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Körperlicher Abbau
Warum wir im Alter kleiner werden

Ein älteres Paar geht über die Tramhaltestelle beim Bürkliplatz.
08.09.2015
(Tages-Anzeiger/Urs Jaudas)
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In Kürze:
  • Menschen schrumpfen mit dem Alter, weil die Bandscheiben an Höhe verlieren.
  • Übermässiger Grössenverlust kann auf eine Krankheit wie Osteoporose hinweisen.
  • Bei starker Verkrümmung der Wirbelsäule können Schmerzen und Organprobleme auftreten.
  • Ein gesunder Lebensstil schützt vor zu schnellem Knochenabbau.

Ältere Leute kennen die Situation: Eines Tages fällt ihnen auf, dass sie den verflixten Küchenschrank in der Höhe nicht mehr so gut erreichen wie früher oder dass ihre Hosen plötzlich zu lang geworden sind. Komisch, mögen sie sich dann verwundert fragen, bin ich etwa kleiner geworden? 

Der Eindruck täuscht nicht: Oft schon ab 30, spätestens aber ab 40 Jahren beginnen wir Menschen langsam zu schrumpfen. Das liegt vor allem an den 23 Bandscheiben, den knorpligen Puffern zwischen den Wirbeln. Die verlieren mit zunehmendem Alter an Flüssigkeit, Elastizität und letztlich eben auch an Höhe. Man rechne: Wird ein Bandscheibenzwischenraum nur um einen Millimeter schmaler, macht das bei 23 Bandscheiben immerhin 2,3 Zentimeter.

Ein Verlust von 3 cm und mehr ist ein Warnsignal

«Wenn jemand nach dem 40. Altersjahr alle zehn Jahre etwa einen Zentimeter an Grösse einbüsst, gilt das noch als normaler Alterungsprozess», erklärt Professor Stefan Schären (61), Chefarzt spinale Chirurgie und Leiter des Wirbelsäulenzentrums am Universitätsspital Basel. Wer also zum Beispiel mit 40 noch stolze 1,80 Meter gross ist, muss damit rechnen, mit 70 nur noch 1,77 Meter zu messen. Wie stark jemand schrumpfe, hänge vor allem von der Genetik ab und sei deshalb sehr individuell, erklärt Schären.

Wenn das Kleinerwerden allerdings über das hinausgeht, was auf die normale Alterung bzw. Abnutzung zurückzuführen ist, kann dies auf verschiedene Krankheiten hindeuten. «Ein Verlust von 3 Zentimetern und mehr sollte deshalb abgeklärt werden», sagt der Experte. «Vor allem wenn die Veränderung in kurzer Zeit auftritt und dazu noch mit neuen Rückenschmerzen verbunden ist.»

Dann könnte eine Osteoporose vorliegen. Der krankhafte Knochenabbau betrifft vor allem Frauen nach den Wechseljahren. Typische Anzeichen dafür sind ein runder Rücken und eine zunehmend nach vorn gebeugte Haltung. Kommt es dann noch zu osteoporotischen Wirbelbrüchen, bildet sich ein sogenannter «Witwenbuckel», der die Betroffenen einsinken und noch kleiner werden lässt.

Aber auch Männer sind nicht gefeit vor dem krankhaften Knochenschwund, zum Beispiel wenn sie infolge einer Darmerkrankung die Nährstoffe nur ungenügend aufnehmen oder wenn auch sie unter einem Hormonmangel leiden.

Wichtig: Starke Rumpfmuskeln

Ausser Osteoporose sind auch Fehlformen der Wirbelsäule ein Risiko für einen übermässigen Grössenverlust. Wer zum Beispiel bereits in der Jugend einen kleinen Buckel (Kyphose) entwickelt hat, was bei Wachstumsstörungen wie der Scheuermannschen Krankheit oft der Fall ist, läuft Gefahr, dass sich diese Fehlform mit dem Alter noch verstärkt – vor allem wenn sie nicht mit Physiotherapie oder einem Korsett behandelt worden ist.

