Abfahrt in KitzbühelMonney rast auf der Spektakelpiste auf Rang 2 und sagt: «Es ist etwas frustrierend»
Erstmals in dieser Saison kommt der Sieger einer Abfahrt nicht aus der Schweiz. Es ist ein Überraschungsmann aus Kanada.
Justin Murisier kniet im Zielraum von Kitzbühel nieder. Immer tiefer sinkt sein Kopf. Bis er mit seinen Lippen die Skischuhe von Alexis Monney erreicht hat und sie küssen kann.
Ein Schweizer gratuliert einem Schweizer zum Sieg, das Bild gab es in dieser Abfahrtssaison schon zuhauf. Vier Rennen sind in der Königsdisziplin gefahren in diesem Winter, vier Doppelsiege hat das Team von Swiss-Ski gefeiert. Das hat es noch gar nie gegeben in der 58-jährigen Geschichte des Weltcups.
Und nun also sitzt Monney an diesem wunderbar sonnigen Tag in Kitzbühel auf dem roten Sessel des Leaders. Wieder er, der Überraschungssieger von Bormio, der gemacht zu sein scheint für die schwierigsten Pisten dieser Welt. Für das Gerumpel in der Lombardei und die Spektakelstrecke in Tirol. Der ruhige Fahrstil des Freiburgers ist prädestiniert dafür, er steht dermassen zentral über dem Ski, dass ihn kaum etwas aus dem Gleichgewicht bringen kann. «Ich mag es, wenn es schlägt und eisig ist», sagt er.
Was dazu passt: Es gibt eine Passage auf der gefürchteten Streif, in der nicht allzu viel passiert: der Brückenschuss, ein Gleitstück. 42 Fahrer sind dort schneller als er. Und doch strahlt der Mann nun mit der Sonne um die Wette, der einst im kleinen freiburgischen Skigebiet Les Paccots seine ersten Schwünge zog.
Crawford wird zur Überraschung – aber nur so halb
Gegner um Gegner kommt vorbei, um ihm zu gratulieren. Mit seinen 25 Jahren ist Monney auf dem Weg, sich den wohl grössten Traum eines Abfahrers zu erfüllen. Einmal gerät er wegen eines Kanadiers noch ins Zittern, doch Cameron Alexander landet mit 14 Hundertsteln Rückstand direkt hinter ihm. Und als sich dessen Landsmann James Crawford mit der Nummer 20 aus dem Starthaus stösst, dürften Monneys Schultern von den vielen Klopfern schon etwas geschmerzt haben. Sie werden danach weniger.
Crawford ist noch einmal etwas schneller als der junge Schweizer, um acht Hundertstel. Es ist eine Überraschung, die aber irgendwie ihre Logik hat. Bis zu diesem Samstag hat der 27-Jährige zwar noch kein Rennen im Weltcup gewonnen. 2023 aber ist er in Courchevel Weltmeister im Super-G geworden, er scheint also ein Faible für die ganz grossen Auftritte zu haben. Nun also ist er auch noch Sieger der Hahnenkammabfahrt: James Crawford, den alle nur Jack nennen, weil es der Wunschname seiner älteren Schwester war.
Crawford wächst in Toronto auf, ist in der Jugend auch ein ganz talentierter Eishockeyspieler, für zwei Jahre spielt er an seiner Schule gar mit Connor McDavid zusammen, mittlerweile der beste Spieler in der NHL. «Als ich ihn sah, dachte ich: Okay, vielleicht bin ich doch nicht so gut im Eishockey, wie ich vermutete», sagt Crawford und lacht. Es sei aber schon nicht der Hauptgrund dafür gewesen, dass er auf Skisport gesetzt habe, «es machte mir schlicht auch viel mehr Spass».
In seiner Jugend zieht er in den Wintersportort Whistler, um sich auf seine Skikarriere zu konzentrieren. Crawford erzählt das alles bei einem Gespräch im letzten Winter in einer kleinen Hotellobby in Wengen. Der Kanadier nimmt sich lange Zeit; dass sich jemand in der Skiwelt mit ihm beschäftigt, ist trotz des WM-Titels selten. Zu Hause erkenne ihn auch kaum jemand, erzählt er. «Die Eishockey-, Basketball-, Baseball- oder Curlingspieler? Klar, die sind bekannt. Aber ich? Eher nicht.»
Seine Tante hatte die vierten Plätze satt
Schon seine Tante habe ihm einst gesagt: «Niemand erinnert sich an vierte Plätze. Wenn es irgendwie geht, leg noch etwas drauf.» Seine Tante ist Judy Crawford, einst ebenfalls Skifahrerin. An den Welmeisterschaften 1970 und 1974 sowie an den Olympischen Spielen 1972 wurde sie – genau: Vierte. Ihr Neffe arbeitet derzeit daran, wenigstens etwas mehr Bekanntheit zu erlangen in der Heimat.
