Pro und Kontra UferinitiativeUferweg am Zürichsee: Forcieren oder weiter wie bisher?
Am 3. März entscheidet das Zürcher Stimmvolk über die Schaffung eines lückenlosen Uferwegs bis 2050. Die Kostenfrage und Eigentümerinteressen stehen im Zentrum der Debatte.
Am 3. März befindet das Zürcher Stimmvolk über die Volksinitiative Uferweg. Sie fordert, dass bis 2050 ein durchgehender Uferweg entlang des Zürichsees (auf dem Gebiet des Kantons Zürich) führt. Bezahlen müsste ihn der Kanton.
Doch weshalb soll jemand aus Uster oder Dietikon einen Uferweg an der Goldküste mitfinanzieren? Oder: Ist es verhältnismässig, wenn Seeanstösser ein Stück Land für einen Weg abgeben müssen? Argumente dafür von einer Limmattalerin und dagegen von einem «Seebuben».
Pro
Nein, die Uferinitiative will den Menschen, die direkt am Zürichsee wohnen, nicht das Grundstück wegnehmen. Sie will auch nicht auf privaten Grundstücken Picknick- oder Spielplätze einrichten. Und sie will keiner Villa am See die Seesicht nehmen oder den Weg zum Bootshäuschen verstellen.
Sie will lediglich einen durchgehenden Weg am Zürichseeufer.
Wer Land mit Seeanstoss besitzt, darf sein Grundstück mit einem Zaun gegen den Uferweg abgrenzen, sodass bestimmt kein Unbefugter in seinen Garten trampelt. Die Seesicht bleibt ihm erhalten, einfach nicht exklusiv. Und auf dem Weg ins Bootshäuschen begegnet er vielleicht ein paar Spazierenden.
Recht und Fairness
Und nein, es geht bei der Initiative nicht um Neid, weil man den Hausbesitzerinnen und Hausbesitzern am See ihre privilegierte Lage missgönnt. Es geht um ein wichtiges Gut, das die Schweiz auszeichnet: Seen und Wälder und Berge gehören in diesem Land der Allgemeinheit.
Es geht um durch Gesetze garantierte Rechte, aber auch um Fairness. 2013 schien alles geregelt, als Regierungs- und Kantonsrat versprachen, jährlich sechs Millionen Franken für den Bau von Uferwegen bereitzustellen. Sie taten dies, weil zuvor zwei Initiativen öffentliche Uferwege verlangten und es sich abzeichnete, dass das Anliegen im Volk grossen Rückhalt hat. Die Initiantinnen und Initianten zogen daraufhin ihre Vorstösse zugunsten dieser Regelung zurück.
Sie müssen sich jetzt betrogen fühlen, denn in den letzten zehn Jahren wurden gerade einmal 180 Meter Uferweg am Zürichsee gebaut, das im Budget bereitgestellte Geld wurde nicht eingesetzt.
Weniger Widerstand
Es zeigt sich: realisiert wird, wo kein Widerstand droht. Da setzt die nun vorliegende Initiative an. Erstens stellt sie ein Ultimatum. Bis 2050 soll auf Kantonsgebiet ein durchgehender Uferweg den Zürichsee säumen. Zweitens bezahlt diesen allein der Kanton, denn einige Wegstrecken scheiterten, weil die Gemeinden ihren Anteil nicht übernehmen wollten.
Doch weshalb soll eine Limmattalerin wie ich einen Uferweg an der Goldküste mitfinanzieren?
Spielraum zugunsten Allgemeinheit
Ein Volks-Ja hat vor allem Symbolwert. Es drückt aus, dass öffentliche Güter öffentlich bleiben müssen. Es pocht auf das Recht, dass alle am See oder durch den Wald spazieren dürfen.
Und zum Schluss nochmals ein Nein, das für die Uferinitiative spricht: Auch bei einem Ja werden die Ufer nicht gestürmt. Die Behörden und Gerichte werden weiterhin zwischen öffentlichen und privaten Interessen abwägen. Doch mit einem Volks-Ja im Rücken werden sie ihren Spielraum eher zugunsten der Allgemeinheit als des Privateigentums nutzen.
Kontra
Die Idee eines durchgehenden Uferwegs am Zürichsee klingt verlockend. Und das wäre das Vorhaben auch, wenn man die Siedlungen rund um den See neu bauen könnte, quasi auf der grünen Wiese. Die Ufergebiete blieben dann frei, und sie wären öffentlich zugänglich. So würde es in einer idealen Welt geplant.
Doch die Realität ist eine andere. In den vergangenen 150 Jahren wurde viel falsch gemacht. Das Ufer des Zürichsees ist stark verbaut. Das ist zu bedauern. Aber das Rad der Zeit zurückdrehen kann man nicht. Die Situation verbessern, schon – nur schiesst die Uferinitiative, die dies vorhat, über das Ziel hinaus.
Gut gemeinter Murks
Die Initiative verlangt bis 2050 einen durchgehenden Uferweg am Zürichsee. Was gut gemeint ist, wird zu einem Murks. Gemäss dem Initiativtext sind die Uferwege «in der Regel am Land und möglichst nahe am Ufer zu führen».
Die offene Formulierung zeigt, worauf es wohl hinausläuft: Ein Weg direkt am See wird an vielen Stellen nicht zu haben sein und stattdessen hinter Häusern durchführen. Es sei denn, der Kanton legt sich in langwierigen Rechtsverfahren mit Privateigentümern an, deren Grundstücke durch den Bau eines neuen Uferwegs tangiert würden.
Zeit und Geld
Dies kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Ob es tatsächlich die halbe Milliarde Franken sein wird, mit welcher der Regierungsrat für den durchgehenden Uferweg rechnet, oder weniger, wie es die Initianten sagen: Teuer wird es am Schluss so oder so. Und ob am Ende wirklich das Erhoffte herausschaut, ist eine andere Frage.
Denn sogar ein Weg, der direkt am Ufer entlang führt, muss nicht unbedingt gelungen sein. Das zeigt ein Blick nach Herrliberg. Dort können Spaziergängerinnen und Spaziergänger – auf dem Trottoir der Seestrasse – direkt am Wasser entlanggehen. Strassenverkehr und Lärm sind dabei ständige Begleiter. Erholsam kann das nicht sein. Idyllisch ist es ebenso wenig.
Pragmatisch vorgehen
Selbst ein Seebueb, der wie ich in einer Seegemeinde lebt (notabene nicht in einer Wohnung direkt am Ufer) und gerne am Wasser ist, kann deshalb zum Schluss kommen: Es braucht nicht überall einen Uferweg. Vielerorts bringt er keinen Gewinn. Ihn durchwegs vorzuschreiben, ist unnötig.
Hingegen sollen weiterhin dort Wegstücke realisiert werden, wo sich neue Möglichkeiten auftun und ein echtes Bedürfnis vorhanden ist. Uetikon und Thalwil machen es vor: Beide Gemeinden lassen am 3. März über Projekte abstimmen, die auf dem Areal der ehemaligen Chemiefabrik respektive bei den Seebädern ein Stück Seeuferweg vorsehen. Hier soll etwas verbessert werden, was der Bevölkerung wirklich etwas bringt.
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