Abfahrt in KitzbühelOdermatt hat zu kämpfen – und ein Phänomen schlägt zu
Zwei Fahrer sind in der ersten Abfahrt auf der Streif schneller als der Nidwaldner. Ein anderer junger Schweizer verblüfft.
Etwas unbeholfen wirkt er schon noch, dieser Cyprien Sarrazin, als ihm der Interviewer ein Mikrofon vors Gesicht hält. «Kitzbühel, how are you?», ruft der Franzose hinein, das Gespräch wird über die Boxen in den Zielraum übertragen. Weil viele schon weg sind, bleibt der grosse Jubel aus. Dann erzählt Sarrazin, wie «crazy» gerade alles sei für ihn.
Sarrazin spricht ruhig und wirkt scheu, wie immer, wenn er auf Englisch erklären soll, warum er plötzlich so gut ist. Das passt nicht so ganz zu seinem Fahrstil, der eher radikal ist, mit dem er oft am Limit kratzt und es teilweise überschreitet.
Es ist ja auch alles noch ziemlich neu für diesen 29-jährigen Franzosen, der zwar schon lange dabei ist im Weltcup, aber bis auf wenige Ausreisser nach oben immer nur eine Randfigur war. Jetzt, in der grössten aller Abfahrten, ist er die Hauptfigur und steht im Mittelpunkt. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen. Daran muss vor allem er sich noch gewöhnen.
Sarrazin ist der erste französische Abfahrtssieger in Kitzbühel, seit 1997 der grosse Luc Alphand triumphierte, der im selben Jahr den Gesamtweltcup gewann und nun unten im Zielraum steht, um seinen Sohn Nils anzufeuern. Und schliesslich vor laufender Kamera seinem Nachfolger zu gratulieren.
Odermatt und das Material
Eigentlich, so waren sich fast alle einig, gab es vor dieser Abfahrt nur zwei Möglichkeiten, was den Sieg betrifft. Sarrazin war die eine, die andere war Marco Odermatt, der an diesem Freitag zu den Geschlagenen gehört, aber seine atemberaubend gute Serie fortsetzt. 13 Rennen bestritt er in dieser Saison, nur eines beendete er nicht auf dem Podest. Nun wird er in Kitzbühel Dritter.
Odermatt und Sarrazin sind zwei, die für Spektakel sorgen, so ist das auch dieses Mal in Kitzbühel. Odermatt geht als Erster der beiden auf die Strecke, bei der Mausefalle gerät er ins Rudern, auch das gleich darauf folgende U-Hackerl gelingt nicht ideal. Odermatt ahnt es, als er ins Ziel kommt und dem führenden Kanadier Cameron Alexander zwölf Hundertstel abnimmt: Das wird eng, gross jubeln mag er nicht.
Odermatts Fahrt aber ist der Beginn der hochklassigen Phase dieses Rennens. Nach dem Schweizer kommt Ryan Cochran-Siegle, einer, der auch schon Rennen gewann, aber nicht zu den Favoriten gehört. Er ist eine Hundertstel langsamer als Odermatt. Es folgt Florian Schieder, noch so eine Überraschung dieser Saison, der Südtiroler übernimmt die Spitze – nur um dann von Sarrazin um fünf Hundertstel geschlagen zu werden.
Odermatt sagt: «Ich bin sehr zufrieden, es war nicht perfekt, und wenn man hier keine perfekte Fahrt zeigt, gewinnt man nicht.» Er habe schon beim ersten Tor gemerkt, dass es nicht ideal gepasst habe. Der 26-Jährige hat Mühe mit dem Set-up, die Abstimmung passt wie schon im Training nicht, es holpert. «Aber das ist keine Ausrede, man kann nicht erwarten, dass man in 30 Rennen 30-mal das perfekte Set-up hat.»
