Ständeratswahlen in der RomandieFotofinish in Genf, mögliche Sensation in der Waadt – heute wird gewählt
Wer vertritt die Kantone Genf, Waadt, Freiburg und Wallis für die kommenden vier Jahre in der kleinen Kammer? Erste Resultate werden für den Nachmittag erwartet.
Vier Westschweizer Kantone bestimmen heute, welche Standesvertreter sie ins Bundesparlament entsenden. In den zwei Kantonen Genf und Waadt kündigt sich eine spannende «Ballotage» an, während sich im Wallis und in Freiburg die bisherigen Amtsinhaber durchsetzen dürften. Die Endresultate werden in allen Kantonen für den frühen Nachmittag erwartet.
Fotofinish im Kanton Genf
Im Kanton Genf endete der erste Wahlgang mit einer Überraschung. Der 64-jährige Mauro Poggia von der Protestpartei Mouvement Citoyens Genevois (MCG) distanzierte die beiden amtierenden Ständeräte Lisa Mazzone (35, Grüne) und Carlo Sommaruga (64, SP) um einige Hundert Stimmen. Die Mitbewerber Céline Amaudruz (SVP), Simone de Montmollin (FDP) und Vincent Maitre (Mitte) lagen um mehrere Tausend Stimmen zurück, obwohl auch sie der bürgerlichen Wahlallianz aus Mitte, FDP, MCG und SVP angehörten.
Poggia tritt nun in einem rechtsbürgerlichen Bündnis mit Amaudruz zum zweiten Wahlgang gegen das bisherige Duo Mazzone und Sommaruga an. Poggias bisheriges Abschneiden zeigt, dass er in der Bevölkerung äusserst populär ist. Das hängt auch damit zusammen, dass er während zehn Jahren in der Kantonsregierung sass, den Kanton als Gesundheitsdirektor durch die Corona-Pandemie führte und in dieser Zeit medial sehr präsent war.
Weil de Montmollin und Maitre von der bürgerlichen Mitte nicht mehr zum zweiten Wahlgang antreten, kommt es im bürgerlichen Lager zu einer Demobilisierung, die Poggia Stimmen kosten dürfte. Lisa Mazzone und Carlo Sommaruga können wiederum darauf hoffen, von einem Teil der äussersten Linken und der GLP unterstützt zu werden, deren Kandidaten sich zurückgezogen haben. Zudem haben in den letzten Tagen auch einzelne bürgerliche Wählerinnen und Wähler dazu aufgerufen, die amtierenden Ständeräte von SP und Grüne zu wählen, weil diese in Bern ein weltoffenes und soziales Genf vertreten.
Alle Anzeichen sprechen dafür, dass der Ständeratswahlkampf in Genf in einem Fotofinish zwischen Poggia, Mazzone und Sommaruga endet; die SVP-Kandidatin Céline Amaudruz dürfte ihren Rückstand im zweiten Wahlgang kaum wettmachen. Neben dem Quartett bewerben sich zwei weitere Kandidatinnen für die kleine Kammer, doch deren Allianz mit dem Namen «Freiheit – Das Volk zuerst» ist chancenlos.
Waadtländer Linke streben nach der Sensation
Pierre-Yves Maillard (SP) heisst der grosse Wahlsieger der Waadtländer Ständeratswahlen. Er brachte es am 22. Oktober auf eine Stimmenzahl, die in der Kantonsgeschichte noch nie jemand erreicht hatte. Auf ihn entfielen 101’880 Stimmen. Damit war klar: Der ehemalige Regierungsrat und heutige Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes wird seine Karriere im Ständerat fortsetzen.
Maillards ehemaliger Regierungskollege Pascal Broulis (FDP) muss hingegen in den zweiten Wahlgang. Zwar erreichte Broulis im ersten Wahlgang 85’171 Stimmen, blieb aber deutlich unter dem absoluten Mehr von gut 97’000 Stimmen. Broulis’ Alliierter, Michaël Buffat (SVP), nahm sich als Drittplatzierter (52’518 Stimmen) aus dem Rennen und empfahl dem Grünen Raphaël Mahaïm (48’087 Stimmen), Selbiges zu tun, um so Broulis eine stille Wahl zu ermöglichen. Mahaïm lehnte ab. Und auch die SP wollte Broulis die Wahl nicht schenken.
So stehen sich im zweiten Wahlgang Broulis und Mahaïm gegenüber, und Maillard spielt, obschon bereits gewählt, als aktiver Wahlhelfer von Mahaïm weiter eine Nebenrolle. Grüne und SP haben in den letzten Tagen zur Aufholjagd auf Broulis geblasen. Sie streben die Sensation an, dass Mahaïm Broulis kurz vor der Ziellinie noch abfängt. Ihre Hoffnung besteht darin, dass sich im ersten Wahlgang linke Stimmen auf diverse Kandidaturen verteilt haben, die sich jetzt hinter Maha¨ïm scharen dürften. Broulis hingegen dürfte sein Wählerpotenzial schon im ersten Wahlgang nahezu ausgeschöpft haben.
Überraschend war, dass selbst Grünliberale und sogar Freisinnige wie der ehemalige Nationalratspräsident Yves Christen dem Grünen Mahaïm in den letzten Tagen öffentlich ihre Unterstützung zugesagt haben. Für Broulis hingegen, früher eine Wahllokomotive, war der erste Wahlgang für seine Verhältnisse eine Enttäuschung. Während Broulis in den letzten Tagen seinen äusserst diskreten Wahlkampf fortführte, warf Mahaïm mithilfe von der SP und auch von Maillard nochmals alles in die Waagschale. Gut möglich also, dass es zwischen Broulis und Mahaïm zu einem Herzschlagfinale kommt.
Walliser Mitte wird sich durchsetzen
Für Beat Rieder (Mitte) war es eine leise Enttäuschung. Natürlich wäre er als amtierender Ständerat gern im ersten Wahlgang gewählt worden, wie er diese Woche im Walliser Lokalfernsehen Canal 9 bekannte. Seine Partei- und Ratskollegin Marianne Maret musste allerdings damit rechnen, weniger Support zu haben als Rieder. Mit ihren 43’204 Stimmen aus dem ersten Wahlgang hat sie dennoch ein solides Polster gegenüber dem Freisinnigen Philippe Nantermod, der lediglich auf 25’145 Stimmen kam. Weil Rieder zum zweiten Wahlgang antreten muss, muss sich auch Maret um ihre Wiederwahl keine Sorgen machen. Ein Szenario, bei dem der FDP-Nationalrat den beiden Mitte-Ständeräten noch gefährlich werden könnte, zeichnet sich nicht ab.
In Freiburg haben Frauen das Sagen
FDP-Frau Johanna Gapany war bei den Freiburger Ständeratswahlen vor vier Jahren die grosse Überraschung. Sie schnappte sich den Parlamentssitz von Mitte-Ständerat Beat Vonlanthen. Die Freisinnige dürfte ihren Ständeratsitz nun auch bestätigen.
Zwar vermochte Gapany den SVP-Kandidaten Pierre-André Page im ersten Wahlgang nur um rund 700 Stimmen zu distanzieren, aber Page nahm sich nach der Niederlage aus dem Rennen – zum Verdruss seiner eigenen Partei. Mit Pages Rückzug sind nun noch drei Frauen im Rennen: Neben Gapany sind dies Mitte-Ständerätin Isabelle Chassot und Alizée Rey von der SP, die im ersten Wahlgang deutlich zurücklag. An der Seite von Chassot droht Gapany kaum Gefahr, von der Sozialdemokratin Rey noch verdrängt zu werden.
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