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Zürcherin im deutschen Lützerath
Zürcher Klimaaktivistin ist das Sprachrohr im Braunkohlegebiet 

Die 20-jährige Annika Lutzke zog vor einem Jahr von Zürich nach Lützerath, weil der Ort für sie derzeit der Kristallisationspunkt der Klimabewegung ist. 
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Das deutsche Dorf Lützerath ist seit einigen Tagen weltbekannt. Selbst die «New York Times» berichtete über den Widerstand von Klimaaktivistinnen im rheinischen Braunkohlerevier. Sie wollten verhindern, dass die Siedlung abgerissen wird und der Energiekonzern RWE darunter ein weiteres Braunkohlegebiet erschliessen kann. Mittendrin stand auch eine Zürcherin den Medien Red und Antwort: die 20-jährige Annika Lutzke. Sie gehört zu jenem Dutzend Personen, welche die Klimabewegung vor Ort nach aussen vertreten. 

Etwas später als vereinbart meldet sich Lutzke Anfang Woche am Telefon. In ihrer jugendlichen Stimme schwingt Müdigkeit mit, im Hintergrund ist Stimmengewirr zu hören. «Es geht mir gerade schlecht», sagt sie. Die vergangenen Tage seien sehr emotional und anstrengend gewesen. «Ich habe gerade mein Zuhause verloren.» Zudem habe sie zig Interviews zum Polizeieinsatz geben müssen. Auch die hätten sie mitgenommen. Weshalb sie eigentlich hier seien, habe niemand mehr wirklich wissen wollen. 

An der Seite von Greta

Als Teil der Gruppe «Lützerath lebt» hatte Lutzke die Siedlung am Rand des Braunkohlegebiets über ein Jahr lang bewohnt. Zusammen mit vertriebenen Anwohnenden organisierten sie den Widerstand. Ihre Hoffnung: den Energiekonzern und die deutsche Regierung von der Idee abbringen zu können, die 280 Millionen Tonnen Kohle unter Lützerath abzubaggern. So viel «dreckige Energie» zu fördern, ist aus Sicht von Lutzke mitten in der Klimakrise absurd. Ebenso, dass die Grünen sich auf den Handel mit dem Energiekonzern eingelassen haben. 

Annika Lutzke (3. v. l.) unter anderem mit den Klimaaktivistinnen Luisa Neubauer (4.v.l) und Greta Thunberg (3.v.r) am dritten Tag der Räumung im Braunkohleort Lützerath.

Am Samstag bekam die Bewegung Unterstützung von 35’000 Demonstrierenden, darunter auch von den Aktivistinnen Greta Thunberg und Luisa Neubauer. Doch die Räumung konnten sie dennoch nicht abwenden. Die Polizei beendete sie am Sonntag. Zahlreiche Demonstrierende wurden dabei verletzt. 

Räumung von aussen miterlebt

Lutzke war als Medienbeauftragte schon einige Tage zuvor ins Ausweichcamp im nächsten Dorf umgezogen und liess sich im Gegensatz zu anderen nicht selbst räumen. Sie hörte deren Schreie, sah, wie die Polizei Personen aus den Baumhäusern abseilte und diese teilweise kopfüber am Seil hingen, und bangte um diejenigen, die sich im Tunnel verschanzt hatten. Die Zürcherin sagt: «Das miterleben zu müssen, war hart.» Momentan ist sie daran, Berichte über die Verletzungen der einzelnen Demonstrierenden zu verfassen. 

«Ich halte es nicht aus, nichts gegen die Klimakatastrophe zu machen.» 

Annika Lutzke 

Vor gut einem Jahr hat Annika Lutzke im kleinen Ort nahe Köln einen zweiten Lebensmittelpunkt geschaffen. Die Matura hatte die Klimaaktivistin in der Tasche, die Arbeit beim Zürcher Lebensmittelkollektiv Rampe 5 konnte warten. Lieber wollte sie an jenem Ort sein, wo «zentrale Entscheide für das weltweite Klima» getroffen werden, wie sie es nennt. Angetrieben vom inneren Drang, für klimatische Veränderungen Verantwortung zu übernehmen, reiste sie «an den Kristallisationspunkt der Bewegung». Und irgendwann sei sie dann auch in die Rolle der Sprecherin reingerutscht – Frauen, inter- und nonbinären Personen sowie solchen mit Migrationshintergrund gibt die Bewegung den Vorzug. 

An der Demonstration vom Samstag steht Annika Lutzke (mit blauer Leuchtweste und Mütze) in Lützerath neben Greta Thunberg. 

Zuschauen ist für Lutzke keine Alternative. «Ich halte es nicht aus, nichts gegen die Klimakatastrophe zu machen», sagt sie. 

Weltweit vernetzt 

Das konnte sie schon als Kanti-Schülerin nicht. Von Zürich aus war sie bei Klimastreik Schweiz an vorderster Front aktiv. In ihrer Freizeit drehte sie mehrere Kurzfilme. Zentrales Thema auch da: die Umwelt. Lutzke und ihre Mitregisseurin haben für ihre Arbeiten mehrere Preise gewonnen. 

Nun spielt Lutzke in Lützerath auf dem globalen Parkett quasi eine Hauptrolle. Hier hat sie sich mit Exponenten der Klimabewegung vernetzt, traf Personen aus Kenia, Uganda oder Mexiko, die in ihren Ländern gegen die Folgen der Klimakrise kämpfen. Zuletzt konnte die Bewegung die Räumung zwar nicht verhindern, doch der weltweite Diskurs habe sie gestärkt, sagt Lutzke. Deshalb wird sie auch noch einige Zeit im rheinischen Braunkohlegebiet bleiben. «Es wird wieder einen Ort geben, wo wir gegen Umweltzerstörung Widerstand leisten müssen», sagt sie. 

Die Siedlung Lützerath war über ein Jahr lang das Zuhause von Annika Lutzke. 

Spätestens ab Sommer will sie aber auch wieder vermehrt in der Zürcher Lebensmittelkooperative gerettetes Gemüse für die Abos abpacken und so Klimaaktivistin sein.