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Google plant Minireaktoren
Löst künstliche Intelligenz eine Renaissance der Kernenergie aus?

(Original Caption) Philadelphia, Pennsylvania: The four cooling towers at the Three Mile Island nuclear power plant are not in operation after a leak in the cooling system shutdown the plant here.
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In Kürze:
  • Google berichtet von steigendem Energieverbrauch, bedingt durch künstliche Intelligenz.
  • Ab 2030 soll Atomenergie für Google-Rechenzentren genutzt werden.
  • Die Stromnachfrage der Rechenzentren könnte sich auch wegen KI bis 2026 verdoppeln.
  • Ein Schweizer Experte ist skeptisch gegenüber KI-getriebener Kernenergie-Renaissance.

Wenn man tief in den 84-seitigen Nachhaltigkeitsbericht eintaucht, den Google diesen Sommer publiziert hat, dann offenbaren einige Zahlen Erstaunliches. So sind die Treibhausgasemissionen des Konzerns nicht etwa gesunken, sondern seit 2019 um 48 Prozent gestiegen. Auch der Strombedarf hat sich in dieser Zeit in etwa verdoppelt. Dabei hat sich Google selbst ehrgeizige Klimaziele gesetzt: Bis 2030 möchte das Unternehmen unter dem Strich keine Emissionen mehr verursachen.

Für die durchwachsene Klimabilanz macht Google den erhöhten Energiebedarf der Datenzentren und damit auch der künstlichen Intelligenz (KI) verantwortlich. «Während wir KI zunehmend in unsere Produkte integrieren, könnte es schwierig werden, die Emissionen zu reduzieren», heisst es im Bericht.

Während Google in den letzten Jahren ausschliesslich auf regenerative Energien gesetzt hat, um den steigenden Energiebedarf der Rechenzentren zu decken, liess eine kürzlich gemachte Ankündigung aufhorchen: Der Internetkonzern plant, Rechenzentren künftig auch mit Kernenergie zu betreiben, die ebenfalls zu den klimafreundlichen Energien gehört. «Grundsätzlich wundert mich das nicht», sagt Christian Schaffner, Direktor des Energy Science Center der ETH Zürich. «Denn Kernenergie liefert rund um die Uhr bei jedem Wetter Strom, was gut zum permanenten Strombedarf der Rechenzentren passt.»

Google setzt auf kleine modulare Kernreaktoren

So möchte Google ab 2030 neuartige kleine modulare Reaktoren der Firma Kairos Power kaufen, sogenannte Small Modular Reactors (SMR). Eine Besonderheit dieser Minireaktoren ist, dass sie nicht mit Wasser, sondern mit geschmolzenem Salz gekühlt werden, genau wie jene, die am Paul-Scherrer-Institut getestet werden sollen.

Google ist mit dieser Strategie nicht allein. Microsoft möchte im kommenden Jahr einen Reaktor im stillgelegten US-Atomkraftwerk Three Mile Island reaktivieren, um ein nahegelegenes Rechenzentrum zu versorgen. Und kürzlich hat Amazon genau wie Google Kollaborationen für die Entwicklung von SMR angekündigt, und zwar mit den drei US-Firmen Energy Northwest, X-Energy und Dominion Energy.

Deutet sich hier eine von der KI getriggerte Renaissance der Kernenergie an? «Big Tech erweckt die Kernkraft wieder zum Leben», so titelte zum Beispiel der «Economist». «KI sehnt sich nach Atomkraft», schrieb «Heise online».

Ein Mitarbeiter arbeitet am Supercomputer Alps im CSCS (Centro Svizzero di Calcolo Scientific) Schweizerisches Zentrum fuer Wissenschaftliches Rechnen, fotografiert am Donnerstag 25. Januar 2024 in Lugano. Das System Alps wird die Forschung in den Bereichen Klima, Physik und Biowissenschaften mit leistungsfaehigeren KI-Funktionen als das derzeitige weltweit fuehrende System.(KEYSTONE/Gaetan Bally)

Tatsächlich ist der Energiehunger von KI vergleichsweise hoch. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur werden für eine einzige Abfrage bei Chat-GPT 2,9 Wattstunden Strom benötigt, verglichen mit 0,3 Wattstunden für eine Google-Suche. Da Chatbots und andere KI-Anwendungen immer grössere Verbreitung finden, steigt damit auch der Strombedarf. Ganz zu schweigen von der Energie, die benötigt wird, um eine KI anhand grosser Datenmengen zu trainieren.

