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36. SVP-Albisgüetli in Zürich
Blocher singt und sagt: «Das war meine letzte Albisgüetli-Rede»

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Jahr für Jahr, 36-mal hat der SVP-Vordenker Christoph Blocher seine programmatische Rede auf dem Albisgüetli am Fuss des Uetlibergs gehalten. Und als er am Freitagabend etwas nach 20 Uhr fertig war, überraschte er alle Anwesenden.

Er sei nun in seinem 84. Lebensjahr, sagte er. «Wahrscheinlich werde ich nicht mehr so lange leben, wie ich schon gelebt habe.» Deshalb sei dies seine letzte Albisgüetli-Rede gewesen, kündigte er an.

Darauf ging ein grosses Raunen durch den voll besetzten Saal. Und Blocher gab noch einen drauf: Nun werde er singen statt reden. Dann sang er zur Melodie von Ruedi Rymanns Lied «Schacher Seppli» einen eigenen Text und verabschiedete sich so von der Schützenhausbühne. Am Ende erntete er – natürlich – tosenden Applaus und Standing Ovations.

36-mal? Kurz vor seiner Rede hatte Blocher dem Schreibenden gebeichtet, dass es eigentlich schon die 37. Albisgüetli-Tagung war. Die erste Ausgabe fiel aber aus der (SVP-)Geschichtsschreibung heraus, weil sie ein Flop war. Oder wie er sagte: eine «Nulllösung, ein Probelauf». Er hielt zwar schon damals eine Rede, doch wer der Gegenredner war, weiss Blocher gar nicht mehr. Vor allem aber endete der Anlass im Chaos, weil ein Selbstbedienungskonzept herrschte. Doch schon 1988 kamen 500 Personen. «Stellen Sie sich vor: 500 Personen müssen anstehen fürs Essen.» Seither wird am Albisgüetli bedient.

Alt Bundesrat Christoph Blocher, Mitte, singt an der 36. Albisguetli-Tagung der SVP, aufgenommen am Freitag, 19. Januar 2024 in Zuerich. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

Was aber Blocher noch genau weiss: Die Veranstaltung hatte Protestcharakter. Es war die Zeit der Armee-Abschaffungs-Initiative, und Blochers Ansinnen war «eine Demonstration des Schweizer Wehrwillens», wie er sagt. Und deshalb habe er das Schützenhaus Albisgüetli als Ort des Geschehens ausgewählt.

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Dieses Schützenhaus war wie immer ausverkauft. Neben rund 200 Gästen zahlten weitere 1008 SVP-Mitglieder den Preis von 95 Franken für Apéro und Znacht ohne Getränke. Dass der Spass satte 20 Franken oder 27 Prozent mehr kostet als vor dem Jahr 2020, hielt also die wenigsten ab.

Natalie Rickli hört sich ein Anliegen aus dem Parteivolk an.

Wer war dieses Jahr dabei neben allen üblichen (Zürcher) Verdächtigen wie Hauptredner Blocher, etlichen gewählten Politikerinnen wie Natalie Rickli oder nicht mehr aktiven Politikern wie Alt-Ständerat Hans Hofmann? Kam etwa Marcel Dettling – der Topfavorit als Nachfolger des (wegen Grippe abwesenden) Parteipräsidenten Marco Chiesa`? Oder Henrique Schneider, der wegen einer Plagiatsaffäre beim Gewerbeverband als neuer Direktor gestrauchelt ist und nun ab März Generalsekretär der SVP Schweiz wird? Kamen auch Linke, um den SP-Ständerat und Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard zu unterstützen, der die Gegenrede hält? Und: Tauchten auch Freisinnige und Mitte-Politikerinnen auf, obwohl keine Wahlen anstehen wie letztes Jahr (als auch Stimmen aus der SVP willkommen waren)? Kam AfD-Politikerin Alice Weidel, so wie letztes Jahr?

Einziger amtierender Bundesrat im Saal: Albert Rösti macht dem Albisgüetli seine Aufwartung.

Nun, Dettling war da, auch Bundesrat Albert Rösti oder Regierungsrat Ernst Stocker waren anwesend, Schneider und Weidel aber wurden nicht gesichtet. Genauso wenig wie Bundespräsidentin Viola Amherd, die eingeladen worden war, aber absagte, weil sie am WEF zu tun hatte. «Feige Socke», kommentierte Werner Gartenmann, der frühere Zürcher Parteisekretär und aktuelle Pro-Schweiz-Geschäftsleiter. Der letzte Mitte- beziehungsweise CVP-Bundespräsident als Albisgüetli-Redner war übrigens Arnold Koller vor nicht weniger als 27 Jahren. Nicht-SVPler waren deutlich weniger da als vor Jahresfrist. Regierungsrätin Carmen Walker Späh hielt die freisinnige Fahne hoch.

