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Achterbahn-Fan im Interview
Er war in 574 Freizeitparks in 32 Ländern und sagt: «Es ist pure Abenteuerlust»

Achterbahn-Jäger Mathias Scherz hebt die Arme vor einer gelben Achterbahn, während Züge vorbeifahren, blauer Himmel im Hintergrund.
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Irgendwo auf der Welt ist immer Freizeitparksaison. Das weiss kaum einer besser als der 42-jährige Mathias Scherz aus Bern: Er hat schon 574 Parks in 32 Ländern besucht – und ist bisher auf 1693 Achterbahnen gefahren. Damit gehört er offiziell zu den «weltbesten» Achterbahnfahrern der Welt. Uns hat er verraten, welche Bahn für ihn die aufregendste ihrer Art ist, wie viel Planung sein unkonventionelles Hobby erfordert – und wie die internationale Coaster-Community tickt.

Herr Scherz, Sie kommen gerade aus Orlando. Wie viele Achterbahnen haben Sie geschafft?

Nach Orlando reise ich fast jedes Jahr. Dort geht es um das Gesamterlebnis, weil es das Mekka für Freizeitparks ist. Ich bin vier neue Bahnen gefahren, die seit meinem letzten Aufenthalt Anfang 2023 entstanden sind. Das macht vier Punkte für mein Konto.

Was bedeutet das?

Auf der Website der weltweiten Coaster-Community, Coaster-Count, gibt es ein Ranking. Jede Achterbahn, die man zum ersten Mal fährt, bringt einen Punkt. Ich komme mittlerweile auf 1693 Zähler, das macht Platz 23 auf der Weltrangliste. Der Spitzenreiter aus Grossbritannien hat schon über 3200 Punkte. Aber ich gehöre nicht zu den extremen Mitgliedern, die nur vom Flughafen in den Freizeitpark hoppen und gleich wieder weiterziehen. Ich will auch etwas vom Land sehen.

Wie oft gehen Sie auf Reisen?

Die Ferienzeit geht beinahe komplett für meine Trips drauf. Zuletzt hatte ich ein mehrwöchiges Sabbatical, da war ich drei Wochen in Japan. Dort habe ich etwa ein Drittel der Zeit in Freizeitparks verbracht, der Rest war Sightseeing. Natürlich treibt mich auch das Punktesammeln an, aber wenn ich unterwegs bin, stehen Neuheiten im Fokus, also brandneue Bahnen. Und ich unternehme Reisen vor allem unter dem Aspekt, welche Regionen auf der Welt mich interessieren.

Mathias Scherz in einem gelben Sommerrodel auf einer Bahn inmitten einer grünen Landschaft.

Wie planen Sie Ihre Trips?

Es gibt organisierte Achterbahnreisen, aber ich mache alles auf eigene Faust. Auf der erwähnten Website sind alle Achterbahnen, die es auf der Welt gibt, verzeichnet. Wir sprechen von knapp 16’000, ich habe also noch viele weisse Flecken. Zusätzlich kann man auf der Site Infos abrufen, um welche Art von Achterbahn es sich handelt, und Fotos ansehen. Ich picke die Bahnen raus, die mich interessieren, und stricke das Programm drum herum. Was kann man in der Region anschauen, wie komme ich von A nach B?

Gerade Letzteres dürfte mancherorts – etwa in ländlichen Regionen in Asien – gar nicht so einfach sein.

Stimmt. In China zum Beispiel kann man nicht immer auf den ÖV setzen. Es gibt Schnellzüge, zum Beispiel von Peking nach Shanghai – aber dann wird es schwierig. Zum Glück sind Taxis relativ günstig. Ich habe auch schon einen Fahrer für einen ganzen Tag gebucht und ihm am Parkeingang gesagt, er solle auf uns warten. Andernfalls wären wir nicht mehr weggekommen.

«Wir»? Sie sind also jeweils nicht allein unterwegs?

Nein, die meisten Reisen unternehme ich zusammen mit einem guten Freund. Wir haben uns über die Community kennen gelernt. Ich mache das jetzt seit 20 Jahren, damals gab es ja quasi noch keine Social Media. Ich erinnere mich an die ersten Fantreffen im Europapark in Rust. Da waren plötzlich Leute, die dasselbe Interesse hatten wie ich. Man hat sich gegenseitig angefixt, erzählt, welche Parks und Achterbahnen sich lohnen.