160 Prozent höherer Strombedarf in sieben Jahren

Gemäss der Internationalen Energieagentur könnte sich der weltweite Strombedarf von Rechenzentren, künstlicher Intelligenz und Kryptowährungen bis 2026 verdoppeln. Goldman Sachs Research schätzt gemäss einem Bericht vom Mai 2024, dass der globale Strombedarf von Rechenzentren innerhalb von sieben Jahren um 160 Prozent steigen wird: von rund 400 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2023 auf knapp 1100 TWh im Jahr 2030 – ein Anstieg von rund 100 TWh pro Jahr.

Dafür ist KI allerdings nur zum Teil verantwortlich: «Unsere Analysten gehen davon aus, dass KI bis 2028 etwa 19 Prozent des Strombedarfs von Rechenzentren ausmachen wird», schreibt Goldman Sachs Research. Gemäss den genannten Zahlen wäre KI also global für einen zusätzlichen Strombedarf von rund 20 TWh pro Jahr verantwortlich.

Zum Vergleich: 2023 haben die vier Schweizer Kernkraftwerke etwas mehr Strom geliefert, und zwar rund 23 TWh. Eine entsprechende Menge an Strom könnten rund 900 alpine Solaranlagen von der Grössenordnung wie Gondosolar liefern.

Aus Schweizer Perspektive klingt das nach viel. Es relativiert sich aber in einer globalen Sicht: Der weltweite Stromverbrauch liegt bei rund 30’000 TWh pro Jahr. 20 TWh durch KI entsprechen also einem Zuwachs von rund 0,07 Prozent pro Jahr.

In Ländern mit vielen grossen Rechenzentren und namhaften KI-Firmen wie den USA ist es allerdings ein deutlich höherer Anteil: Während die Datenzentren gemäss Goldman Sachs im Jahr 2022 noch drei Prozent der US-Elektrizität verbraucht haben, sollen es 2030 schon acht Prozent sein. Und KI könnte hierbei einen Anteil von rund 30 Prozent haben, wäre also 2030 für einen Anstieg des US-Strombedarfs von rund 2,5 Prozent verantwortlich.

Nicht nur der Energiebedarf der KI ist entscheidend

«Wie stark der Strombedarf durch KI in einem Land tatsächlich ansteigt, ist allerdings schwierig zu sagen», sagt Schaffner. «Das hängt davon ab, wo die Rechenzentren gebaut werden. Das kann überall auf der Welt sein, meist dort, wo der Strom günstig ist.» Wie stark der Strombedarf durch KI in der Schweiz ansteige, lasse sich daher nicht zuverlässig prognostizieren.

Ohnehin sind solche Zahlen und Prognosen mit grosser Vorsicht zu geniessen. «Vor vier Jahren hatte kaum jemand KI auf dem Radar», sagt Schaffner. «Wir wissen nicht, wie sich das Feld in den nächsten Jahren entwickeln wird.» Daher lasse sich auch nicht genau sagen, welchen Energiehunger die KI in Zukunft entwickeln werde. Zumal Forschende energiesparendere Prozessoren für Rechenzentren, effizientere Software für KI und auch effizientere Methoden für deren rechenintensives Training entwickeln.

In diesem Zusammenhang haben Forschende von Google und der University of California in Berkeley in einer Publikation prognostiziert, dass der mit dem Training einer KI verknüpfte Energiebedarf im Idealfall um einen Faktor 100 sinken könnte und die mit dem Training verknüpften CO₂-Emissionen sogar um einen Faktor 1000. Würden alle im Bereich des KI-Trainings tätigen Firmen die energiesparendsten Trainingsmethoden anwenden, würden die gesamten damit verknüpften CO₂-Emissionen ab 2030 sogar sinken.

Sind die nuklearen Vorhaben von Google, Microsoft und Amazon also tatsächlich die Vorboten einer von KI getriggerten Renaissance der Kernenergie? «Für den Moment haben diese Firmen nur Versprechungen gemacht», sagt Schaffner. «Die kleinen modularen Kernreaktoren müssen erst noch entwickelt werden. Es wird sich zeigen, ob daraus etwas Konkretes wird.»

Ohnehin hängt es nicht nur vom Energiebedarf der KI ab, ob es zu einer Renaissance der Kernenergie kommt. Entscheidend sind auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Kernenergie, die politischen Rahmenbedingungen und deren Kosten im Vergleich zu Strom aus Fotovoltaik, Windkraft und Geothermie.

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