Ein Schweizer mit Nummer 53 begeistert
Deutlich zu sehen ist das bei der Gleitpassage nach dem Steilhang. Gleiten ist ohnehin nicht Odermatts Lieblingsbeschäftigung auf Ski, aber diesmal verliert er gar viel Zeit. Gleich 46 Fahrer sind in diesem Abschnitt schneller als er. Beim Italiener Schieder hingegen läuft der Ski, er entscheidet dort das Rennen um Rang 2, weil er in jenem dritten Sektor Zweitschnellster ist. In Odermatts Worten: «Wenn man hier so viel verliert, kann man das Rennen nicht gewinnen.» Nach diesem missglückten Sektor noch Dritter zu werden, das gelingt wohl auch nur ihm.
Die kleine Lücke im Palmarès aber bleibt noch bestehen, Odermatt ist noch kein Kitzbühel-Sieger. Im Gegensatz zu Sarrazin, dem Mann, der erstmals im Sommer 2022 einen Trainingslauf in der Abfahrt bestritt und nun die wohl verrückteste Geschichte dieses Ski-Winters schreibt.
Da geht der zweitplatzierte Schieder fast etwas unter. Er sieht aus wie ein kleiner Dominik Paris, hat aber auch viel gemeinsam mit Sarrazin. Auch der Südtiroler ist Ende 20, auch er war lange ein Hinterherfahrer wie Sarrazin. Bis er im letzten Jahr aus dem Nichts und mit Nummer 43 in Kitzbühel ebenfalls Zweiter wurde, war sein bester Rang in einer Abfahrt ein dreizehnter.
Und da ist noch Arnaud Boisset. Der junge Walliser startet mit der Nummer 53 und wird nach dem Steilhang und mit sechstbester Zwischenzeit abgewinkt, weil weiter unten an den Netzen gearbeitet wird. Boisset muss zurück an den Start und lange auf seinen Einsatz warten. Am Ende wird er sensationell Neunter, gleich hinter Justin Murisier, dem zweitbesten Schweizer des Tages.
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Der Liveticker zum Nachlesen:
Daniel Danklmaier
Der Österreicher stürzt beinahe, es verdreht ihn komplett. Wenigstens kann er einen Unfall verhindern und schafft es ins Ziel. Allerdings mit über 7 Sekunden Rückstand.
Romed Baumann
Die Deutschen Speed-Fahrer erleben eine schwierige Phase. Spitzenresultate sind derzeit nur ein Traum. Und nun tritt auch noch Thomas Dressen zurück, der heute auf die Abfahrt verzichtet und morgen seine Abschiedsvorstellung gibt. Auch in Kitzbühel läuft es nicht für die Deutschen: Baumann wird noch knapp vor Teamkollege Andreas Sander 17.
Adrien Théaux
Teamkollege Cyprien Sarrazin führt, Routinier Adrien Théaux läuft es nicht ganz so rund. Platz 13 mit 1,75 Sekunden Rückstand.
Nr. 18: Otmar Striedinger
Wieder einmal ein einheimischer Fahrer. Otmar Striedinger holt die Kastanien für das österreichische Team aber nicht aus dem Feuer. Er muss sich vorerst mit Platz 12 begnügen.
Justin Murisier
Der Riesenslalomspezialist kommt in den Speedrennen immer besser in Fahrt. Oben liegt er gar knapp vor Sarrazin – und er hält sich bis ins Ziel gut. Zwischenrang 8 wird es für Justin Murisier, es ist eine Glanzleistung.
Adrian Sejersted
Der erste Norweger ist gestartet. Nach dem Sturz von Aleksander Kilde in Wengen und dem Ausfall des besten Abfahrers der letzten beiden Jahre sind die norwegischen Augen auch auf Adrian Sejersted gerichtet. Er verliert 1,45 Sekunden und setzt sich auf Zwischenrang 10.
Mattia Casse
Der Italiener, der mit Rang 4 im Vorjahr glänzte, muss sich mit Platz 12 begnügen. Sein Rückstand: 2,2 Sekunden. Er beschliesst damit die ersten 15.
Cyprien Sarrazin
So, der nächste Favorit: Der Franzose, der in den Speed-Disziplinen zuletzt Marco Odermatt als Einziger fordern konnte, verdrängt Schieder tatsächlich von der Spitze. Um winzige fünf Hundertstel ist Cyprien Sarrazin schneller. Lesen Sie hier unser Porträt über den wilden Franzosen.
