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Flughafen-Abstimmung vom 3. März
Wie viel bringt die Pistenverlängerung wirklich?

Rundgang und Pistenbesichtigung auf dem Flughafen Kloten zum Thema Pistenverlaengerungen am 28.02.2023.
Start auf der Piste 28.
Foto: Michael Trost / Tamedia AG.
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Selten hat man sich von 680 Metern Beton so viel versprochen. Um 400 Meter soll die Piste 28 am Flughafen Zürich verlängert werden, um 280 Meter die Piste 32. Das soll mehr Sicherheit, mehr Pünktlichkeit und mehr Nachtruhe bringen. So bewerben Flughafen, Regierungsrat und bürgerliche Parteien den Pistenausbau, über den die Zürcher Stimmbevölkerung am 3. März abstimmt.

Links-grüne Parteien und die Fluglärmverbände halten den Ausbau für unnötig und übertrieben. Kürzlich haben sie unerwartete Unterstützung bekommen von einem, der das Zürcher An- und Abflugsystem bestens kennt: Andreas Heiter war von 1990 bis 2005 Chef des Tower am Flughafen. Er hat in jenen Jahren die heutigen Flugkonzepte mitentworfen.

Heiter hat auf dem Online-Portal «Inside Paradeplatz» einen Text veröffentlicht, in dem er zum Schluss kommt, dass längere Pisten weder mehr Sicherheit noch mehr Pünktlichkeit bringen. Der Flughafen kontert, Heiter sei seit Jahren nicht mehr im Geschäft und nicht mehr auf dem neuesten Stand.

Trotzdem stellt sich die Frage: Was ist an Heiters Ausführungen dran? Wie viel bringen die Pistenverlängerungen wirklich? Eine Einordnung in fünf Punkten.

Das Pistenkreuz

Der Flughafen Zürich hat ein Problem: Zwei der drei Pisten kreuzen sich. Und das ist potenziell gefährlich. In den Nullerjahren kam es zu mehreren Beinahe-Zusammenstössen auf dem Pistenkreuz. Schliesslich führte der Flughafen im Auftrag des Bundesamts für Zivilluftfahrt eine umfassende Sicherheitsüberprüfung durch.

Diese kam zum Schluss, die Verlängerung von Piste 32 könnte Abhilfe schaffen. Damit werden auch Abflüge der grössten Langstreckenflieger ab dieser Startbahn möglich. Aktuell fliegen Grossraummaschinen ab Piste 34 ab. Doch die kreuzt sich nicht nur mit der Landebahn 28, sondern auch mit dem Abflugkorridor ab Piste 32.

Allerdings: Wirksam ist die Pistenverlängerung nur im sogenannten Ostkonzept. Dieses kommt bei starkem Westwind und während der deutschen Sperrzeiten ab 21 Uhr (am Wochenende ab 20 Uhr) zur Anwendung. Der Nutzen der Pistenverlängerung ist damit zeitlich und zahlenmässig beschränkt.

Westwindlandungen machen zehn Prozent aller Anflüge tagsüber aus. Nordstarts gab es im Jahr 2022 gut 23’000, davon erfolgte jeder zehnte auf Piste 34.

100’000 Starts auf kreuzenden Pisten

Nichts ändern die Verlängerungen hingegen daran, dass auch von 7 bis 21 Uhr sich kreuzende Pisten genutzt werden. Im Nordkonzept erfolgen Anflüge von Norden auf Piste 14. Kleinere Flugzeuge starten auf Piste 28 nach Westen, die grossen auf Piste 16 nach Süden. Das bleibt auch so, wenn Piste 28 verlängert wird: Dafür sorgt der Müliberg westlich der Pistenschwelle. Die Steigleistung von Langstreckenfliegern reicht nicht, um diesen sicher zu überqueren.

Trotzdem ist das Nordkonzept das leistungsfähigste, stabilste und häufigste Regime am Flughafen Zürich. Pro Jahr starten etwa 100’000 Flüge auf den Pisten 28 und 16.

In der Vergangenheit gab es mehrere gefährliche Vorfälle mit gleichzeitiger Benutzung von Piste 28 und 16. Der letzte ereignete sich im März 2011 – seither hat Skyguide das Problem dank betrieblicher Massnahmen im Griff.

Andreas Heiter hält den Nutzen der 250 Millionen Franken teuren Pistenverlängerung deshalb für gering, wie er im Gespräch mit dieser Redaktion sagt: «Kreuzungen wird es beim Zürcher Pistensystem trotzdem immer geben.» Diese zu managen, gehöre zum «Basiskönnen der Fluglotsen».

Die Ostanflüge

Ein weiteres Problem aus Sicht des Flughafens ist, dass Piste 28 bei leichtem Rückenwind zu kurz ist. Deshalb muss während der deutschen Sperrzeiten jeden fünften Abend auf Südanflüge umgestellt werden. Das zeigt der aktuelle Flughafenbericht.

Mit der Verlängerung von Piste 28 soll sich das ändern. «Wir gehen davon aus, dass sich die abendlichen Südanflüge damit um rund zwei Drittel reduzieren lassen», schreibt Flughafensprecherin Bettina Kunz auf Anfrage. Das heisst aber auch, dass die Gemeinden im Osten mit mehr als 2000 zusätzlichen Landungen rechnen müssen. Das ist etwa ein Sechstel mehr als bisher.

