsident ehrlicher und tut das, was alle tun sollten: Zu Hause bleiben.
Dass Putin gerade jetzt zurücktreten sollte, scheint jedoch geradezu absurd. Schliesslich hat er mit viel Aufwand die Verfassung ändern lassen, um sich eine Amtszeit bis 2036 zu sichern. Wäre er krank, hätte er es auch einfach beim Ende der Amtszeit 2024 belassen können. Dass er sich nun vom Parlament Immunität verschaffen lässt, ist zwar etwas ungewöhnlich. Vielleicht ist jetzt aber auch einfach ein guter Zeitpunkt für einen solchen Entscheid, weil das Land derzeit mit Corona und sich selber beschäftigt ist.
Bei den Gerüchten über Putins schlechte Gesundheit dürfte deshalb eher der Wunsch der Vater des Gedankens sein. Es ist kein Zufall, dass die Berichte im Westen die Runde machen, während sie in Russland nicht mal auf den Oppositionsplattformen auftauchen. Viele im Westen wünschen sich nichts sehnlicher, als dass Wladimir Putin endlich geht, dass er einfach verschwindet, dass man sich mit ihm nicht weiter herumschlagen muss.
Denn Fakt ist: Der Westen weiss nicht, was er mit Putin anfangen soll. Kein Ansatz, den Kremlchef zur Raison zu bringen, hat bisher funktioniert. Auch die nach der Annexion der Krim verhängten Sanktionen treffen nicht ins Ziel. Putins Oligarchen sind auch dieses Jahr wieder reicher und nicht ärmer geworden. Und die geplagten Russen scharen sich trotzig hinter ihren Präsidenten.
Der Westen ist in Russland längst nicht mehr das Vorbild, für das er sich selber gern hält.
Selbst die junge Generation, auf die der Westen alle Hoffnung gesetzt hat, folgt Putin: Über 50 Prozent sehen Russland gemäss Umfragen nicht länger als Teil Europas. Der Westen ist in Russland längst nicht mehr das Vorbild, für das er sich selber gern hält. Und selbst wenn Putin – aus welchem Grund auch immer – jetzt zurücktreten sollte, würde sich wohl wenig ändern. Denn auch die neue Generation scheint für den Westen bereits verloren.
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