Doch allzu viel davon solle es dann nicht werden, sagt Crawford, bei dem in jedem seiner Wörter eine gewisse Demut und Bescheidenheit mitschwingt. Er geniesse auch die Ruhe, dass die Europäer die Aufmerksamkeit auf sich lenkten. Er suche bewusst Abstand zum Sport, um die Konzentration im richtigen Moment wiederzufinden. Es gelingt ihm an diesem Samstag perfekt.
Crawford sorgt dafür, dass der Sieger einer Abfahrt erstmals in diesem Winter nicht aus der Schweiz kommt. Die Bilanz des Teams von Trainer Reto Nydegger ist dennoch eindrücklich: 10 Speedrennen sind bislang gefahren, die Schweiz steht bei 16 Podestplätzen. Österreich, in dieser Tabelle auf Platz 2, kommt gerade mal auf 4 Top-3-Plätze. Eindrücklich ist auch die Breite im Kader, es sind längst nicht mehr nur ein, zwei Fahrer, die glänzen können. Monney ist das beste Beispiel.
Odermatt von den Emotionen übermannt
Er kann einspringen, wenn die Kollegen für einmal einen nicht ganz so guten Tag erwischen. Und dass er, der es vor dieser Saison genau zweimal in die Top 10 geschafft hat, nicht ganz zufrieden ist mit diesem zweiten Rang bei der prestigeträchtigsten Abfahrt, ist Beleg für die Ansprüche, die bei allen im Team gestiegen sind. «Ich war so lange vorne, darum ist das etwas frustrierend», sagt Monney. «Aber klar: Anfang Saison hätte ich sofort unterschrieben, wenn mir jemand diesen zweiten Platz angeboten hätte.»
Wohl eher nicht unterschrieben hätte Marco Odermatt. Der Nidwaldner betonte immer wieder, dass sein letztes grosses Ziel sei, in Kitzbühel zu gewinnen. Und das mit seinen erst 27 Jahren. Er siegt dann auch auf der Streif, am Freitag im Super-G. Er wird jedoch kaum das gemeint haben, als er von seinem letzten grossen Vorhaben gesprochen hat, ein Sieg in der Hahnenkammabfahrt hat einen ungleich höheren Stellenwert.
Dennoch ist der Freitag für Odermatt emotional, bekommt er doch erstmals die Goldene Gams, diese so begehrte Siegertrophäe. Am Abend bei der Siegerehrung hat er gar Tränen in den Augen – noch bevor die Schweizer Nationalhymne abgespielt wird. Vielleicht seien es auch diese Emotionen am Vortag gewesen, dieser Spannungsabfall nach dem Triumph, der dazu geführt habe, dass er nicht zu 100 Prozent habe riskieren können. «Ich fühlte mich sehr locker, aber ich spürte, dass ich heute nicht alles geben kann. Die Fahrt war solid, hätte ich den Fehler im Lärchenschuss nicht gemacht, hätte es vielleicht sogar aufs Podest gereicht», sagt Odermatt. So reicht es ihm zu Rang 6.
Mit Franjo von Allmen als Neunter schafft es noch ein weiterer Teamkollege in die Top 10, Murisier wird Elfter. Es ist ein nächstes starkes Resultat des Schweizer Abfahrtsteams, das aber erstmals in dieser Saison nach dem Rennen eine andere Hymne als die eigene zu hören bekommt.
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Das wars für den Moment!
Und damit sind die besten 30 durch, und wir schnaufen mal durch. Was war das für ein Rennen! Lange sah Alexis Monney wie der Sieger aus, dann passierte es tatsächlich, und er wurde noch verdrängt: James Crawford, der Super-G-Weltmeister, gewinnt zum ersten Mal überhaupt ein Weltcuprennen. Monney bleibt auf Rang 2 und dahinter kommt mit Cameron Alexander gleich noch ein Kanadier.
Das heisst auch: Die Schweiz gewinnt zum ersten Mal in dieser Saison nicht in einer Abfahrt. Bisher hat das Swiss-Ski-Team nämlich alle Abfahrten per Doppelsieg für sich entschieden.
Monney, der Sieger von Bormio, steht diesmal alleine auf dem Podest, weil Odermatt verdrängt wird, auch Daniel Hemetsberger und Miha Hrobat sind schneller als der Nidwaldner, der dieses Rennen unbedingt gewinnen wollte, nun aber Sechster ist.
