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Abstimmung Stadt Zürich
Soll Zürich den Genderstern nicht mehr verwenden dürfen?

Ein resrvierter Parkplatz fuer Kunden und Kundinnen mit Generstern, fotografiert am 10. Maerz 2024 in Zuerich-Altstetten. (KEYSTONE/Petra Orosz)
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Die Abstimmung über ein kleines Sonderzeichen dürfte über die Stadtgrenzen hinaus interessieren. Am 24. November entscheidet die Stadtzürcher Stimmbevölkerung über die Volksinitiative «Tschüss Genderstern!». Diese will der Stadtverwaltung verbieten, in ihrer Kommunikation beispielsweise Lehrer*innen oder Polizist*innen zu schreiben.

Was für Regeln gelten derzeit in der Stadt?

Im Jahr 2022 hat die Stadt ihr Reglement für sprachliche Gleichstellung revidiert, das seit 1996 gegolten hat. Das Regelwerk führt aus, wie die Stadtverwaltung kommunizieren soll. Neu sind der Genderstern oder geschlechtsneutrale Wörter in der Verwaltungskommunikation vorgeschrieben. Doppelformen wie Bürgerinnen oder Bürger oder das Binnen-I dürfen nicht mehr verwendet werden. Mit der neuen Form möchte die Stadt alle Geschlechter sprachlich gleichberechtigt behandeln: also Frauen, Männer und nonbinäre Personen.

Wer muss sich an das Reglement halten?

Für Verwaltungsmitarbeitende sind diese Regeln verbindlich, wie zum Beispiel für Medienmitteilungen der Stadtpolizei. Es gibt aber Ausnahmen, zum Beispiel aus Gründen der Eindeutigkeit, Verständlichkeit oder Rechtssicherheit, wie etwa in juristischen Texten. Auch in Abstimmungstexten will die Stadt einheitlich mit Kanton und Bund kommunizieren, das heisst ohne Genderstern.

Sollen auch Lehrpersonen den Genderstern verwenden?

Nein, die Regeln gelten weder für Lehrpersonen an der Volksschule noch für die Bevölkerung oder Unternehmen. Sie gelten auch nicht für die gesprochene Sprache.

Ist Zürich mit dieser Regelung einzigartig?

Auch die Städte Bern und Luzern erlauben und empfehlen die Verwendung des Gendersterns in der behördlichen Kommunikation, um Trans- und nonbinäre Personen mit einzubeziehen. Im Unterschied zur Zürcher Lösung dürfen die Berner Verwaltungsmitarbeitenden aber weiterhin Doppelungen von weiblichen und männlichen Formen verwenden.

Was will die Initiative?

In der Gemeindeordnung soll festgehalten werden, dass in behördlichen Texten auf die Verwendung von Sonderzeichen innerhalb einzelner Wörter verzichtet wird. Aus der Begründung heraus wird klar, dass es dabei nicht um alle Sonderzeichen geht (im Gemeinderat fiel das Stichwort «Apéro»), sondern nur um jene Sonderzeichen, die zur sprachlichen Inklusion aller Geschlechter verwendet werden. Die Stadt dürfte in ihren behördlichen Texten also keine Gendersternchen mehr verwenden und nicht auf Doppelpunkte ausweichen.

Wer steckt hinter der Initiative?

Susanne Brunner und Ueli Bamert präsentieren sich vor ihrer Wahl zum Co-Praesidium an der Generalversammlung der SVP der Stadt Zürich, 
08.06.2024
(URS JAUDAS/TAGES-ANZEIGER)

Kopf der Vorlage ist Susanne Brunner. Die Co-Präsidentin der Stadtzürcher SVP und Kantonsrätin lancierte gemeinsam mit einem überparteilichen Komitee im Sommer 2022 die Initiative, nachdem die Stadt ihr neues Reglement bekannt gegeben hatte. Für Brunner hat der Kampf gegen den Genderstern und die «Sprachpolizei» eine persönliche Vorgeschichte. 2019 verweigerte das Büro des Gemeinderats, eine Interpellation von ihr anzunehmen, da sie fast ausschliesslich die männliche Form verwendet hatte. Brunner akzeptierte das nicht, wehrte sich und bekam vom Bezirksrat recht, eine Rechtsgrundlage für die Rückweisung fehlte.

Was sagen die Umfragen?

Der Genderstern scheint im Kanton und auch in der Stadt Zürich umstritten. Das zeigen Umfragen, die um den Jahreswechsel 2022/23 erhoben wurden. Die Befragungen (einmal durch das Forschungsinstitut Sotomo, einmal durch das Forschungsinstitut GFS) kommen übereinstimmend zum Schluss: Selbst in Städten spricht sich keine Mehrheit für den Genderstern aus. Und: Andere Formen der Inklusion, also der Gebrauch von männlichen und weiblichen Formen, werden eher begrüsst. Personen, die linken Parteien nahestehen, sowie Frauen sind dem Genderstern gegenüber offener eingestellt.

Wer ist dafür und warum?

FDP, SVP und Mitte/EVP sind für die Volksinitiative. Die Gegnerinnen und Gegner des Gendersterns erachten ihn als Symbol eines linken Kulturkampfes, als Resultat einer hypermoralisierenden Sprachpolizei, die den Bürgerinnen und Bürgern vorschreiben will, wie sie zu reden haben. Er sei ein von oben herab verordnetes Sprachdiktat. Eine Mehrheit der Gesellschaft fühle sich vom Genderstern nicht angesprochen.

Er ergebe grammatikalisch auch keinen Sinn. Das Beispiel der «Ärzt*innen» oder «Bäuer*innen» fällt immer wieder. Was ist ein Ärzt, was ein Bäuer? Oder der Satz, den eine Gegnerin anführt: «Das Buch des/der Schüler*s*in gebe ich an die Gruppe von Schüler*n*innen.» Der Genderstern sei ein kurzlebiger Sprachtrend. Hinzu komme, dass er jene diskriminiere, die eine Leseschwäche hätten, und die Sonderzeichen den barrierefreien Zugang zu Informationen im Internet erschwerten.

Wer ist dagegen und weshalb?

Der Stadtrat, SP, Grüne, GLP und AL bekämpfen die Volksinitiative. Sie wollen kein solches «Sprachdiktat» in der Verfassung der Stadt. Sie betonen: Die Regeln gelten einzig für die Kommunikation der Verwaltung, sie seien ein Versuch, möglichst alle Menschen anzusprechen. Auch viele Firmen würden heute in Stelleninseraten und ihrer Kommunikation den Genderstern verwenden.

Die Genderthematik werde instrumentalisiert, um ein gewisses Unwohlsein über die Entwicklung hin zu einer vielfältigeren Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen. Nicht binäre Personen seien eine Realität und sollen vom Staat benannt werden können. Zudem relativieren die Befürwortenden den Vorwurf der Sprachpolizei und des Sprachdiktats. Das alte Reglement der Stadt sei mehr als 20 Jahre in Kraft, und trotzdem würde die Stadt bis heute vielerorts die eigenen Regeln nicht einhalten und das generische Maskulin verwenden.

Korrektur, 29.10.2024, 18.34 Uhr: In einer früheren Version des Artikels stand fälschlicherweise, dass es sich um eine SVP-Initiative handelt. Richtig ist, dass ein überparteiliches Komitee die Initiative lanciert hat.

20.40 Uhr: In einer früheren Version des Artikels stand fälschlicherweise Susanne Brunner verwendete in ihrem Vorstoss ausschliesslich die männliche Form. Richtig ist, dass sie nicht nur die männliche Form, sondern unter anderem das generische Maskulinum verwendete.