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Diskussionen um das Jugendstrafrecht
Neuer Zürcher Ober-Jugendanwalt: «Verwahrung bringt nichts»

Roland Zurkirchen ist seit dem 1. April leitender Oberjugendanwalt im Kanton Zürich.
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Geht es nach dem Parlament in Bern, können Jugendliche, die einen Mord begangen haben, unter bestimmten Bedingungen künftig verwahrt werden. Ein Ansinnen, das viele Fachleute ablehnen. Am Donnerstag hat sich nun auch der Zürcher Oberjugendanwalt Roland Zurkirchen an einer Medienkonferenz klar gegen die Gesetzesänderung ausgesprochen.

Zurkirchen ist seit hundert Tagen im Amt und Chef der grössten Jugendanwaltschaft der Schweiz. Er sagt: «Die Verwahrung für Jugendliche bringt nichts.» Junge Menschen befänden sich noch mitten in der Persönlichkeitsentwicklung, da seien belastbare Prognosen für das Erwachsenenalter kaum möglich.

Die Befürworter der Verwahrung argumentieren, Jugendstraftäter würden spätestens mit 25 Jahren aus der Verantwortung der Behörden entlassen. Dieses Argument lässt Zurkirchen nicht gelten: «Sie können sicher sein, dass wir jemanden nicht einfach auf die Gesellschaft loslassen, wenn er oder sie mit 25 noch gefährlich ist.» In einem solchen Fall bespreche man mit den Zivilbehörden das weitere Vorgehen.

Jugendstrafrecht ist härter als oft behauptet

Auch weitere Verschärfungen im Jugendstrafrecht hält Zurkirchen nicht für zielführend. Dieses funktioniere im Grundsatz sehr gut und gebe den Behörden alle nötigen Instrumente. «Es ist, anders als oft behauptet, ein hartes Strafrecht.» So könnten die Behörden jugendliche Straftäter wenn nötig bis zum 25. Geburtstag in eine unbefristete Massnahme zwingen.

Ziel müsse es aber immer sein, dass die jungen Menschen wieder Teil der Gesellschaft würden, etwa indem sie eine Berufsausbildung absolvieren könnten. «Unser Anspruch ist, dass diese Jugendlichen als Erwachsene straffrei leben. Mit härteren und längeren Sanktionen erreichen wir das nicht.» Das sei Konsens unter den Fachleuten.

Entsprechend besorgt und irritiert verfolgt Zurkirchen die politischen Debatten, die oft genug ohne Beizug jener geführt würden, die «wissen, was wir tun können, damit Jugendliche später straffrei leben». Das Expertenwissen müsse in die Debatte ums Jugendstrafrecht einfliessen: «Diese Entscheide aus der Ferne müssen aufhören.»

Netz-Kriminalität macht ihm Sorgen

Das heisse nicht, dass das Jugendstrafrecht nicht verändert werden könne und müsse, sagt Zurkirchen. Es gebe etliche Entwicklungen, auf welche die Fachleute Antworten finden müssten. Etwa darauf, dass Ersttäterinnen und -täter tendenziell jünger werden. Oder auf die zunehmende Radikalisierung, die sich schon seit einigen Jahren auch in Studien feststellen lässt.

Auch dass Straftaten zunehmend im Netz verübt werden – Stichworte sind etwa Mobbing, verbotene Pornografie, aber auch Betrug –, macht dem leitenden Oberjugendanwalt Sorgen. «An diese Jugendlichen kommen wir meist erst heran, wenn im realen Leben etwas passiert oder wenn jemand Anzeige erstattet.» Wird ein Teenager hingegen im realen Leben auffällig und hängt zum Beispiel nächtelang draussen herum, werden die Behörden oder Sozialarbeitende schon deutlich früher aufmerksam.

Das alles sei mit Verschärfungen nicht lösbar. Entscheidend sei vielmehr Zusammenarbeit mit anderen Stellen wie Polizei, Kesb, Heimen, Jugendtreffs oder Sportvereinen. «Wir müssen unser Wissen teilen, etwa über mögliche Warnzeichen», sagt Zurkirchen. «Und wir müssen Anlaufstellen bieten für jene, die mit Jugendlichen arbeiten und denen auffällt, wenn jemand abdriftet.»