Redner und Gegenredner vor dem Showdown: Christoph Blocher und Pierre-Yves-Maillard im Albisgüetli.

SP-Ständerat und Blocher-Gegenredner Pierre-Yves Maillard erhielten Unterstützung von Parteikollegin Sylvie Matter. Sie ist derzeit als Präsidentin des Kantonsrats die höchste Zürcherin, betonte aber sofort: «Die Giraffen im Zürcher Zoo sind grösser.» Dieses Motiv liess sich der Zoo übrigens nicht entgehen: So wirbt dieser mit Matter – übrigens nicht verwandt mit dem anwesenden SVP-Nationalrat Thomas Matter –, der (im Albisgüetli nicht anwesenden) Stadtzürcher Gemeinderatspräsidentin Sofia Karakostas (SP) und einer Giraffe.

Originelle Werbung des Zoos mit der höchsten Stadtzürcherin Sofia Karakostas (links) und der höchsten Zürcherin Sylvie Matter.
SP-Kantonsrätin Sylvie Matter (in der Mitte) hat die Einladung der SVP angenommen, neben ihr: SVP-Nationalrat Mauro Tuena.

Sylvie Matter hatte keine Mühe, zu sagen, sie werde für die 13. AHV-Rente stimmen. Da war sie aber ziemlich allein. Obwohl gemäss Umfrage sieben von zehn SVP-Wählenden ein Ja zur Gewerkschaftsinitiative in die Urne werfen werden, ist das SVP-Establishment dagegen. Nationalrat Alfred Heer sagte: «Ich stimme Nein» und warf nach: «Ich würde es zugeben, wenn ichs nicht täte.»

Die frühere Regierungsrätin Rita Fuhrer begrüsst ein Parteimitglied.

Auch Alt-Regierungsrätin Rita Fuhrer warb für ein Nein: «Ich habe drei Söhne und – bis jetzt – fünf Enkel. Es würde auf ihre Kosten gehen, wenns ein Ja gibt.» Ähnlich argumentierte der frühere Regierungsratskollege Markus Kägi. Er hat übrigens ein neues Betätigungsfeld gefunden: Zusammen mit Alt-Nationalrat Hans Egloff reaktiviert er den Verein Aktive Senioren Zürich, der in ihrer Hochzeit zwei Kantonsratsmitglieder stellte.

Der frühere Regierungsrat Markus Kägi (hier mit Silvia Blocher) reaktiviert die Aktiven Senioren.

Viele andere äusserten sich ähnlich zur 13. AHV-Rente. Der frühere Nationalrat Toni Bortoluzzi meinte: «Die meisten Rentner brauchen das Geld nicht. Und jene, die es brauchen, erhalten schon Ergänzungsleistungen.»

Ex-Nationalrat Toni Bortoluzzi: «Die meisten Rentner brauchen das Geld nicht.»

Um es im SVP-Wording zu sagen: Während die SVP-«Classe-politique» Nein sagt, geniesst die linke Initiative beim Fussvolk der Partei offenbar viel Sympathie.

SVP-Kantonsrat Pierre Dalcher musste schon unten durch und bekennt: «Ich werde für die 13. AHV-Rente stimmen.»

Nur einer hatte im Albisgüetli den Mut zu sagen: «Ich werde Ja stimmen.» Es war Kantonsrat Pierre Dalcher. Er war einmal arbeitslos und erhielt als 58-Jähriger bei Brille Fielmann nochmals die Chance, beruflich einzusteigen. «Ich habe viel Kontakt mit weniger Privilegierten», sagte Dalcher. «Und diese brauchen das Geld.» Die Finanzierung der AHV sei «ohnehin ein Problem» – egal, ob die Gewerkschaftsinitiative durchkommt oder nicht.

Mauro Tuena kauft wie immer etliche Tombola-Lose.

Andere Sorgen hatte Nationalrat Mauro Tuena. Er ist seit vielen Jahren Tombola-Enthusiast und brauchte die Hilfe von gleich drei Frauen, um per Twint die 90 Franken für die Lose zu zahlen. Wer weiss, vielleicht gewinnt er ein Wochenende in Arosa – den 1200-Franken-Preis hat er zusammen mit Kantonsrat Karl Heinz Meyer gespendet.

Und da ging Christoph Blocher nach seiner letzten Rede im Schützenhaus Albisgüetli.