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6 Gründe für die Insel
Allein die Küche ist eine Reise nach Taiwan wert

Ein farbenprächtiger Drache aus Keramik erhebt sich auf einem Tempeldach, im Hintergrund sind Berge und ein Wolkenkratzer im Nebel zu sehen.
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Weil man sich hier glücklich essen kann

Da liegen sie, braun und mit kaputter Schale, im dunklen Sud. Und sehen für europäische Augen ein bisschen eklig aus. Wer isst denn so was? Offenbar alle hier. Die Tee-Eier, auf Kochblogs meist mit dem Zusatz «chinesisch» versehen, findet man in Taiwan praktisch überall, am Strassenstand wie im 7-Eleven. Sie werden zweimal gekocht, zuerst mit intakter, dann mit zerschlagener Schale in einer Brühe aus Tee, Sojasauce und Gewürzen. Und wie schmecken sie? Ungewohnt – und richtig gut!

Gekochte, rissige Eier in dunkler Sojasauce auf einem Herd.

Die taiwanische Küche allein wäre ein Grund, das Land zu besuchen. Was hier gekocht wird, ist zum einen eine gelungene Fusion aus chinesischen und japanischen Einflüssen. Ein halbes Jahrhundert lang, von 1895 bis 1945, stand Taiwan unter japanischer Kolonialherrschaft. Vor allem aber prägten Einwanderer, die seit dem 17. Jahrhundert aus verschiedenen Regionen Chinas auf die Insel kamen, die Küche. Diese ist somit auch eine Essenz der chinesischen Kochkulturen.

Wie in China üblich, sitzen auch in Taiwan Familien oder Freunde gern am runden Tisch, teilen, was in Schüsselchen gebracht wird, und essen es mit Stäbchen. Rülpsen ist erlaubt, Nase putzen hingegen bei Tisch nicht gern gesehen. Stehen irgendwo Einheimische Schlange, etwa in Taipehs Ausgehmeile Hai’an Road, gibt es dort bestimmt das gerade beste panierte Schnitzel, die besten gefriergetrockneten Erdbeeren, die beste Rindfleischsuppe.

Im Süden der Insel, in Tainan, kommt dann mehr Meeresgetier auf den Teller: Austern im Omelette oder Garnelen, die in Bassins gezüchtet werden. Auch auf den Nachtmärkten sieht man Menschen Garnelen fischen. Tainan übrigens gilt als «gezuckerte Stadt», sie war schon immer ein wichtiger Handelsposten, wohlhabend durch den Anbau von Zuckerrohr. Also sich nicht wundern, wenn im Süden der Bubble Tea süsser schmeckt als im Norden.

Weil man bequem durchs Land kommt

Bahnfahren in einem Hochtechnologieland geht so: Auf dem Ticket steht, dass der Schnellzug um 10.46 Uhr abfahren wird. Um 10.42 Uhr rauscht der pfeilförmige Shinkansen in den unterirdischen Bahnhof von Taipeh. Man steht da bereits in der Schlange, passgenau bei jenem auf den Boden gezeichneten Pfeil, der zu der Tür führt, durch die man gleich – ohne Drängeln, ohne Hektik – seinen Koffer schieben wird. Den nimmt man mit zu seinem Platz und stellt ihn vor sich; die Sitze lassen trotzdem genug Beinfreiheit.

Auch sonst ist es unkompliziert, in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein: Durch Taipehs Metro kommt man gut mit der aufgeladenen Easy Card; zu vielen Sehenswürdigkeiten wie dem Sonne-Mond-See oder dem Kenting-Nationalpark fahren eigens eingerichtete Shuttlebusse.

Im Zug ist Lärm zu vermeiden. Die Zugbegleiterin kommt zum Sitz und bittet darum, die Konversation leiser fortzuführen. Wie peinlich. Die anderen im Waggon haben den Lärmschutz vorbildlich umgesetzt: Kopfhörer auf, Video an. Sogar der Hund von nebenan, vorschriftsmässig im Hundetrolley verstaut, bellt kein einziges Mal während der etwa zweieinhalbstündigen Fahrt.

Weil alles liebevoll organisiert ist

Unterwegs zum Shilin-Nachtmarkt, dem bekanntesten in Taipeh, durch den bis spät am Abend die Besucher flanieren. Man steigt von der Metrostation Jiantan empor, muss nur über eine Kreuzung – die aber hat es in sich. Ein Gewusel an Menschen und Autos in einer Dichte, wie man sie aus Kairo kennt. Dort müsste man jetzt todesverachtend die Fahrbahn queren.