Niels Hintermann
Der Zürcher Unterländer, in einer der zwei Abfahrten im Vorjahr auf Rang 3, scheidet aus. Es scheint, als schmerze ihn etwas, nach dem Lärchenschuss fährt er an einem Tor vorbei.
Florian Schieder
Florian Schieder ist deutlich schneller als Marco Odermatt. Nach dem Gleitstücke liegt der Italiener 52 Hundertstel vorne. 48 Hundertstel sind es noch vor der Traverse. Und es reicht, 29 Hundertstel schneller ist er im Ziel.
Ryan Cochran-Siegle
Mit der Nummer 11 kommt der erste Amerikaner. Und Ryan Cochran-Siegle ist oben fast vier Zehntel schneller als Odermatt, auch beim Hausberg vor der Traverse ist er noch um drei Zehntel vorne – und verpasst die Führung letztlich um eine einzige Hundertstel.
Marco Odermatt
So, jetzt herrscht Hochspannung auf der Streif. Marco Odermatt ist bereit, alles zu riskieren, das wird auf den wilden ersten Fahrsekunden schon deutlich ersichtlich, mehrmals muss er sich akrobatisch retten. So hat sich das der Nidwaldner kaum vorgestellt. Und doch ist er knapp der Schnellste. 12 Hundertstel Vorsprung hat er im Ziel. Es war ein wilder Ritt!
James Crawford
Sein Teamkollege führt, und auch der zweite Kanadier kommt mit der schwierigsten Abfahrt der Welt ziemlich gut zurecht. Allerdings ist der Super-G-Weltmeister nicht ganz so schnell wie Cameron Alexander. James Crawford setzt sich mit 1,29 Sekunden Rückstand auf Zwischenrang 6.
Vincent Kriechmayr
Der Vorjahressieger ist unterwegs – und auch diesmal schnell. Der Österreicher liegt oben 57 Hundertstel vor Cameron Alexander, verliert bis ins Ziel aber viel Zeit. Er kommt nicht vorbei an Alexander und Paris und klassiert sich mit 14 Hundertsteln Rückstand auf Rang 3.
Dominik Paris
Er ist in dieser Saison auf das Podest zurückgekehrt, nachdem der letzte Winter nicht nach seinen Vorstellungen verlaufen war. Und in Kitzbühel hat Dominik Paris ja auch schon gewonnen. Wir sind gespannt.
Es ist der erste richtige Gradmesser für Alexander. Und Paris liefert sich mit dem Kanadier ein enges Rennen. Beim Hausberg liegt er allerdings doch 25 Hundertstel zurück. Im Ziel sind es dann nur noch 12. Rang 2 für Paris.
Bryce Bennett
Der Gröden-Spezialist, dort gewann der grossgewachsene Amerikaner schon zweimal. Nun auf der Streif hat er bereits im obersten Streckenabschnitt einen grossen Rückstand auf Alexander. Besser wird es dann bis zum Ziel auch nicht, Bennett ist zwischenzeitlich Vierter.
Nils Allegre
Der Franzose ist der nächste, er überzeugte im zweiten Training mit Bestzeit. Hier allerdings ist er nicht ganz so souverän unterwegs. Aber zwischen Alexander und Rogentin hats ja Platz. Dort findet sich Allegre ein.
Cameron Alexander
Das war sehr solid vom Kanadier, schon oben nimmt er Rogentin eine halbe Sekunde ab – im Ziel sind es neun Zehntel, ein guter Vorsprung. Alexander übernimmt die Führung.
Andreas Sander
Auch Deutschland ist jetzt vertreten in der Rangliste. Andreas Sander verliert aber viel Zeit, 1,82 Sekunden fehlen auf Rogentin.
Daniel Hemetsberger
Der erste Österreicher ist unterwegs – und er hat unfassbares Glück. Bei der Ausfahrt Steilhang verliert Daniel Hemetsberger kurz die Kontrolle, streift sogar das Netz und kann gerade noch einen Sturz verhindern. Die Zeit ist zweitrangig, er verliert 2,39 Sekunden auf Rogentin.
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