Kommentar zu Abtreibung in PolenDie Tusk-Regierung streitet – zum Schaden der Frauen
In Polen schaffen es Premier Donald Tusk und seine Koalition nicht, sich auf ein liberaleres Abtreibungsrecht zu einigen. Die Debatte verläuft zunehmend irrational.
Wiederherstellung der Gewaltenteilung, Umgang mit Flüchtlingen, Waffenlieferungen an die Ukraine, Bauernproteste: Es gäbe einige Themen, über die sich vier Koalitionsparteien zerstreiten könnten. Doch bei allem Genannten konnte die Regierung des polnischen Premiers Donald Tusk bisher irgendeinen Konsens erzielen.
Worüber sich die Koalitionäre jedoch hoffnungslos zerstreiten: über das Recht auf Abtreibung, das derzeit in Polen praktisch nicht existiert. Das geltende Gesetz ist ein Erbe der rechtsnationalistischen PiS-Regierung, das eigentlich alle Regierungsparteien zumindest überarbeiten wollten. Und zwar, wie sie im Wahlkampf versprachen, um eine bessere Gesundheitsversorgung von Frauen zu gewährleisten.
Dem jüngsten Vorschlag zufolge wäre es nicht mehr unbedingt strafbar, wenn etwa eine Mutter für ihre minderjährige Tochter Abtreibungspillen im Internet bestellt oder Ärzte einer Frau in einer Notlage helfen. Doch die Vorlage scheiterte bei einer Abstimmung kürzlich an vier Stimmen, die sich selbst in den eigenen Reihen nicht finden liessen. Eine Legalisierung von Abbrüchen bis zum Ende der zwölften Woche, wie sie Premier Tusk vorschwebt, erscheint derzeit aussichtslos.
Irrational verhalten sich jene – meist männlichen – Abgeordneten, die den hart errungenen Kompromiss, der vor allem weiblichen Abgeordneten viele Zugeständnisse abverlangte, einfach platzen lassen. Irrational verhält sich auch Tusk, wenn er aus Frust zwei Parteimitglieder suspendiert, weil sie den Abstimmungsgehorsam verweigern – statt sie weiter zu überzeugen. Doch Tusk weiss eben auch: Wenn die Frauen verlieren, verliert er – und somit die gesamte Regierung – die Frauen.
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