In Taipeh hingegen geht niemand einfach so über die Strasse: An der Ampel läuft ein Countdown. Wird es knapp, fängt das grüne Männchen an zu rennen. Der Ton wird schriller, und auf die Nachzügler passen Sicherheitsleute mit Leuchtstab in der Hand auf.

Belebter Shilin-Nachtmarkt in Taipeh mit vielen Menschen, Kleidungsgeschäften und bunten Lichtern.

Die Ordnungsliebe in Taiwan mag zu einem Teil auf die japanische Besatzungszeit zurückzuführen sein. In jedem Fall aber hält sich hier eine Gesellschaft an Regeln, die sie sich selbst gegeben hat – anders als in China, wo ein absolutistischer Machtapparat seine Bürger überwacht und gängelt. Taiwaner sind stolz auf die Demokratie. Und auf die Sauberkeit im Land. An jeder Raststätte findet man Toiletten, die man auch nutzen möchte. Und die WCs im Hotel haben – ach! – Sitzheizung.

Was anfangs irritiert: Fast jeder trägt im öffentlichen Raum nach wie vor einen Mundschutz – aus Selbstschutz wie aus Rücksichtnahme. Diese Achtsamkeit in ihrer Heimat ist etwas, das Lydia Huang unter anderem bewogen hat, nach Taiwan zurückzukehren. Jahrzehntelang hat Huang in den USA als Lehrerin gearbeitet, jetzt führt sie Touristen in Taipeh durch den «geheimen Tunnel» des Grand Hotel, eines riesigen, einem chinesischen Palast ähnelnden Bauwerks.

Lydia Huang arbeitet als Volunteer, so wie viele pensionierte Taiwaner das tun. Sie bekommen vom Staat dafür Vergünstigungen. «Und ich bin unter interessanten Leuten», sagt sie. Der Geheimgang, der bis zur Pandemie nicht zugänglich war und heute Gästen gezeigt wird, weil sich damit Geld verdienen lässt, führt den Berg hinunter. Über Treppen und eine 20 Meter lange Rutschbahn sollte, so der Gedanke der Erbauer, im Falle einer chinesischen Invasion das Hotel evakuiert werden.

Das Verhältnis zwischen den Ländern ist besonders angespannt, seit sich bei der Präsidentenwahl im Januar 2024 mit Lai Ching-te der Kandidat der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei gegen jenen der chinafreundlichen Kuomintang (KMT) durchgesetzt hat.

Weil Geschichte und Kultur faszinierend sind

Sonntagmorgen in Tainan: Um sechs Uhr wacht man auf, weil zwei Militärflugzeuge über den Himmel der Küstenstadt dröhnen. Man kann also davon ausgehen, dass die chinesische Volksbefreiungsarmee Flieger an die taiwanische Grenze geschickt hat – eine Machtdemonstration, die Taiwan damit beantwortet, dass es selbst Kampfjets aufsteigen lässt.

Die Volksrepublik China beansprucht den Inselstaat, der sich selbst als Republik China bezeichnet, als Teil des eigenen Territoriums – und lässt ihn dies immer wieder spüren. In Taiwan haben die Menschen unterschiedliche Auffassungen dazu, wie viel Nähe zu China gut ist. Viele Familien stammen ursprünglich vom Festland und wollen ein gutes Einvernehmen mit dem grossen Nachbarn.

Das Chiang Kai-shek Memorial Hall in Taipeh mit Treppen und gepflegten Gärten. Im Hintergrund ist der Wolkenkratzer Taipei 101 zu sehen.

Um all das zu verstehen, sind Besuche an ein paar Orten nützlich: In der Nationalen Chiang-Kai-shek-Gedächtnishalle in Taipeh wird einerseits versucht, den einstigen Führer der Kuomintang, die das Land autoritär regiert und Massaker zu verantworten haben, nicht zu verklären. Gleichzeitig erfreuen sich hier viele Einheimische an einem militärischen Ritual, das für Aussenstehende aus der Zeit gefallen zu sein scheint: dem «changing of the guards».

Für das Nationale Palastmuseum, dessen Hauptsitz ebenfalls in Taipeh ist, sollte man mehrere Stunden einplanen, um all die wertvollen Kalligrafien, Bronzen, Elfenbeinschnitzereien und Vasen aus zig chinesischen Dynastien zumindest ansatzweise sehen zu können. Das Museum beherbergt die weltweit grösste Sammlung chinesischer Kunstwerke. Die Exponate waren früher Teil der kaiserlichen Kunstsammlung; Chiang Kai-shek brachte sie nach Taiwan, als er 1949 vom Festland floh.

