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Abstimmung in Zürich am 3. März
Strengere Regeln für Demos: Darum geht es bei der «Anti-Chaoten-Initiative»

Police officers arrest an environmental activist of Renovate Switzerland after he sit down on the road during a roadblock action on the motorway A1 exit in Zuerich, Switzerland on June 19, 2023. (KEYSTONE/Michael Buholzer)
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Worum geht es?

Die von der Jungen SVP lancierte kantonale Volksinitiative fordert, dass Demonstrationen grundsätzlich unter Bewilligungspflicht gestellt werden. Bei illegalen Demonstrationen sollen die Kosten für Polizeieinsätze und Sachbeschädigungen auf die Veranstaltenden und Teilnehmenden aufgeteilt werden. Gleiches gilt bei Störungen von bewilligten Demonstrationen. Ausserdem sollen die Kosten für die Räumung von besetzten Liegenschaften den beteiligten Personen und Organisationen verrechnet werden.

Und was fordert der Gegenvorschlag?

Der Gegenvorschlag des Kantonsrats nimmt die zwei Kernforderungen der Initiative in abgemilderter Form auf: Erstens sollen Demonstrationen bewilligungspflichtig werden. Zweitens sollen ausserordentliche Polizeieinsätze den verursachenden Personen zwingend verrechnet werden, aber nur wenn diese vorsätzlich gehandelt haben. Keine Forderungen stellt der Gegenvorschlag zu Sachbeschädigungen und Hausbesetzungen.

Welche Kosten überwälzt die Polizei bisher?

Schon heute kann gemäss dem kantonalen Polizeigesetz von der Verursacherin oder vom Verursacher eines Polizeieinsatzes Kostenersatz verlangt werden, wenn der Einsatz vorsätzlich oder grobfahrlässig verursacht wurde. Allerdings besteht dazu kein Zwang.

Die Stadt Zürich überwälzt ihre Polizeikosten für unbewilligte Demonstrationen und Hausbesetzungen grundsätzlich nie. Der Zürcher Stadtrat ist der Ansicht, dass solche Einsätze zum Grundauftrag der Stadtpolizei gehören. Ausgenommen sind Veranstaltungen, die keinen ideellen Zweck verfolgen oder nicht im öffentlichen Interesse liegen. Wenn eine Veranstaltung teilweise oder ganz im öffentlichen Interesse liegt, wird der ausserordentliche Polizeieinsatz erst ab 200 Einsatzstunden verrechnet. Dies ist etwa bei Fussballspielen der Fall. Das städtische Sicherheitsdepartement gibt an, ausserdem auch «vorsätzlich herbeigeführte» Polizeieinsätze in Rechnung zu stellen. Ein Beispiel aus den letzten Jahren sei, dass jemand einen Drohbrief mit unbekanntem Pulver verschickte.

Die Kantonspolizei Zürich hat angekündigt, ihren Aufwand bei Strassenblockaden von Klimaaktivisten zu verrechnen. Rechnungen erhalten haben ausserdem 14 Personen, welche im April 2023 ein Waldstück in Rümlang besetzten. Gemäss dem Besetzerkollektiv handelt es sich um einen fünfstelligen Betrag. Die Kantonspolizei gibt keine Auskunft zu ihrer Praxis, weil der Regierungsrat noch vor der Abstimmung informieren werde.

Wie hoch sind die Kosten überhaupt?

Das ist nicht klar. Die Stadtpolizei unterscheidet bei der Erfassung ihrer Einsatzstunden nicht danach, ob eine Demonstration bewilligt war oder nicht. Auch weitere ungeplante Einsätze der Stadtpolizei, beispielsweise bei Saubannerzügen, werden nicht separat aufgelistet.

Im Jahr 2022 war die Stadtpolizei Zürich an 325 Demonstrationen und Kundgebungen im Einsatz, von denen 65 nicht bewilligt waren. Insgesamt weist die Stadtpolizei Einsatzkosten in Höhe von 3,1 Millionen Franken für Demonstrationen und Kundgebungen aus.

Als im Oktober 2021 Aktivistinnen und Aktivisten der Klimabewegung Extinction Rebellion während einer Aktionswoche in Zürich mehrmals den Verkehr blockierten, verursachte dies Polizeikosten in Höhe von 685’000 Franken, wie aus einer Stadtratsantwort im Gemeinderat hervorging.

Die Kantone Luzern und Bern haben in ihren Polizeigesetzen seit einigen Jahren weitergehende Bestimmungen zur Verrechnung von Kosten, die bei unbewilligten Veranstaltungen entstehen. Den Veranstaltern und an Gewaltausübung beteiligten Personen werden maximal 10’000, in besonders schweren Fällen höchstens 30’000 Franken verrechnet.

