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Meinung

Neymar wechselt nach Saudiarabien
Ach, was hätte nur aus ihm werden können!

Neymar ist zwar bis heute der teuerste Spieler im Fussball, die Champions-League-Trophäe konnte er allerdings nicht nach Paris bringen. 

Erst war er nur eine flüchtige Bekanntschaft auf Twitter. Wöchentlich landeten im Feed Videos von diesem jungen und aufregenden Brasilianer. Immer dann, wenn er mit seinen Finten und Kabinettstückchen wieder einen Gegner verwirrte und das Stadion verzückte. Er spielte nicht, er tanzte – eine Augenweide, die pure Lebensfreude.

Ach, was hätte nur aus ihm werden können.

Neymar da Silva Santos Júnior heisst dieser Fussballer, wobei er bei seinem Namen – anders als im Spiel – das Überflüssige immer wegliess. 17 war er, als er begann, auf sich aufmerksam zu machen, und stand passenderweise beim FC Santos unter Vertrag, jenem Club, welcher den grossen Pelé geprägt hatte. Die Verbindung war rasch gezogen, Neymar, ein Senkrechtstarter der Superlative: Nichts schien unmöglich, kein Vergleich war zu gewagt. 2013 folgte mit 21 Jahren der Wechsel zum FC Barcelona und zu Lionel Messi. Den Argentinier sollte er dereinst als Weltfussballer beerben.

Aber zehn Jahre später ist Neymar weder Weltfussballer noch Weltmeister, er ist eine Verheissung, die unerfüllt geblieben ist. Mit 31 wechselt er nun zu Al-Hilal nach Saudiarabien und läutet damit womöglich die letzte Phase seiner Karriere ein. Eine Karriere, die stets vom Konjunktiv begleitet worden ist:

Hätte Neymar nicht viel mehr erreichen müssen?

Valon Behrami lässt grüssen

Stattdessen ist er zur wandelnden Litfasssäule für die Auswüchse im modernen Fussball geworden. Sein Wechsel nach Barcelona 2013 beschäftigte die Staatsanwaltschaft und kostete den katalanischen Clubpräsidenten wegen Unstimmigkeiten um die Ablösesumme das Amt. 2017 folgte dann dank den katarischen Unterstützungsgeldern der Transfer zu Paris Saint-Germain – für irrwitzige 222 Millionen Euro, bis heute Rekord. Neymar war nun auch Statussymbol eines staatlich finanzierten Clubs. Er lag damit voll im Trend. Insofern ist es nur logisch, zieht es ihn just in dem Sommer auf die Arabische Halbinsel, in dem die saudischen Clubs den Fussball mit ihrem Geld überschwemmen. Die 80 bis 100 Millionen Euro, welche die Saudis für ihn als Ablösesumme bezahlen, lösen nicht einmal mehr Erstaunen aus.

Der Zweijahresvertrag soll Neymar jährlich und steuerfrei 150 Millionen Franken einbringen. Ein Privatjet werde jederzeit für ihn bereitstehen, heisst es. Und für jeden Social-Media-Beitrag, mit dem er Saudiarabien bewirbt, soll er eine weitere halbe Million Euro erhalten. Als hätte er nicht schon genug verdient.

Neymars Lebensstil erfüllt jedes Klischee des Goldsteak-essenden Egomanen. Gegen ihn wurde wegen Steuerhinterziehung und Verdachts auf Vergewaltigung ermittelt. Nike beendete die Zusammenarbeit, nachdem ihn eine Angestellte des sexuellen Missbrauchs bezichtigt hatte. Er warb für den Rechtspopulisten Jair Bolsonaro und bekam eine Millionenbusse aufgebrummt, weil er bei seinem Luxus-Anwesen nahe Rio illegal einen künstlichen See hatte anlegen lassen. Der Proll aus der Parallelwelt, dieser Rolle wurde er immer gerecht.

Valon Behrami machte an der WM 2018 Neymar das Leben schwer – und hatte Spass daran. 

Neymar foutiert sich um Regeln. So spielt er auch. Ein Freigeist auf dem Feld, das war immer Teil der Faszination, die von ihm ausging. Auch wenn ihm das mehr schadete als nützte, weil er immer dann, wenn er wieder einmal den Ball ein paar Sekunden zu lange hielt, einen Schlag auf die Knöchel kriegte. Valon Behrami lässt grüssen: Der Schweizer Nationalspieler nahm Neymar an der WM 2018 mit hartem Körpereinsatz praktisch komplett aus dem Spiel. Und lachte ihn aus, als der Brasilianer zu einer Schauspieleinlage angesetzt hatte – auch diese sind ein Markenzeichen Neymars.

Neymar ist sich seines Makels bewusst

In seinen sechs Jahren in Paris konnte Neymar wegen Verletzungen nur die Hälfte der möglichen Partien bestreiten. Natürlich half es ihm nicht, dass er ausschweifend lebte. Legendär, wie er jahrelang just vor dem Karneval in Rio sich verletzt gab oder eine Sperre einhandelte, damit er die grosse Party nicht verpasste. Wegen seiner Eskapaden galt er in Paris zunehmend als Hemmnis, mit Kylian Mbappé verkrachte er sich. Wer am Diven-Theater die Schuld trägt? Sekundär.

PSG wurde mit Neymar – bis auf 2021 – zwar Jahr für Jahr Meister, aber den Champions-League-Sieg, das ultimative Ziel, verpasste der Club zuverlässig. Auch weil sich Neymar in den entscheidenden Partien oft nicht bewährte.

So muss er sich neben den Meistertiteln mit dem Triumph in der Königsklasse 2015 begnügen, als er bei Barcelona im offensiven Dreizack um Messi und Luis Suárez für einmal nicht den Solisten gab. Ein Jahr später gewann er zudem an den Olympischen Spielen in Rio mit Brasilien die Goldmedaille. Wobei es sich dabei um ein mit Stars ergänztes Juniorenturnier handelt. Neymar ist zwar brasilianischer Rekordtorschütze, in dieser Kategorie hat er Pelé tatsächlich überholt, aber sein Resümee bleibt eine Enttäuschung. Seine Erfolge stehen in keinem Verhältnis zum grossen Wirbel, den er ausgelöst hat.

Angeblich will Neymar 2025 nach Europa zurückkehren, damit ihm eine weitere Saison bleibt, um sich auf die Weltmeisterschaft im Jahr darauf vorzubereiten. Der Unvollendete ist sich seines Makels bewusst. Nur: Dass er doch noch als Hauptfigur einen ganz grossen Titel gewinnt, dürfte ein Wunschtraum bleiben.