Abstimmung Zürich und Winterthur: MindestlohnIn Zürich und Winterthur stimmen zwei Drittel für den Mindestlohn
In Zürich bekommt man neu mindestens 23.90 Franken pro Stunde, in Winterthur 23 Franken. Bisher kannten nur ganze Kantone den Mindestlohn.
Das Wichtigste in Kürze:
Die Stadtzürcher Stimmenden haben dem Mindest-Stundenlohn von 23.90 Franken mit 69,4 Prozent zugestimmt.
Das Winterthurer Stimmvolk hat einen Mindestlohn von 23 Franken mit 65,5 Prozent gutgeheissen.
Der Ansatz soll in den beiden Städten eingeführt werden. Sie sind die ersten Städte der Schweiz, die einen Mindestlohn einführen.
Rund 17'000 Personen verdienen in Zürich weniger als 23.90 Franken, etwa 3600 Menschen in Winterthur weniger als 23 Franken in der Stunde.
Zusammenfassung
Die Eckwerte sind sehr ähnlich: In Zürich gilt neu ein Mindestlohn von mindestens 23.90 Franken pro Stunde, in Winterthur sind es 23 Franken. In Zürich stimmten über 69 Prozent der Bevölkerung dafür, in Winterthur sind es gut 65 Prozent. In Zürich lag die Stimmbeteiligung bei 46,8 Prozent, in Winterthur bei 48 Prozent. Der Mindestlohn soll es Menschen, die Vollzeit arbeiten, ermöglichen, von ihrem Lohn zu leben.
Dass das Ergebnis in beiden Fällen so deutlich ausgefallen ist, hat Beobachter überrascht. In beiden Städten wurde die Vorlage in sämtlichen Wahlkreisen angenommen. In Zürich ist der Gegenvorschlag zur Mindestlohn-Initiative zur Abstimmung gelangt, in Winterthur ist es die ursprüngliche Initiative von SP, Grünen, AL und Gewerkschaften.
Nicht mehr unter 4100 Franken im Monat
Die Differenz zwischen dem stärksten und dem schwächsten Ergebnis lag in Zürich bei gut 18 Prozentpunkten: Die bürgerlich geprägten Stadtkreise 7 und 8 verzeichneten gut 60 Prozent Ja-Anteil, in den linken Kreisen 4 und 5 waren es gut 78 Prozent. In den Winterthurer Wahlkreisen schwankte der Ja-Anteil zwischen 56 und 71 Prozent. In Kloten wurde im Herbst 2021 über die gleiche Initiative abgestimmt, damals resultierte mit 52 Prozent ein knappes Nein.
Der geforderte Mindestlohn entspricht hochgerechnet auf ein volles Arbeitspensum rund 4100 bis 4300 Franken pro Monat. Profitieren werden Angestellte in Tieflohnbranchen wie Reinigung, Gastronomie oder Detailhandel. In der Stadt Zürich verdienen laut Angaben der Stadt derzeit knapp 17'000 Angestellte, mehrheitlich Frauen, weniger als den Mindestlohn. In Zürich gilt die Mindestlohn-Vorschrift nicht für Lernende, Praktikanten und Praktikantinnen sowie unter 25-Jährige ohne Erstausbildung. In Winterthur sind es 3600 Personen, die weniger als 23 Franken in der Stunde verdienen.
Auswirkungen unklar
Im Vorfeld der Abstimmung warnten bürgerliche Gegner der Vorlagen, im Fall einer Annahme würden Arbeitsplätzen verlagert. In Genf, wo der Mindestlohn auf kantonaler Ebene eingeführt wurde, beobachtete man jedoch vor allem positive Effekte. Eine neue Studie in Basel hat differenziert beobachtet, wie sich der Mindestlohn auf die Stadt auswirkt. Die Gegner der Vorlagen äusserten auch rechtliche Bedenken.
Ob ein kommunaler Mindestlohn rechtlich überhaupt zulässig ist, steht nicht zweifellos fest. Das Bundesgericht hat in früheren Entscheiden kantonale Mindestlöhne als zulässig bezeichnet, solange diese sozialpolitische Ziele verfolgen. Für kommunale Mindestlöhne liegt hingegen kein solcher Entscheid vor. Ein Rechtsgutachten zur Mindestlohn-Initiative kam zwar zum Schluss, dass kommunale Mindestlöhne zulässig seien. Das Gutachten wies aber auch auf einzelne Punkte hin, die rechtlich problematisch sein könnten.
Fall für Gerichte?
Die Gegner des kommunalen Mindestlohns in Zürich haben im Vorfeld der Abstimmung auf mögliche rechtliche Probleme hingewiesen. Ob sie nun tatsächlich gegen die Einführung des Mindestlohns klagen wollen, stand am Sonntag nach Bekanntgabe der Abstimmungsresultate noch nicht fest.
Alle Kreise ausgezählt
Das höchste Resultat wurde wie erwartet im Kreis 4 und 5 erzielt. Ganze 78.7 Prozent nehmen dort den Mindestlohn an. Das Endresultat über alle Stadtkreise hinweg beträgt 69.4 Prozent. Angesichts des grossen Widerstandes von bürgerlicher Seite ist dieses Resultat doch überraschend – und kann als ein Votum für den sozialen Ausgleich betrachtet werden.
Sogar das Seefeld ist für einen Mindestlohn
Auch das Resultat in den Kreisen 7 und 8 ist eindeutig: 60 Prozent stimmen dem Mindestlohn zu. Das ist ein doch deutliches Signal, gilt das Seefeld doch als FDP-Hochburg in der Stadt Zürich. Auch hier lag die Wahlbeteiligung bei 55 Prozent.