Was haben Sie 2025 vor?

Tatsächlich steht erneut China auf dem Plan. Ich war vor 13 Jahren zum ersten Mal dort, aber es wird so viel gebaut, dass es sich bereits wieder lohnt. Aber, so ehrlich muss ich sein: In diesem Fall ist es weniger das Land, das mich anzieht. Also werde ich zwei Drittel meiner Zeit in Parks verbringen. Ausserdem stehen die Niederlande, Belgien, Österreich und Polen auf dem Programm. Ziele in Europa steuere ich in der Regel an verlängerten Wochenenden an.

Mathias Scherz sitzt in einem Achterbahnwagen, bereit zur Fahrt. Hintergrund: Bäume und Fahrgeschäftstrukturen. Thema: Achterbahn-Abenteuer.

Woher kommt Ihre Leidenschaft für Achterbahnen?

Ein Stück weit ist es pure Abenteuerlust. Man hat einen Grund zu reisen, entdeckt neue Länder. Ich könnte in den Ferien nicht lange am Strand liegen, ich möchte etwas sehen und erleben. Daneben interessiert mich aber auch die Historie des jeweiligen Parks. Wie, warum, wann wurde er gebaut? In meinem Kopf mache ich manchmal sogar einen Masterplan, überlege, welche Bahn hier noch fehlt, welche Zielgruppe man ansprechen könnte …

Geht es nicht auch um Adrenalin?

Doch, natürlich! Allerdings muss ich etwas gestehen: Für mich waren Achterbahnen früher eine echte Herausforderung – denn ich hatte ziemlich Höhenangst. Mittlerweile ist es nicht mehr so schlimm.

Gewöhnt man sich auch deshalb ans Achterbahnfahren, weil die meisten Bahnen einander doch sehr ähnlich sind?

Die meisten ähneln sich, das stimmt schon, man weiss vorher ungefähr, was auf einen zukommt. Aber etwa alle fünf Jahre kommt ein neues Modell, das einen vom Hocker reisst. Meist stecken dann neue Hersteller dahinter, die mit etwas komplett Innovativem aufwarten.

Welche Achterbahn ist die beste der Welt?

Die Steel Vengeance im US-Bundesstaat Ohio. Dort hatte ich einen echten Wow-Moment. Sie hat Elemente, die ich noch nie gesehen habe. Man fühlt sich immer wieder schwerelos, schwebt durch die Sektionen, hat ein völlig unbekanntes Fahrgefühl in den Kurven und fragt sich nach der Fahrt: Was ist da alles passiert?

Mathias Scherz steht vor einem beleuchteten Schloss bei Nacht in einem Freizeitpark.

Orlando, Ohio – an den USA führt wohl kein Weg vorbei …

An dieser Stelle muss ich eine Lanze für Europa brechen. Hier bei uns gibt es viele gute Parks – allen voran den Europapark. Ich finde: Er gehört zu den besten der Welt. Bei uns herrscht auch ein anderes Flair, da geht man zwischen den Bahnen gern mal in ein Gartenbeizli, um gemütlich etwas Gutes zu essen. Da können andere Region in der Welt nicht mithalten.

Wo waren Sie schon überall?

Ich stehe bei 574 Parks in 32 Ländern auf 4 Kontinenten. Der exotischste Trip führte mich nach Südostasien. Wir haben in Malaysia begonnen, danach ging es nach Kambodscha, wo es kaum Achterbahnen gibt, aber wir wollten die berühmten Tempel sehen. Zum Schluss waren wir in Vietnam. Dort kam zum Transportproblem die Schwierigkeit, dass wir kaum Infos zu den Öffnungszeiten der Parks hatten: Man fand sie nicht im Internet.

Sie sind die Nummer zwei in der Schweiz. Scharf auf den Spitzenplatz?

Ich kenne den Kollegen, der vor mir liegt. Er hat mich vor drei, vier Jahren überholt. Aber ich verfolge nicht das Ziel, ihn wieder vom Spitzenplatz zu verdrängen. Ich möchte Freude haben an dem, was ich tue, und mich nicht dem Zwang aussetzen, in schwierige Länder wie Turkmenistan zu reisen, nur um Punkte zu sammeln. Ich bin, seit die Website vor knapp 20 Jahren aufgeschaltet wurde, stets unter den Top 25. Das ist doch auch etwas!