Kochbuch mit WeichzeichnerfilterAlles wird gut – sogar 2022
Rezepte sind nebensächlich, wichtig ist, dass alles aussieht wie bei den alten niederländischen Meistern: Es ist Zeit für die typischen Herbstkochbücher.
Selbst der lustige Birnen-Walnuss-Kuchen hat ein dunkles Geheimnis (das sich beim Anschneiden offenbart). Das Titelbild von «Durchs Jahr mit Our Food Stories» zeigt einen Schoggicake, in den ganze Birnen eingearbeitet wurden. Man hat diesen Trick schon oftmals gesehen, den Kuchen vielleicht schon selber gebacken, und trotzdem möchte man es haben. Oder ein anderes dieser dicken, sicherlich auf FSC-zertifiziertem Papier gedruckten Werke, in denen immer viele Kürbisse vorkommen und deren Rezeptbilder an Gemälde von irgendwelchen niederländischen Meistern erinnern. Gerade jetzt – entschuldigen Sie diesen wirklich schlimmen Kalauer – schiessen solche Kochbücher wieder wie Herbstpilze aus dem Boden.
Zu bemängeln wäre bei der erwähnten Neuerscheinung höchstens der unnötige Einsatz von zu viel Kokosjoghurt (bei den Kürbiswaffeln), -flakes (auf dem Zitronenkuchen) oder -öl (fast überall). Die exotische Frucht will einfach nicht zur Atmosphäre passen: Es ist etwas düster, das Buch schwer in der Handhabe, aber leicht fürs Gemüt, und sämtliche Rezept- und anderen Bilder verkünden die Botschaft: Alles wird gut. Sogar im Jahr 2022.
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Das Konzept ist alt: Das «Kinfolk»-Magazin, ein dickes Lifestyleheft aus dem US-Staat Oregon (der bekannt ist für seine Wälder und die Pazifikküste) war vielleicht das erste, das diesen Mix aus Farmerchic und Kochen so gekonnt aufs Papier gebracht hat – vor Jahren. Die Lifestylefibel «The Kinfolk Table» war eine Ansammlung von Bildern, auf denen vornehmlich Keramikgeschirr, weisse Laken und Menschen in Jutekleidern zu sehen waren.
Die neue Generation von Weichzeichner-Kochbüchern kommt deshalb ein bisschen wie die alte Fasnacht daher, ist aber eh nur bedingt mit «Kinfolk» zu vergleichen: Dort hat man den Protagonistinnen noch abgenommen, dass sie den lieben langen Herbsttag nichts anderes tun als am schweren Holztisch Zimtschnecken zu formen, während draussen das Laub von allein raschelt, weil es so stürmt. Der Fotografin Laura Muthesius und der Food-Stylistin Nora Eisermann, die hinter «Durch das Jahr mit Our Food Stories» stehen, nicht.
Was die beiden auch gar nicht vertuschen: Im Vorwort betonen sie, dass sie nicht nur Rezepte, sondern auch «Momente des Lebens» festhalten wollen. Auf ihrem Blog ist zu erfahren, dass sie ihr Fotostudio «in the countryside» (der Blog ist, im Gegensatz zum Buch, in Englisch) nicht mehr so oft brauchen, weil sie jetzt auch eines in der Stadt (Berlin) hätten. Übrigens erinnern auch bei ihnen die meisten Bilder an Fingerübungen eines Floris van Dyck. Nur hat der niederländische Meister wohl weniger mit Kokosfett hantiert.
«Durch das Jahr mit Our Food Stories», Rosie Flanagan / Robert Klanten (Hrsg.), Our Food Stories (Gastredaktorinnen), Verlag Gestalten, ca. 48 Fr.
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