SP-Wermuth jubelt
Die Gewerkschaften und die SP bejubeln das klare Resultat auf Twitter. SP-Co-Präsident Cedric Wermuth spricht von einem «historischen» Moment.
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Währenddessen steigt die Zustimmung weiter. Auch die Kreise 1 und 2 nehmen den Mindestlohn mit 65.7 Prozent an.
Zürich nimmt Mindestlohn an
Auch die Kreise 9 (70 Prozent) und 11 (66.8 Prozent) nehmen mit einer grossen Mehrheit den Mindestlohn an. Nun fehlen nur noch die Kreise 1 und 2, 4 und 5 und 7 und 8. Doch auch wenn diese Kreise den Mindestlohn überraschend ablehnen würden, könnte das Resultat nicht mehr gekippt werden. Damit bekommt auch Zürich einen städtischen Mindestlohn in Höhe von 23.90 Franken.
Kreis 6 und Kreis 12 stimmen deutlich zu
Auch die Kreise 6 und 12 stimmen dem Mindestlohn mit rund 70 Prozent Ja-Stimmen deutlich zu. Damit liegt die Zustimmung zum Mindestlohn im Durchschnitt bei über 70 Prozent. Auffällig ist die grosse Wahlbeteiligung, die fast in allen Kreisen bisher bei rund 50 Prozent liegt.
Erste Zürcher Resultate
Die ersten ausgezählten Zürcher Kreise nehmen den Mindestlohn deutlich an. Der Kreis 3 sagt mit 76.5 Prozent Ja. Auch der Kreis 10 nimmt mit 70.3 Prozent (9003 Stimmen) die Vorlage über einen städtischen Lohn in Höhe von 23.90 Franken pro Stunde an.
Der Stadtkreis 10 mit dem eher konservativen Höngg und dem eher linken Wipkingen gilt als relativ ausgeglichener Kreis, weshalb es mit grosser Wahrscheinlichkeit ein gesamtstädtisches Ja zum Mindestlohn geben wird.
Mindestlohn in Winterthur angenommen
Der Mindestlohn in Winterthur ist definitiv angenommen. Damit bekommt Winterthur als erste Schweizer Gemeinde einen eigenen Mindestlohn. Das Resultat ist überraschend eindeutig. Ausser der Altstadt sind alle Stadtteile ausgezählt, alle davon sagen relativ klar Ja. Auch die Altstadt dürfte dem Mindestlohn zustimmen.
Die Initiative kommt derzeit auf rund 64 Prozent Zustimmung. Am knappsten ist das Resultat in Wülflingen mit 56 Prozent Ja, am klarsten in Veltheim mit 71 Prozent.
Sechs Kreise in Winterthur ausgezählt
Sechs Kreise in Winterthur sind ausgezählt. Mit einer ersten Überraschung: In Winterthur Töss, einem eher konservativen Kreis, sagen ganze 68.2 Prozent (oder 1621 Stimmen) Ja zu einem städtischen Mindestlohn von 23 Franken. Auch in Mattenbach sagen 69.8 Prozent Ja.
In Seen liegt die Zustimmung bei 56.4 Prozent, in Veltheim bei 70.7 Prozent, in Wülflingen bei 62.4 Prozent und in Oberwinterthur bei 62.8 Prozent. Damit haben bisher alle ausgezählten Stadtkreise den Mindestlohn angenommen.
Ablauf
Erste Resultate zu den städtischen Abstimmungen werden frühestens ab 14 Uhr erwartet.
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Wer ist dafür, wer dagegen?
Ja: SP, Grüne, AL und EVP. Unterstützt werden sie von den Gewerkschaften und Hilfsorganisationen.
Nein: Mitte, FDP, SVP und GLP. Unterstützt werden sie von Gewerbe- und Arbeitgeberverbänden.
Ausgangslage
Im November 2020 haben linke Kreise und Gewerkschaften die Initiative «Für einen Lohn zum Leben» eingereicht. Sie verlangte, dass jede Person, die in der Stadt Zürich arbeitet, mindestens 23 Franken pro Stunde verdient.
Der Stadtrat begrüsste das Vorgehen, arbeitete jedoch einen Gegenvorschlag aus, weil die Initiative nur teilweise gültig war. Im Gegenvorschlag hob der Stadtrat den Mindestlohn wegen der Teuerung auf 23.90 Franken (brutto) an. Je nach Berechnung ergibt sich daraus ein Monatslohn zwischen 4100 und 4300 Franken. Der mittlere Bruttolohn liegt in der Stadt Zürich bei 8000 Franken pro Monat.
Personen, die derzeit weniger verdienen, kommen laut den Initianten aus Tieflohnbranchen wie Gastronomie oder Reinigung.
Zugunsten des Gegenvorschlags zogen die Initianten ihre ursprüngliche Initiative zurück. Auch das Zürcher Stadtparlament stimmte für den Gegenvorschlag. FDP, GLP und SVP ergriffen kurz darauf gegen den Entscheid das Referendum – mit einer breiten Allianz aus Gewerbeverbänden im Rücken. Aus diesem Grund entscheidet nun das Volk über den Mindestlohn.
Der Gewerbeverband der Stadt Zürich stellt die Zulässigkeit eines städtischen Mindestlohnes in Frage. Er hat beim Zürcher Bezirksrat Mitte April einen Rekurs gegen die vom Gemeinderat der Stadt Zürich beschlossene Verordnung eingereicht. Der Bezirksrat wird, wie er auf Anfrage bestätigt, über den Rekurs erst nach der Abstimmung entscheiden.
In Kloten scheiterte eine ähnliche Initiative für einen Mindestlohn 2021 knapp mit 50.2 Prozent Nein-Stimmen. Zürich und Winterthur wären die ersten Gemeinden, die einen Mindestlohn einführen.
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