Franjo von Allmen, von vielen ebenfalls als grosser Favorit genannt, wird Neunter, zeitgleich mit Adrian Sejersted aus Norwegen. Unmittelbar dahinter folgt Justin Murisier.
Und damit verabschieden wir uns aus Kitzbühel. Selbstverständlich halten wir Sie auf dem Laufenden, sollte hier noch etwas passieren. Und in Kürze folgt hier ein ausführlicher Rennbericht. Bis dahin: einen ganz schönen Sonntag und danke fürs Mitfiebern!
30. Romed Baumann
Wie Innerhofer fährt er hier zum 21. Mal eine Abfahrt, der Routinier Romed Baumann. Guter Auftakt vom einzigen Deutschen in den Top-30, dann aber kommt mehr und mehr dazu. Am Ende ist es Zwischenrang 17. Unten winkt er ins Publikum, ob das hier seine Dernière war?
29. Sam Morse
Auch Sam Morse kann hier nichts mehr ausrichten, es wird wohl bei diesem Podest bleiben. Rang 27 für ihn. Gespannt sind wir noch auf Arnaud Boisset und Christian Eichberger.
28. Brodie Seger
Zwei Kanadier haben wir auf dem Podest, ein weiterer kommt hier. Da hat sich ein gutes Team entwickelt. Seger aber wird hier nicht in die Nähe seiner Kollegen kommen. Rang 19.
27. Jared Goldberg
Vor zwei Jahren wurde er hier Vierter, und in dieser Saison stand er ja auch schon auf einem Podest, er ist eine Wundertüte.
Eine halbe Sekunde Rückstand hat er im Brückenschuss, kurzzeitig holt er sogar noch etwas auf, dann aber verliert er mehr und mehr. Das summiert sich alles, Goldberg fährt auf Rang 20.
26. Nils Alphand
Bei ihm wäre gestern ein Spitzenresultat drin gelegen, dann aber krachte er beim Hausberg in eine Bande. Mit acht Zehnteln Rückstand kommt er zu dieser Stelle, das ist etwas mehr als gestern. Auch er klassiert sich in den Regionen der Fahrer vor ihm. Rang 15.
25. Elian Lehto
Der Finne, der mit den Schweizern trainiert und deswegen auch etwas Schweizerdeutsch spricht. Sechster wurde er hier im letzten Training und Elfter in den Abfahrten von Kitzbühel letztes Jahr.
Hier wird es wohl kein so gutes Resultat, er ist ähnlich schnell wie Théaux und Innerhofer unmittelbar vor ihm. Rang 19.
24. Christof Innerhofer
Er sorgte ja gestern für Aufsehen mit einer Topleistung im Super-G. Dies ist seine 21. Abfahrt in Kitzbühel, das ist eine ziemliche Nummer.
Wie Théaux ist auch er schon 40, und es gelingt ihm hier kein schlechter Auftritt. Ähnlich schnell wie Théaux vor ihm, mit den Top-10 wird es wohl nichts, Rang 18 für Innerhofer.
23. Adrien Théaux
40 ist der Routinier mittlerweile und offensichtlich noch kein bisschen müde, er gewann auch schon drei Abfahrten in seiner Karriere. Wird er Crawford gefährlich?
Der Franzose zeigt eine solide Fahrt, fürs Podest wird es kaum reichen, aber die Top-10 liegen drin bei Théaux. Am Ende verliert aber doch noch etwas mehr Zeit, Rang 15 für ihn.
22. Adrian Sejersted
Er wurde gestern ja mit einer hohen Nummer Sechster, das war eine ziemliche Ansage. Oben hat er schon mal etwas Vorsprung auf Crawford. Dann wird daraus aber bald ein Rückstand.
Bei Rennhälfte ist es eine gute halbe Sekunde bei Sejersted, dann häufen sich die Zehntel beim Norweger. Am Ende ist es Rang 9.
21. Lars Rösti
Wir nehmen das doch als gutes Omen für Lars Rösti, mal schauen, was der hier ausrichten kann.
Die Einfahrt in den Steilhang misslingt komplett, es kommt ganz viel Zeit zusammen bei Rösti. Am Ende reiht er sich ganz hinten ein.
20. James Crawford
Kanada steht auf dem Podest, Kanada ist auf der Piste: James Crawford.
Auch er ist nach dem Steilhang ganz nah an Monney dran und wie gehabt holt er danach sogar noch auf. Monney kann sich hier noch gar nicht sicher sein. Zwischenzeitlich liegt Crawford 35 Hundertstel vorne.
