Prozess zu Terroranschlag in NizzaAlle acht Angeklagten schuldig gesprochen
Der Prozess zum Terroranschlag in Nizza mit 86 Toten ist mit Schuldsprüchen zu Ende gegangen. Die Angeklagten wurden zu Haftstrafen von zwei bis 18 Jahren verurteilt.

Im Terrorismusprozess zum LKW-Anschlag in Nizza mit 86 Toten im Jahr 2016 sind zwei Freunde des von der Polizei erschossenen Täters zu je 18 Jahren Haft verurteilt worden. «Sie haben den Täter moralisch und materiell unterstützt», sagte der Vorsitzende Richter Laurent Raviot am Dienstag in Paris. Die übrigen sechs Angeklagten wurden unter anderem wegen Waffenhandels zu Haftstrafen zwischen zwei und zwölf Jahren verurteilt.
Der 31 alte Tunesier, der am Nationalfeiertag mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge auf der Uferpromenade von Nizza gefahren war, habe «so viele Menschen wie möglich töten wollen», sagte der Richter. «Das Gericht ist überzeugt, dass der Anschlag am 14. Juli ein terroristischer Akt war.» Der Prozess habe gezeigt, dass der Täter zwar ein Persönlichkeitsproblem gehabt habe, aber nicht psychisch krank gewesen sei.
«Die Tat hat den Tod von 86 Menschen, hunderte Verletzte, tausende seelisch verletzte Menschen und eine nationale Psychose zur Folge gehabt», sagte der Richter. Zu den Opfern zählen auch drei Berlinerinnen. Die Jihadistenmiliz Islamischer Staat habe die Tat «aus opportunistischen Gründen» für sich reklamiert. Es gebe jedoch keine Beweise für eine Verbindung des Täters zu irgendeiner Organisation, betonte der Richter.
Die beiden Freunde des Täters, ein 47 Jahre alter Mann mit französischer und tunesischer Staatsangehörigkeit und ein 43 Jahre alter Tunesier, wurden wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung verurteilt.
Vier Minuten und 17 Sekunden
Die Mutter einer bei dem Anschlag getöteten Lehrerin aus Berlin reagierte enttäuscht auf das Urteil. «Ich hätte mir härtere Strafen gewünscht», sagte Barbara Bielfeldt. Ihre 29 Jahre alte Tochter war zum Zeitpunkt des Anschlags auf Klassenfahrt in Nizza. Der Prozess habe die Erinnerung an die schlimme Zeit aufgewühlt, als sie in Nizza nach ihrer Tochter gesucht habe. «Das kann man nicht vergessen», sagte sie.

Vier Minuten und 17 Sekunden dauerte die Todesfahrt, die der Attentäter bestens vorbereitet hatte. Davon zeugen unter anderem Selfies am Steuer des Lastwagens, die ihn mit einem seiner Freunde zeigen. Beide Männer recken darauf den Mittelfinger in die Höhe. Der Täter steuerte den 19 Tonnen schweren Lastwagen gezielt im Zickzack, um möglichst viele Menschen in den Tod zu reissen. Dabei hielt er auch auf einen Bonbonstand zu, um den sich mehrere Kinder geschart hatten.
Nationale Trauerarbeit
Mit dem Urteil endet der dritte grosse Prozess zu einem der Anschläge, die 2015 und 2016 das Land erschüttert hatten. Ähnlich wie bei den Prozessen zu den Anschlägen auf das Satireblatt «Charlie Hebdo», den Konzertsaal Bataclan und weitere Ziele, war es eine Art der nationalen Trauerarbeit.
Etwa 2500 Zivilparteien nahmen an dem Prozess teil, der wie zuvor die beiden anderen Terrorprozesse für die Nachwelt gefilmt wurde. Die Anhörungen der Zivilparteien dauerten fünf Wochen. «Es ist etwas Besonderes in französischen Strafprozessen, dass den Zivilparteien so viel Platz eingeräumt wird», sagte die Anwältin Alexandra de Brossin de Méré. Eine ihrer Mandantinnen ist Mariam al-Khodor, die Mutter einer der beiden Berliner Schülerinnen. «Sie war gerade 18 geworden, aber immer noch mein kleines Mädchen», so hatte sich al-Khodor vor Gericht an ihre Tochter Selma erinnert.
Der Attentäter aus Tunesien war der grosse Abwesende während des Prozesses, doch die Aussagen aus seinem Umfeld schärften das Profil des Täters: ein Narzisst, der von Gewalt fasziniert und von Sex besessen war, seine Frau prügelte und zahlreiche Affären hatte.
Ein praktizierender Muslim war er lange nicht. Erst einige Monate vor dem Anschlag hatte er sich der Ideologie des Jihadismus verschrieben, «um sich eine Legitimität zu verschaffen», sagte der Richter. Er räumte ein, dass der Prozess nicht alle Fragen zu dem Anschlag geklärt habe. Die Verurteilten haben zehn Tage Zeit, um in Berufung zu gehen.
AFP/sep
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