Die kurze Piste 28 hat laut dem Flughafen auch immer wieder zur Folge, dass einzelne Piloten von grossen Maschinen einen Anflug auf Piste 28 ablehnen und dann auf Piste 34 geleitet werden müssen. Das sei wegen des Pistenkreuzes (siehe oben) ein Sicherheitsrisiko und könne Verspätungen auslösen. Ex-Tower-Chef Heiter sagt, das Problem der Einzelanflüge werde überschätzt: «Selbst der A380 kann auf Piste 28 landen.» Abends gebe es ohnehin kaum mehr Langstrecken-Anflüge.

Bleibt die Frage, wie gross bei einer so kurzen Piste die Gefahr ist, dass ein Flugzeug über das Pistenende hinausschiesst. Für diesen Fall gibt es am Pistenende einen speziellen Schaumbetonbelag, welcher für einen Stopp sorgen würde. Gebraucht wurde er noch nie.

Die Pünktlichkeit

Während die Sicherheit ein eher abstraktes Problem darstellt, sind Verspätungen für viele Fluggäste ein riesiger Ärger. Die Pistenverlängerungen sollen die Pünktlichkeit erhöhen, weil der abendliche Flugbetrieb seltener auf das Südkonzept umgestellt werden muss, das weniger Flüge in der gleichen Zeit zulässt.

Eine Studie oder nur schon eine Schätzung, wie gross der Effekt sein könnte, kann der Flughafen aber nicht vorlegen. Josef Felder, Verwaltungsratspräsident des Flughafens, sagte Anfang Januar in einem Interview mit der NZZ lediglich: «Mit den Pistenverlängerungen kann ein Teil der Verspätungen verhindert werden.»

Eine aufschlussreiche Statistik existiert indes durchaus: Wetterbedingte Umstellungen des Flugsystems sind in Zürich nur an jedem vierten bis fünften Tag nötig. Und trotzdem gibt es keinen Tag, an dem nicht mindestens ein Flug unpünktlich ist.

Gründe gibt es dafür unzählige, viele liegen nicht im Einflussbereich des Flughafens und haben mit der Pistenlänge in Zürich nichts zu tun: Das Wettergeschehen anderswo, Überlastungen im europäischen Luftraum, verspätete Anschlussflüge, verspätete Passagiere, zu knapp kalkulierte Flugpläne, technische Probleme, Personalmangel. Oft kumulieren sich die Verspätungen im Verlauf des Tages.

Die Nachtruhe

Sie ist der ewige Zankapfel zwischen der Anwohnerschaft und dem Flughafen. Die Fluglärmverbände und die betroffenen Gemeinden pochen auf eine Nachtruhe von 23 bis 6 Uhr. Denn Starts und Landungen ausserhalb dieser Zeiten dürfen seit dem Jahr 2010 nicht mehr eingeplant werden.

Allerdings: Der Abbau von Verspätungen ist bis um 23.30 Uhr erlaubt. Der Flughafen argumentiert deshalb, die reguläre Betriebszeit ende erst dann.

Er nutzt die letzte halbe Stunde grosszügig; der Flugplan macht eine Einhaltung der Nachtruhe vor 23 Uhr nahezu unmöglich. Jährlich werden etwa 1900 bis 2800 Flüge zwischen 23 und 23.30 Uhr verzeichnet – das sind durchschnittlich fünf bis acht pro Nacht.

Die Ursachen für die späten Abflüge würden nicht im Detail analysiert, sagt die Flughafensprecherin: «Für Flüge innerhalb des bewilligungsfreien Verspätungsabbaus bis 23.30 Uhr gibt es keine nach Gründen differenzierende Statistik.» Wie viele dieser späten Flüge mit den Pistenverlängerungen wegfallen, kann oder will der Flughafen nicht prognostizieren.

Die Kapazität

Für die Gegnerinnen und Gegner des Pistenausbaus ist klar: Wahres Ziel des Ausbaus ist eine höhere Kapazität. Das dementieren der Flughafen und die Befürworter. Wer recht hat, ist nicht so einfach zu beantworten. Eine Rolle spielt unter anderem, ob man die theoretisch mögliche oder die tatsächliche Zahl der Flugbewegungen betrachtet. Und ob man Änderungen in den Betriebsabläufen einrechnet oder nicht.

Bettina Kunz versichert: «An der Anzahl planbarer Starts und Landungen beziehungsweise an der Anzahl zu vergebender Slots ändert sich nichts.» Eine Piste lasse nicht mehr Flugbewegungen zu, nur weil sie länger sei.

Ex-Tower-Chef Heiter hält die Kapazitätsfrage nicht für entscheidend bei der Pistenverlängerung: «Wenn es sein muss, kann der Flughafen die Bewegungszahl auch ohne Pistenverlängerung, ohne Volksabstimmung und ohne Änderung des Betriebsreglements erhöhen.»

Fazit

Die längeren Pisten bringen einen einfacheren Flugbetrieb und verringern das Fehlerrisiko, aber der Effekt ist auf zwei bis drei Stunden am Abend und einzelne Tage mit starkem Westwind begrenzt.

In der Südanflugschneise wird es abends öfter ruhig sein, im Osten dafür öfter lärmig. Und bei gewissen Wetterlagen wird sicherlich die eine oder andere Verspätung vermieden.

Dass der Ausbau aber insgesamt spürbar weniger Verspätungen für Passagiere und mehr Nachtruhe für Anwohnerinnen und Anwohner bringt, dafür fehlen belastbare Zahlen.