Zu den populärsten Ausstellungsstücken zählen der unfassbar echt wirkende «Jadekohl» und der daumengrosse «Fleischstein» aus Achat, der mit seiner Maserung wie ein in Sojasauce gekochtes Stück Schweinefleisch aussieht.

Jadeitkohl aus der Qing-Dynastie im Nationalen Palastmuseum Taiwans, kunstvoll aus grünem und weissem Jadeit geformt.
Jaspisstein in Form eines Stücks Schweinefleisch, ausgestellt im Nationalen Palastmuseum in Taipei.

Weil man hier weiss, wie man sich in Szene setzt

Im Park neben der Chiang-Kai-shek-Gedächtnishalle blühen die Kirschbäume. Darunter: Frauen im Kimono. Es gibt hier einen Kostümverleih. Und genügend Kundschaft, die sich in Retro-Optik fotografieren (lassen) möchte. Taiwaner setzen sich selbst gern in Szene – und haben in der Regel auch nichts dagegen, von Gästen fotografiert zu werden.

Zur Perfektion gebracht wird der Bilderrausch im Wolkenkratzer Taipei 101. Im Turm ist alles mit Plastikblumen, Plastikherzen und Engelsflügeln dekoriert: Selfieplätze überall. Das Gebäude, das in seiner Form an eine sich nach oben verjüngende Bambusstange erinnern soll, war mit 508 Metern bis 2007 das höchste Gebäude der Welt, mittlerweile hat ihm der Burj Khalifa in Dubai den Rang abgelaufen.

Nächtliche Skyline von Taipei mit beleuchtetem Taipei-101-Wolkenkratzer und buntem Stadtpanorama.

Die oberen Etagen waren früher Staatsgästen vorbehalten. Seit der Pandemie, als weniger Gäste kamen, darf man gegen Aufpreis ganz hinauf. Weil Taiwan in einer extrem erdbebengefährdeten Region liegt – und man hier entsprechend baut –, wird das Gebäude im Inneren durch einen freischwebenden seismischen Dämpfer in Form einer goldenen Halbkugel stabilisiert.

Ein asiatisches Paar macht ein Selfie vor einer Wand mit roten Laternen bei Nacht.

Ein riesiges Selfie-Areal ist auch das Laternenfestival, das jedes Jahr an einem anderen Ort im Land veranstaltet wird. Es ist ein Grossereignis mit bis zu 15 Millionen Besuchern, das sogar vom Staatsoberhaupt eröffnet wird. 2025, im Jahr der Schlange, wird Taoyuan die gastgebende Stadt sein (12. bis 23. Februar).

Die Bedeutung, die das Festival für Taiwaner hat, erschliesst sich Europäern nur schwer. All die beleuchteten Figuren, Tiere, Fabelwesen erfreuen vermutlich einfach das Herz und garantieren einen Moment der Unbeschwertheit. Eines soll das Festival jedenfalls nicht sein: politisch.

Weil Taiwaner mit den Göttern sprechen

Wer in Taiwan einen Tempel besucht, dem werden unweigerlich diese roten, halbmondförmigen Holzteile auffallen. Die Menschen nehmen sie in die Hand, schliessen die Augen, richten eine Frage an die Götter – und werfen die Mondblöcke, die in China Jiaobei heissen, auf den Boden. «Poe-Wahrsagung» heisst das Ritual in Taiwan.

Die Gläubigen erhoffen sich eine Antwort, je nachdem, wie die Hölzer fallen. Manchmal sagen die Götter «Ja», manchmal «Nein», manchmal bleiben sie unentschlossen – dann «lächeln» die Götter, wie es hier heisst – und der Hilfesuchende muss seine Frage abwandeln.

Auf zwei Handflächen liegt je ein roter Halbmond aus Holz.

Man kann das gut für Humbug halten. Viele Menschen in Taiwan glauben allerdings fest daran. Das Land hat im Gegensatz zu China keine Kulturrevolution durchlebt, zahlreiche ursprünglich chinesische religiöse Traditionen sind bis heute lebendig.

Oft findet man konfuzianische und taoistische Rituale vermischt mit Buddhismus und Elementen chinesischer Volksreligion. Was zu einer Anhäufung von Gottheiten führt. In Taipehs ältestem Tempel – Longshan – werden mehr als hundert verehrt, für jedes Alltagsproblem findet sich ein Gott.

Die Recherchereise für diesen Artikel wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluggesellschaften und/oder Tourismusagenturen.