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Spezielles Bruder-Duell
«Wir wussten 48 Stunden lang nicht, ob unser Papi überleben wird»

23.01.2023; Zuerich; Eishockey National League - ZSC Lions - EV Zug, Chris Baltisberger (ZSC) 
(Claudio Thoma/freshfocus)
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In Kürze:
  • Am Freitag treffen die Brüder Chris und Phil Baltisberger im Spiel zwischen den ZSC Lions und den SCL Tigers als Gegner aufeinander.
  • Ihr Vater erlitt während des Playoff-Halbfinals einen Herzstillstand.
  • Trotz schwierigsten Umständen feierten die Brüder im Frühjahr ihren zweiten gemeinsamen Meistertitel beim ZSC.
  • Phil spielt jetzt für die SCL Tigers und erhält mehr Verantwortung.

Mit neugierigen Augen späht er aus der Garderobentür: Kian, der dreieinhalbjährige Sohn von ZSC-Kultstürmer Chris Baltisberger. Er trägt einen Fanghandschuh und zieht einen Torhüterstock hinter sich her. «Kian beobachtet ständig die Goalies», erzählt Baltisberger. «Und diese machen sich einen Spass daraus, ihm die Ausrüstung anzuziehen.» Beim Gedanken, sein Sohn könnte eine Karriere als Torhüter anstreben, wirkt der 32-Jährige nur mässig begeistert. «Wenn er richtig Schlittschuh laufen kann, kaufe ich ihm eine Ausrüstung – vorher nicht», stellt Baltisberger mit einem Lachen klar.

Bereits vor fünf Monaten war Kian Stammgast in der ZSC-Kabine – damals, als sein Vater seinen vierten Schweizer-Meister-Titel mit den Zürchern errang. Als Chris gemeinsam mit seinem vier Jahre jüngeren Bruder Phil vor dem Limmatblock den Pokal stemmte, hallte es «Baltisberger, Baltisberger, hey, hey!» durch die Swiss-Life-Arena. Beide sprachen hinterher von einer Mission. Unbedingt wollten sie nach 2018 noch einmal gemeinsam einen Titel feiern. Trotz widrigsten Umständen.

30.04.2024; Zuerich; Eishockey National League - Playoff Final, Spiel 7 - ZSC Lions - Lausanne HC, Schweizermeister 2023/2024 ZSC Lions Phil Baltisberger (ZSC) mit Chris Baltisberger (ZSC) 
(Claudio Thoma/freshfocus)

Am Tag des dritten Halbfinalspiels gegen Zug erleidet ihr Vater einen Herzstillstand und muss ins künstliche Koma versetzt werden. «48 Stunden lang, vielleicht sogar länger, wussten wir nicht, ob unser Papi überleben würde», sagt Chris. «Es gab Momente, da habe ich darüber nachgedacht, was wir noch gemeinsam hätten erleben können. Dinge, bei denen ich spürte, dass sie schön gewesen wären.»

Die Brüder, die zwei Tage später wieder ins Spielgeschehen eingreifen, versuchen, optimistisch zu bleiben. «Wir haben an all die schönen Momente gedacht, die noch vor uns liegen, daran, dass unser Papi sie miterleben würde und es ihm Kraft gibt», erzählt Chris. «Wir wussten, er kämpft, also haben wir beschlossen, es ihm gleichzutun, und uns darauf konzentriert, was uns stark macht.»

Diese Phase habe gezeigt, worauf es im Leben wirklich ankomme. «Im Playoff denkst du, Eishockey sei das Wichtigste. Doch wenn so etwas passiert, wirst du schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Es schweisste uns als Familie noch enger zusammen», sagt Chris. Wirklich realisiert haben die Baltisbergers das Ganze erst nach dem Saisonende. «Es war eine sehr emotionale Zeit», ergänzt Phil. «Ich bin einfach unglaublich froh und dankbar, dass alles gut ausgegangen ist.»

Für Phil gab es beim ZSC keinen Platz mehr

Mittlerweile sind die Brüder getrennt. Phil, der bereits in der vergangenen Saison sieben Partien für die SCL Tigers absolviert hatte, wechselte im Sommer definitiv ins Emmental. Da die Zürcher auf jüngere Kräfte setzen wollten, gab es für den zweifachen Familienvater keinen Platz mehr. Der 28-Jährige hadert nicht: «Solche Entscheidungen richten sich nie gegen einen Menschen, sie sind einfach Teil unseres Geschäfts. Manchmal profitierst du davon, manchmal eben nicht. Ich bin glücklich, wie es gekommen ist.»

Beim ZSC kam Phil letzte Saison auf durchschnittlich neun Minuten Eiszeit pro Spiel. In Langnau sind es fast 17 Minuten. Ausserdem wird der Verteidiger von Trainer Thierry Paterlini auch im Unterzahlspiel eingesetzt. «Einige», sagt Phil, «denken, Langnau sei so ein kleines Dorf und es wäre nichts los. Dabei sind die Leute hier hockeyverrückt. Der ZSC ist ein Grossunternehmen, für jede Aufgabe gibt es eine Person. In Langnau übernimmt jemand oft zwei oder drei Aufgaben gleichzeitig. Trotzdem ist alles hochprofessionell. Doch es geht fast noch menschlicher zu und her.»

20.09.2024; Langnau; Eishockey National League - SCL Tigers - Fribourg-Gotteron;  
Phil Baltisberger (Langnau) 
(Claudio De Capitani/freshfocus)

Ohne Phil sei es ruhiger geworden in der ZSC-Kabine, bemerkt Chris, der von seinem Bruder als der Zurückhaltendere beschrieben wird – obwohl er ihm in jungen Jahren einmal die Zimmertüre zerschmetterte, weil Phil ihn so sehr provoziert hatte. Trotz des Clubwechsels tauschen sich die Brüder regelmässig aus, analysieren ihre Einsätze und geben sich gegenseitig Feedbacks.

Am Freitag treffen sie in Zürich als Gegner aufeinander. Ihre Familien werden das Spiel von der Tribüne aus verfolgen – auch Chris’ und Phils Vater, der seine beiden Söhne früher ins Hallenstadion mitnahm. Und dem es wieder besser geht.