Hänseleien wegen Vornamen«Alexa, wie wird das Wetter morgen?»
Seit Amazon seinen Sprachassistenten Alexa taufte, beklagen Eltern, dass ihre Töchter darunter leiden – und wehren sich.
Wenn man das Pech hatte, in den Siebzigern als Kind von Eltern geboren zu werden, die Schlager von Vico Torriani schätzten, wenn man in den Achtzigern ausserdem doof genug war, die Frage nach dem zweiten Vornamen wahrheitsgemäss zu beantworten, dann konnte es passieren, dass drei pickelige Jungs gleichzeitig auf den Boden des Klassenzimmers sanken und grölten: «Wunderbares Mädchen, bald sind wir ein Pärchen / Komm und lass mich nie alleine, oh no, no, no, no, no.» Was die allerdämlichste Stelle des insgesamt nicht sehr hell funkelnden Textes von «Marina, Marina» war.
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Da es bis zur Geburt von Wokeness und «Me Too» noch etwas dauern sollte, konnte man nur tun, als sei das lustig, und geduldig das Jahr 1987 abwarten, in dem Michael Jackson endlich «Dirty Diana» veröffentlichte. Das hatte dann Diana B. in der zweiten Reihe auszubaden.
Unter #givebackhername kämpft eine Mutter um den Namen Alexa.
Womit eingangs schon mal klargestellt sein soll: Alexas! Die ihr hier unter uns auf Erden wandelt, aus Fleisch und Blut seid, aus Gehör und Gefühl, Scham und Schmerz: Wir stehen in dieser Sache erfahrungshalber fest an eurer Seite.
Doch, doch, es ist vergleichbar, siehe «Marina», zweite Strophe: «Ich lud sie ein zu einem Glase Rotwein / Und als ich fragte, Liebling, willst du mein sein / Gab sie mir einen Kuss, und das hiess Ja.» Was nur bedeuten konnte, dass man unter dem Einfluss harter Alkoholika sexuell gefügig gemacht werden sollte. In einer Zeit ohne Hashtags. Also wehrlos.
Kinder leiden unter Namen
Nun aber zu euch. «Alexa, wie wird das Wetter morgen?» «Alexa, knöpf die Bluse auf!» «Alexa, wie viel kostet der Schweinenacken bei Aldi?» Das ist nicht lustig. War es nie und ist es, seit Amazon den sprachgesteuerten, internetbasierten, sogenannten «intelligenten» Lautsprecher Echo alias Alexa auf den Markt geworfen hat, erst recht nicht.
Namenswitze sind insgesamt so überflüssig, dass sich eine intelligente Replik nahezu verbietet. Die Mitschülerin D. Müller etwa hat unter dem Slogan «Müllermilch, Müllermilch, Müllermilch, die schmeckt!» damals überwiegend stumm gelitten, Alf B. aus der Parallelklasse versank in leiser Melancholie, als ein trotteliger Ausserirdischer gleichen Namens im Fernsehen landete und dort 102 Folgen lang stecken blieb.
Als Amazon die Sprachassistentin 2016 in Grossbritannien ansiedelte, stand der Name noch auf Platz 167 der Beliebtheitsliste. Drei Jahre später: Platz 920.
Weil Namenswitze so überflüssig sind, wird es sie ausserdem immer geben. Betroffene können nur mitgrölen oder resignieren und auf Dirty Diana warten, die ihren niveaulosen Hintern in naher Zukunft garantiert um die Ecke wuchtet und dann vielleicht der Vibrator «Emilia» ist oder die Porno-App «Noah».
Eltern könnten so freundlich sein, ihre Kinder dann nicht mehr Emilia und Noah zu nennen. Siehe Alexa: Als Amazon die Sprachassistentin 2016 in Grossbritannien ansiedelte, stand der Name noch auf Platz 167 der Beliebtheitsliste. Drei Jahre später: Platz 920. Damit könnte man es eigentlich gut sein lassen. Aber nicht mit den Alexas.
Mutter verlangt Umbenennung
Wo im Jahr 31 nach der Abwicklung von «Alf» noch Namensimperialismus herrscht, formiert sich die Alexa-Bewegung unter den Hashtags «Give back her name» und #changethewakename und wird angeführt von der Amerikanerin Lauren Johnson, Mutter von, man ahnt es: Alexa. Ihre Tochter werde in der Schule gehänselt und wie die digitale Sklavin behandelt, die sie nachweislich nicht sei, klagte sie in einem Brief an Amazon.
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Das Unternehmen möge bitte so freundlich sein, seine Sprachassistentin umzubenennen. Lauren Johnsons Webauftritt heisst «Alexa is a human», also Alexa ist ein Mensch. Und als Untertitel «Sie ist eine Tochter, Frau, Mutter, Nichte, Schwester, Frau, Freundin.»
In der Schweiz auf Platz 800
Amazon schrieb mitfühlend zurück, man sei erschüttert: «Mobbing jeglicher Art ist inakzeptabel, und wir verurteilen es auf die schärfste Weise.» Amazon wies ausserdem recht hilfreich darauf hin, man könne Alexa auch mit «Echo», «Computer» oder «Amazon» ansprechen. Auf Lauren Johnsons Webseite sind seither Leidensberichte von Eltern nachzulesen, die ihre Alexa umbenannt, Freundschaften gekappt und die Schule gewechselt haben.
In der Schweiz gibt es aktuell 692 Alexas, das ist Platz 800 in der Beliebtheitsskala. Im Jahr bevor Amazon auf die Idee kam, seine Sprachassistentin so zu nennen, erhielten 26 Mädchen den Namen Alexa. 2019 waren es nur noch halb so viele. In Deutschland hat eine Umfrage von YouGov dieses Jahr ergeben, dass 79 Prozent der Befragten Alexa als Vorname eher nicht in Betracht ziehen würden.
Fiese Namenswitze von Kindern sind eine hilfreiche Vorbereitung auf noch fiesere Persönlichkeitswitze von Erwachsenen.
Man möchte den Erziehungsberechtigten und Lauren Johnson hier zurufen: Eltern von Alexa! Wenn eure Alexa in der Schule verhöhnt wird, könnt ihr mit den Lehrern sprechen, den bösen Hänselkindern auf dem Schulweg auflauern, eine Namensänderung in Amelie beantragen oder umziehen.
Ihr könntet Amazon einen Brief schreiben. Alternativ könnt ihr eurer Alexa aber auch erklären, dass fiese Namenswitze von Kindern eine hilfreiche Vorbereitung sind auf noch fiesere Persönlichkeitswitze von Erwachsenen – und es am heilsamsten für das juvenile Gemüt ist, wenn es über sich selber lacht.
Dies nur als hypothetische Handreichung eines einstigen Vico-Torriani-Opfers. Wahrscheinlicher ist: Wenn die 13 Schweizer Alexas erst mal furchtsam ihre 13 Schultaschen umklammern, wird Amazon auf der Grundlage der neueren Robotik seine intelligente Haushaltsassistentin längst lanciert haben. Sie werden ihr einen schönen, neumodischen Mädchennamen geben.
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