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«Zu viel Macht» – Gründer gibt Initiativenplattform ab

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Daniel Graf besitzt einen der einflussreichsten Daumen im Land: Dreht er ihn hoch, steigen die Chancen markant, dass eine Volksinitiative oder ein Referendum zustande kommt. Dreht er ihn nach unten, müssen die Unterschriften auf der Strasse statt im Internet gesammelt werden.

Das zeigte sich etwa beim Vaterschaftsurlaub: Über Jahre klemmte dieses Anliegen im politischen Räderwerk fest. Als Graf aber die Gewerkschaften bei der Unterschriftensammlung für einen Urlaub von vier Wochen unterstützte, konnten sie die Blockade lösen; jede dritte der 100'000 Unterschriften kam von Wecollect.

Wie eine Rakete durch die Decke

«Graf hat zu viel Macht», sagt der Politologe Claude Longchamp. Er habe rasch an Einfluss gewonnen und verfüge mittlerweile über einen so grossen Vorsprung, den später gegründete Plattformen kaum mehr aufholen könnten. Das sind etwa Collectus, die von jungen Politikern aus SVP und FDP getragen wird, und The People von No-Billag-Initiant Olivier Kessler. Diese ist allerdings noch nicht online.

Graf sagt, dass er seine heutige Rolle nicht gesucht habe. Wecollect sei wie eine Rakete durch die Decke geschossen und viel schneller als erwartet referendumsfähig geworden. In dieser Hinsicht sei sie nun auf Augenhöhe mit Gewerkschaften und Grossparteien. Graf räumt aber ein: «So hat sich eine gewisse Macht zusammengeballt.»

60'000 Mailadressen von Stimmberechtigten

Diese Macht will er nun in andere Hände geben: Künftig soll bei Wecollect nicht mehr einer allein entscheiden, sondern ein Stiftungsrat von fünf bis sieben Mitgliedern. Graf wird keiner von ihnen sein. So will er seiner Plattform ein solides und transparentes Fundament geben, damit sie auch in Zukunft ihre Bestimmung erfüllen kann: die politische Macht der Bürgerinnen und Bürger stärken.

Er will der neuen Stiftung auch sämtliche Daten und Adressen übergeben. Sie stammen von Personen, die auf Wecollect ein Referendum oder eine Volksinitiative unterschrieben und zudem eingewilligt haben, dass er ihre Mailadressen weiterhin verwendet. Nach Grafs eigenen Angaben sind es mittlerweile 60'000: «Keine andere Organisation in der Schweiz verfügt heute über einen so grossen Datensatz von Stimmberechtigten, die grundsätzlich bereit sind, Referenden oder Volksinitiativen zu unterschreiben», sagt er.

Die Plattform Collectus, die sich als bürgerliches Gegengewicht zur linksliberalen Wecollect sieht, verfügt erst über wenige Tausend Mailadressen, wie ihr Präsident Thomas Gemperle sagt. Und sie hat erst eine Initiative aufgeschaltet – für das E-Voting-Moratorium. Auch Collectus will einmal referendumsfähig werden.

Mehr Macht dem Volk

«Mailadressen sind heute eine Macht, das Schmiermittel der Politik», sagt Claude Longchamp. Einer Plattform wie Wecollect sei es somit möglich, in den politischen Entscheidungsprozess einzugreifen. Bisher sei das Referendum vor allem das Druckmittel von Verbänden gewesen; wenn sie mit ihren Forderungen nicht durchdringen konnten, drohten sie damit, dem Geschäft mithilfe des Stimmvolks ein Ende zu setzen. Wecollect gebe dieses Instrument den Bürgerinnen und Bürger direkt in die Hand.

Wie Longchamp beobachtet, hat das Parlament bereits reagiert. So hat es der Konzernverantwortungsinitiative einen gemässigteren Gegenvorschlag gegenübergestellt. Vor ein paar Jahren noch hätte es die Initiative allein vor das Volk gebracht – überzeugt, dass es diese ablehnen wird. «Das Parlament hat etwas gelernt», sagt der Politologe.

«Gesetze werden im Parlament gemacht» Claude Longchamp hat Sympathien für Plattformen, welche die Volksrechte stärken, wie er sagt. Und er wird auch bei einem Anlass von Wecollect als Redner auftreten. Er glaubt aber nicht, dass sie die Karten in der Politik neu mischen; es sei mittlerweile fünf Jahre her, seit die letzte Volksinitiative angenommen wurde, die Initiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen».

Das zeige: Die Gesetze würden im Parlament gemacht, nicht an der Urne. Der Politologe kann sich vorstellen, dass das Parlament versuchen wird, den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu den Volksrechten wieder zu erschweren – und die Zahl der erforderlichen Unterschriften erhöht.

Keine Galionsfiguren

Am 13. September wird Daniel Graf seine geplante Stiftung vorstellen und gleichzeitig über Crowdfunding Stifter suchen: So soll das erforderliche Kapital von 50'000 Franken zusammenkommen. Danach will er geeignete Stiftungsräte rekrutieren – keine Galionsfiguren, sondern unabhängige Personen mit Fachwissen.

Graf hat auch bereits das nächste politische Anliegen im Auge: Stimmrechtsalter 16. Er erwartet, dass ein entsprechender Vorstoss der grünen Nationalrätin Sibel Arslan spätestens vom Ständerat gestoppt wird. Dann ist er bereit, seinen Daumen zu heben.