Angriff auf die UkraineZur Kapitulation nicht bereit
Staatschef Wolodimir Selenski zeigt sich gesprächsbereit, weist aber russische Forderungen zurück. Bei den Kämpfen soll bereits der zweite russische General getötet worden sein.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat in Videobotschaften und Interviews bekräftigt, dass die Ukraine weiter gegen die russische Armee kämpfen und nicht kapitulieren werde. Selenski wies auch Moskauer Forderungen zurück, mit einer Verfassungsänderung formell auf eine Nato-Zugehörigkeit zu verzichten und die Zugehörigkeit der von Russland rechtswidrig besetzten Krim zu Russland sowie die angebliche «Selbstständigkeit» der von Moskau organisierten «Volksrepubliken» in Donezk und Luhansk anzuerkennen.
«Ich bin bereit zum Dialog, aber wir sind nicht zu einer Kapitulation bereit», sagte Selenski dem US-Fernsehsender ABC. Selbst wenn russische Soldaten «in alle unsere Städte kommen, wird es einen Untergrundkrieg geben. Niemand wird unsere Unabhängigkeit hergeben.» Selenski bekräftigte lediglich, dass die Aufnahme der Ukraine in die Nato nicht auf der Tagesordnung stehe und Kiew dieses verbindlich in seiner Verfassung festgeschriebene Ziel zurzeit nicht weiterverfolgen werde.
Russland setzt Bombardements fort
«Was die Nato angeht: Ich habe diese Frage abgeschwächt, nachdem wir verstanden haben, dass die Nato nicht bereit ist, die Ukraine aufzunehmen.» Die Ukraine werde nicht auf Knien um die Aufnahme bitten. «Wir haben nicht vor, ein solches Land zu sein, und ich will kein solcher Präsident sein», so Selenski im ABC-Interview.
In seiner am Montagabend aufgenommenen täglichen Videobotschaft zeigte sich Selenski erst vor seinem Amtssitz im Zentrum von Kiew, dann in seinem Büro. Drei Verhandlungsrunden mit Russland haben Selenski zufolge bisher zu keinem greifbaren Ergebnis geführt. Zwar einigten sich Ukrainer und Russen bei Gesprächen in Belarus auf Waffenpausen und Fluchtkorridore für Zivilisten aus belagerten und von Russland beschossenen Städten. Statt sich aber an die Feuerpause und sichere Korridore zu halten, hätten «russische Panzer weiter gearbeitet», sagte Selenski.
In der eingeschlossenen 430’000-Einwohner-Stadt Mariupol scheiterte am Dienstag der vierte Versuch, mit der Evakuierung von 200’000 Menschen per Bus und Auto zu beginnen; ukrainischer Darstellung zufolge lag dies an weitergehenden russischen Bombardements.
Heftig gekämpft wird auch in Vorstädten Kiews, in der zweitgrössten Stadt Charkiw oder in der nahe der Grenze zu Russland liegenden 260’000-Einwohner-Stadt Sumy im Norden der Ukraine. Ukrainischen Berichten zufolge warfen russische Bomber dort Sprengkörper auf Wohnhäuser ab. Laut Staatsanwaltschaft kamen allein bei diesen Angriffen 21 Menschen ums Leben, darunter zwei Kinder.
Der ukrainische Generalstab meldete angebliche russische Verluste von 12’000 Toten und Verwundeten.
Bei den Kämpfen in der Ukraine soll bereits der zweite russische General getötet worden sein. Nach Darstellung des ukrainischen Militärgeheimdienstes wurde Generalmajor Witali Gerasimow bei den Kämpfen um die Stadt Charkiw getötet. Einzelheiten über den angeblichen Tod des stellvertretenden Kommandanten der 41. Russischen Armee, die derzeit rund um die Grossstadt im Nordosten eingesetzt wird, wurden nicht bekannt, eine offizielle russische Bestätigung fehlte. Das Investigativnetzwerk Bellingcat will aber von russischer Seite eine Bestätigung erhalten haben. Die Quelle für die Nachricht soll ein von ukrainischer oder westlicher Seite abgehörtes Handygespräch zweier Offiziere des russischen Geheimdienstes FSB sein. Der 1977 geborene Generalmajor, nicht zu verwechseln mit dem russischen Generalstabschef Waleri Gerassimow, soll wegen seiner Teilnahme an den Kriegen in Tschetschenien, Georgien und Syrien sowie bei der Annexion der Krim ausgezeichnet worden sein. Vor Gerasimow war Ende Februar bereits ein anderer stellvertretender Kommandant der 41. Armee gefallen, Generalmajor Andrei Sukhovetsky. Sein Ableben war russischen Medien zufolge in den sozialen Medien von einem anderen Offizier betrauert worden.
Der ukrainische Generalstab meldete angebliche russische Verluste von 12’000 Toten und Verwundeten. Diese Angaben könnten zutreffen: Dem Forschungsdienst des US-Kongresses zufolge übersteigt die Zahl verwundeter Soldaten jene gefallener Soldaten in Kriegen um ein Mehrfaches. Der «New York Times» zufolge gehen auch US-Offizielle von mindestens 3000 gefallenen russischen Soldaten aus. Die Ukraine will zudem über 300 Panzer und Aberhunderte gepanzerte Fahrzeuge sowie Dutzende Flugzeuge und Helikopter zerstört haben. «Russland hat in 30 Jahren nicht so viele Flugzeuge verloren wie in 13 Tagen in der Ukraine», freute sich Präsident Selenski. Über ukrainische Verluste fehlen verlässliche Angaben.
Apropos – der tägliche Podcast
Den Podcast können sie kostenlos hören und abonnieren auf Spotify, Apple Podcasts oder Google Podcasts. Falls Sie eine andere Podcast-App nutzen, suchen Sie einfach nach «Apropos».
Fehler gefunden?Jetzt melden.