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Meinung

Grosse Nachfrage
Zockt uns die Swiss mit hohen Preisen ab? 

Fliegen ist deutlich teurer als vor der Pandemie, auch bei der Swiss. Das lässt ihren Gewinn anschwellen.

Die Fluggesellschaft Swiss hat im ersten Halbjahr eines der stärksten Ergebnisse ihrer Geschichte geschrieben. Die Unternehmensführung jubelt ganz unverblümt, dass die eingeschränkten Flugkapazitäten die Preise steigen lassen – und somit den Gewinn. Ist das ungerechtfertigte Abzockerei?

Ja, sagt Beatrice Bösiger 

«Die Swiss hat es versäumt, nach der Pandemie rechtzeitig ausreichend Kapazitäten aufzubauen.»
Dass die Menschen nach der Pandemie wieder mehr verreisen, war absehbar, schreibt Wirtschaftsredaktorin Beatrice Bösiger.

Dass sich die Swiss vom Einbruch während der Pandemie erholt hat und investiert, um das Fliegen in Zukunft umweltfreundlicher zu machen, ist zu begrüssen. Doch währenddessen hat sie es versäumt, rechtzeitig gegenzusteuern und die nötigen Kapazitäten für ihre Kundinnen und Kunden wieder aufzubauen.

Dies, obwohl es sich längst abgezeichnet hat, dass nach der Pandemie die Lust zu verreisen wieder zurückkehrt. Angesichts des Riesengewinns und der gestiegenen Preise für Kundinnen und Kunden bleibt der Eindruck, der Fluglinie gehe es in erster Linie um eine Optimierung des eigenen Gewinns. Diesen Eindruck hat die Unternehmensführung selber bestätigt: Sie benutzt den von ihr mitverschuldeten Abbau der Flugkapazitäten, um den Gewinn ungerechtfertigt hochzuschrauben.

Doch die guten Geschäftszahlen sind nicht auf Investitionen in neue Destinationen, Personal oder neue Dienstleistungen zurückzuführen. Profitiert hat die Swiss in erster Linie von einer Verknappung des Angebots. Kundinnen und Kunden fragen weiterhin deutlich mehr Flugreisen nach, als Plätze im Flugzeug vorhanden sind. Kurz: Wollen wir verreisen, müssen wir mehr zahlen.

Das ist umso störender, als es noch nicht lange her ist, dass die Swiss erneut Staatshilfe in Anspruch nehmen musste. Denn wegen Corona hat sie fast ein Grounding erlitten. Die Pandemie zwang die Swiss dazu, einen Grossteil ihrer Flugzeuge am Boden zu lassen. Es kam zu einem drastischen Stellenabbau. 2020 gewährte ihr der Bund Staatshilfe im Umfang von 1,5 Milliarden Franken. Diese hat das Unternehmen mittlerweile zurückgezahlt.

Gegen ein Ende der Billigflüge ist nicht grundsätzlich etwas einzuwenden, schon allein aus Gründen der Nachhaltigkeit. Auch die Swiss nützt das als Rechtfertigung für höhere Preise. Doch diese halten in der Schweiz kaum jemanden vom Fliegen ab. Laut dem Bund fliegt die Schweizer Bevölkerung im Durchschnitt doppelt so oft wie Personen in den Nachbarländern und auch öfter als Einwohnerinnen und Einwohner der USA. Das Argument der Swiss zielt also ins Leere.

Nein, sagt Konrad Staehelin

«Überlebt die Swiss wirtschaftlich, erfüllt sie automatisch auch eine gesellschaftliche Funktion.»
Die Jahre der Tiefstpreise sind aus guten Gründen vorbei, schreibt Wirtschaftsredaktor Konrad Staehelin.

Als die Swiss angesichts des Überangebots vor und während der Pandemie günstige Billette anbot, stand sie in der Kritik: Sie preise damit die umweltschädlichste aller Reiseformen viel zu attraktiv an. Jetzt hingegen, wo der Markt hohe Preise hergibt, soll es Abzocke sein, wenn die Swiss dabei mitmacht? Das verlangt gleich mehrfach nach Widerspruch.

Die Swiss ist ein Unternehmen, das auf dem Markt mitspielt. Wären ihre Preise zu hoch, könnte ein anderes tiefere anbieten und sie aus dem Markt drängen. Überlebt sie jedoch oder schreibt sie sogar Gewinne, erfüllt sie automatisch eine gesellschaftliche Funktion: Sie zahlt Steuern, beschäftigt Tausende Angestellte, verbindet die Schweiz mit der Welt.

Es war die Hoffnung, dass sie das alles weiterhin tun würde, als der Bund die Swiss vor drei Jahren mit einer milliardenschweren Bankgarantie vor der Corona-Pleite bewahrte. Ein moralischer Anspruch bezüglich der Preisgestaltung war jedoch nie damit verbunden.

Es gibt weitere Gründe, warum es gut ist, wenn die Swiss Geld verdient: Zum Beispiel muss die Luftfahrt ihren Klimafussabdruck auf eigene Kosten senken. Im Rahmen des überarbeiteten CO₂-Gesetzes wird die Politik sie ab 2025 wohl endlich dazu zwingen. Die Investitionen in weniger umweltschädliche Treibstoffe und effizientere Flugzeuge werden die Swiss Hunderte Millionen Franken im Jahr kosten.

Die Swiss muss sich auch auf einen allfälligen nächsten Schock, den sie nicht verschuldet hat, vorbereiten: Dreimal höher soll die Liquidität künftig sein als vor der Pandemie, damit der Staat nicht wieder einspringen muss.

Und beschweren sich nicht auch die Flight Attendants zu Recht über zu tiefe Löhne? Der Gesamtarbeitsvertrag, den die Swiss und die Gewerkschaft in diesen Wochen im zweiten Anlauf fertig verhandeln wollen, wird die Swiss pro Jahr rund 100 Millionen zusätzlich kosten.

Die Jahre der Tiefstpreise sind also aus guten Gründen vorbei. Dass dieser Entwicklung der eine oder andere Spontantrip nach Barcelona zum Opfer fällt, ist aus ökologischer Sicht zu begrüssen.