Gleiches gilt für die seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule (Skoliose). Der Grund: In einem krummen Rücken nutzen sich die Bandscheiben einseitig und daher stärker ab als in einem Rücken mit normaler Form.

Dazu kommt, dass die Muskulatur mit zunehmendem Alter abnimmt oder verfettet. Dabei wären gute Rumpfmuskeln eine wichtige Stütze für die Wirbelsäule, wohingegen Übergewicht sie zusätzlich belastet. So kommt es, dass viele Menschen mit dem Alter nicht nur kleiner werden, sondern auch eine meist asymmetrisch gebeugte Körperhaltung entwickeln – vor allem wenn sie auch noch mit einer Fehlform der Wirbelsäule behaftet sind oder an Osteoporose leiden.

Wer stark schrumpft, stirbt früher

Das ist mehr als nur ein optisches Problem. Wenn sich die Wirbelsäule verformt, ist das meist mit erheblichen Schmerzen verbunden. Zudem verlagert sich dadurch der Körperschwerpunkt; deshalb wird es für die Betroffenen immer schwieriger, sich aufrecht zu halten. Wer übermässig schrumpft, kann sogar Probleme mit Herz und Lunge bekommen, weil diese lebenswichtigen Organe dann zu wenig Platz haben.

Verschiedene Studien konnten denn auch bereits zeigen, dass ein Zusammenhang besteht zwischen verlorener Körpergrösse und dem Sterberisiko. Erst kürzlich hat dies ein skandinavisches Forschungsteam wieder bestätigt. Für ihre Arbeit haben die Forschenden die Gesundheitsdaten von über 2400 Frauen aus Schweden und Dänemark ausgewertet. Ergebnis: Jeder Zentimeter Körpergrösse, den die Frauen im Alter eingebüsst hatten, war mit einem 14 bis 21 Prozent erhöhten Risiko für einen verfrühten Tod verbunden. Der Verlust an Körpergrösse sei ein Marker für erhöhte Sterblichkeit, so das Fazit der Forschenden in ihrer Studie, die auf dem Fachportal BMJ Open veröffentlicht worden ist.

Eine gute Fitness kann vorbeugen

Obwohl das Schrumpfen zum Älterwerden gehört und die Veranlagung eine grosse Rolle spielt – ganz machtlos müssen wir den körperlichen Abbau nicht hinnehmen. Der Basler Wirbelsäulenspezialist Stefan Schären empfiehlt einen gesunden und aktiven Lebensstil mit viel Bewegung und Sport. «Denn die Knochen müssen belastet werden, damit sie sich ständig erneuern. Passiert das nicht, verkümmern sie.» Ein weiterer wichtiger Punkt sei eine ausgewogene Ernährung, am besten eine Mischkost mit möglichst allen Nährstoffen und Vitaminen.

Hat eine Person bereits Osteoporose, sollte sie unbedingt behandelt werden. «Heute gibt es gute Medikamente, die den Knochenabbau deutlich bremsen oder sogar Knochen wiederaufbauen», sagt Schären. Für Menschen mit Rückenfehlformen sei vor allem die Physiotherapie hilfreich. Die entsprechenden Übungen müssten aber möglichst täglich gemacht werden, auch zu Hause, so der Experte. Dies könne zwar die Wirbelsäule nicht wieder begradigen, aber oft die Beschwerden lindern, die durch muskuläre Verspannungen und Disbalancen entstehen.

Bei rasch zunehmenden oder schweren Fällen von Rückgratverkrümmungen – seien sie durch Osteoporose verursacht oder eine genetische Fehlform – kann als letzte Möglichkeit auch eine chirurgische Korrektur nötig sein. «Das ist zum Glück aber eher selten der Fall», sagt Stefan Schären.