Das wird richtig eng! Mit einer Viertelsekunde kommt Crawford in den Zielhang! Es reicht! Acht Hundertstel Vorsprung!
19. Otmar Striedinger
So, noch ein Österreicher, Otmar Striedinger. Ob er hier etwas ausrichten kann?
Auch er holt bei der Gleitpassage auf, Stand jetzt hat Monney in diesem Sektor übrigens die langsamste Zeit. Striedinger hält den Rückstand in Grenzen, beim Hausberg aber sind es sieben Zehntel. Da kann sich auch Hemetsberger sicher sein auf dem Podest. Zwischenrang 11 für Striedinger.
18. Maxence Muzaton
Tja, und wir fragen uns, ob hier noch jemand Chancen auf das Podest haben könnte. Bei Hemetsberger hätte es ja auch keiner geschafft. Wir schauen mal, was Maxence Muzaton hier erreicht.
Wow, was ist denn das? 44 Hundertstel Vorsprung bei Muzaton! Dann noch 36, das wäre ja eine dicke Überraschung!
Erst unten wendet sich das Blatt etwas, mit 25 Hundertsteln Rückstand kommt Muzaton in den Zielhang. Und dann ist es doch «nur» Rang 6. Aber wenn es einem mal gelingt, das von oben bis unten durchzuziehen, ist hier noch gar nichts sicher.
17. Marco Kohler
Mal schauen, vielleicht mischt ja gleich der nächste Schweizer vorne mit: Marco Kohler auf dem Weg! Er hat das zweite Training ja ausgelassen, wie Rogentin lag er noch flach anfangs Woche. Es ist eine holprige Fahrt von Kohler mit einigen Schreckmomenten. Aber er kommt unbeschadet ins Ziel, über zwei Sekunden verliert er.
16. Daniel Hemetsberger
Die Topgruppe ist durch, und es ist ja schon eine Seltenheit: Kein Österreicher gehört dazu. Babinsky startete vor den Besten, Hemetsberger kommt unmittelbar danach.
Super Zeit von Hemetsberger nach dem Steilhang, bloss neun Hundertstel fehlen ihm da auf Monney! Und er holt noch mehr auf! Dann legt er sogar noch vor, der Hemetsberger, wird das der Erfolg für Österreich?
Es wird schwierig, fürs Podest könnte es reichen! Tatsächlich, Hemetsberger auf Rang 3!
15. Ryan Cochran-Siegle
Und gleich der nächste Amerikaner: Ryan Cochran-Siegle, auch er hat schon einen Podestplatz vorzuweisen in dieser Saison. Holpriger Start von ihm, der hier auch schon übel abflog. Über eine Sekunde Rückstand nach der Ausfahrt Steilhang, das wird wohl nicht gefährlich für Monney, Alexander und Hrobat, die momentan die Podestplätze haben. Ja, 1,37 Sekunden für Cochran-Siegle.
14 Bryce Bennett
Der amerikanische Routinier gehört ebenfalls zur Top-Gruppe in der Abfahrt. Gleich nach der Mausefalle hat er aber Mühe, gerät zu tief und verliert viel Zeit. Der 32-jährige 2-Meter-Mann muss sich mit Zwischenrang 13 zufrieden geben. Sein Rückstand: 1,73 Sekunden.
13. Cameron Alexander
Murisier ist bei Monney angekommen und küsst ihm die Füsse – wortwörtlich. Schön, welche Stimmung im Schweizer Team herrscht. Oben kommt einer, den man immer irgendwie im Blick haben muss: Cameron Alexander, der unauffällige Kanadier.
Elf Hundertstel Vorsprung beim Seidlalmsprung! Dann 21, das wird gefährlich.
Der Vorsprung schmilzt, aber es ist halt ein Vorsprung! Beim Hausberg liegt Alexander aber 15 Hundertstel zurück, 17 bei der Einfahrt in den Zielschuss. Und es ist tatsächlich Rang 2!
12. Dominik Paris
Er ist der einzige Kitzbühel-Sieger am Start – in der Abfahrt zumindest. Egal, wie gut er drauf ist, auf der Streif muss mit ihm gerechnet werden. Schauen wir mal, ob er Monney hier gefährlich werden kann.
Oben ähnlich wie Murisier, dann holt auch er im Gleitstück massiv auf, gleich zwei Zehntel schneller ist er da als Monney. Und er kommt noch näher, dann aber verliert er kurz die Linie und hat beim Lärchenschuss Glück, das Tor noch zu erwischen.
Das kostet ihn wohl das Podest. Ja, so ist es, grosser Rückstand im Ziel: Rang 7 für Paris, noch vor den Landsmänner Schieder und Casse.
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