Die Stadt Bern hat nach einer unbewilligten Corona-Demonstration im Herbst 2021 die Einsatzkosten der Polizei auf sechs rechtskräftig verurteilte Demonstranten teilweise überwälzt. Diese mussten zwischen 200 und 1000 Franken bezahlen, je nachdem, wie gross ihre Verantwortung oder ihr Beitrag an Gewalttaten war.

Was bedeutet das für Fussballhooligans?

Fussballchaoten stehen nicht im Fokus der Volksinitiative. Allerdings ist im Abstimmungstext nebst illegalen Demonstrationen und Kundgebungen auch von «anderweitigen Veranstaltungen» die Rede. Heute gilt, dass die Sachbeschädigungen über den Zivilweg eingeklagt werden können. Allerdings gestaltet sich die Strafverfolgung gerade bei vermummten Randalierern schwierig. Gemäss Volksinitiative sollen künftig auch blosse Teilnehmende für Schäden einer Veranstaltung aufkommen, nach dem Motto «mitgegangen, mitgefangen».

Welchen Teil der Kosten ein «Mitläufer» übernehmen müsste, gibt die Volksinitiative nicht vor. Sie wurde als allgemeine Anregung und nicht als ausgearbeiteter Entwurf eingereicht.

Gibt es heute denn keine Bewilligungspflicht?

Doch, Demonstrationen unterstehen grundsätzlich einer Bewilligungspflicht. Allerdings sind unbewilligte Spontandemos erlaubt, sie müssen gemeldet werden. Die Stadt Zürich hat vor, ihr kommunales Recht zu lockern: Demos mit bis zu 100 Personen sollen künftig nur noch gemeldet werden müssen. Die Initiative und der Gegenvorschlag würden das verhindern. 2023 waren in der Stadt Zürich 58 von 338 Demonstrationen und Kundgebungen unbewilligt.

Wer ist für die Initiative und weshalb?

Für die Initiative sprechen sich SVP, FDP und EDU aus. Die Volksinitiative wird damit begründet, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit keine gewalttätigen Zusammenkünfte schütze. Es dürfe nicht sein, dass Steuerzahlende für Ausschreitungen und Vandalismus aufkommen müssen. Kritisiert wird, dass insbesondere die Stadt Zürich, wo die meisten Demonstrationen stattfinden, die Kosten nicht überwälzt. Die unterschiedliche Handhabe der Gemeinden führe zu einer Rechtsungleichheit.

Wer ist für den Gegenvorschlag und weshalb?

SVP, FDP und EDU unterstützen auch den Gegenvorschlag. Nur für den Gegenvorschlag ausgesprochen haben sich GLP, Mitte und EVP. In der Kantonsratsdebatte argumentierten sie, der Gegenvorschlag sei, anders als die Initiative, verhältnismässig und wahre das Demonstrationsrecht. Ausserdem gebe er der Polizei aber bessere Mittel zur Hand, um «Chaoten» in die Pflicht zu nehmen. Eine Mehrheit des Kantonsrats und der Regierungsrat empfehlen ebenfalls den Gegenvorschlag zur Annahme.

Wer ist dagegen?

SP, AL und Grüne lehnen beide Vorlagen ab, ebenfalls die GLP Stadt Zürich. Die Volksinitiative sei unpräzise und werde Probleme bei der Umsetzung schaffen, weil sie gegen übergeordnetes Recht verstosse. Die auch im Gegenvorschlag enthaltene zwingende Kostenabwälzung sei weder verhältnis- noch rechtmässig. Eine «Muss»-Regel biete den Behörden wenig Spielraum und werde zu einem Bürokratiemonster führen, das in keinem Verhältnis zu den einzutreibenden Kosten stehe. Kritisiert wird ausserdem, dass die drohende Kostenüberwälzung Menschen davon abschrecken könnte, von ihrer Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch zu machen. Zudem dürften nach Völkerrecht Behörden die Ausübung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht von einer Genehmigung abhängig machen. Laut einer rechtlichen Analyse von Amnesty verstosse eine generelle Bewilligungspflicht für Demonstrationen auch gegen die Bundesverfassung.

Was geschieht bei Annahme beider Vorlagen?

Wenn beide Vorlagen von den Stimmenden angenommen werden, entscheidet die Stichfrage. Von den Parteien, die sich für ein doppeltes Ja aussprechen, empfiehlt die SVP bei der Stichfrage die Volksinitiative, FDP und EDU den Gegenvorschlag.