20 Jahre YoutubeLang und langweilig – und dennoch millionenfach geklickt
Während viele Clips der Plattform aufklären oder unterhalten möchten, gibt es unzählige ohne scheinbaren Sinn oder Zweck. Wieso manche dieser Geistervideos trotzdem riesige Hits sind.

- Ein Video mit 596,5 Stunden Länge brach 2011 den Rekord auf Youtube.
- Es gibt Livestreams, die seit Jahren laufen; zum Beispiel von einer Strassenkreuzung aus Wyoming.
- Ein langes und langweiliges Video ist das von Youtube-Star Mr Beast, wie er bis 100’000 zählt.
- Youtube ist die grösste Medienplattform, auch wegen Millionen ungesehener Videos.
Die einen streben auf Youtube nach Klicks und Ruhm, während andere die Videoplattform für schräge Experimente zweckentfremden. In die letzte Kategorie fällt das Video von Jonathan Harchick: Der App-Entwickler aus Pittsburg veröffentlichte es 2011; just nachdem Youtube das Zeitlimit fallen gelassen hatte.
Harchicks Clip war 596,5 Stunden lang, das heisst knapp 25 Tage. Er war keine künstlerische, sondern vielmehr eine technische Meisterleistung. Youtube beschränkte damals zwar nicht die Laufzeit, aber die Grösse des Uploads. Harchick musste seine Videodatei so klein wie möglich hinbekommen. Er schaffte das mit einem Pixelmuster, das auf menschliche Zuschauer sinnlos wirkte.
Der Rekord-Clip ist inzwischen gelöscht, aber den Rekord hat der Mann auf sicher: Heute lässt Youtube keine Videos mehr zu, die länger als 12 Stunden sind.
Seit Jahren auf Sendung
Für Direktübertragungen gilt das Limit nicht. Ein Livestream auf Youtube kann daher theoretisch «ewig» andauern. Lofi Girl ist eine Art Musikradio auf Youtube. Begleitet wird die Musik von einer Animation im japanischen Manga-Stil, die ein lernendes Mädchen zeigt. Zu hören ist auf dem Kanal auch Musik des Schweizers Peak Twilight, der gemäss SRF auf ein Millionenpublikum kommt. Lofi Girl sendet seit 2017, allerdings mit Unterbrüchen. Einer davon erfolgte 2020, als Youtube den Kanal nach über 13’000 Stunden stoppte – versehentlich, wie es später hiess.
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Wem gebührt die Ehre des längsten Livestreams? Nebst Lofi Girl ist die Übertragung der «Jackson Hole Wyoming USA Town Square Live Cam» ein heisser Kandidat. 2016 gestartet, sie läuft seit Ende 2018 ununterbrochen. Zu sehen ist eine Kreuzung in einem Kaff in den Rocky Mountains: Und es hat etwas Meditatives, zuzusehen und zu warten, bis endlich ein Fussgänger die Kreuzung überquert. Das erklärt, warum diese Übertragung um die 186’000 Abonnenten hat. (Das Phänomen wird auch Slow TV genannt: Über das Glück, Elchen beim Wandern zuzusehen.)
Zwar nicht das längste, aber das vermutlich langweiligste Video hat einer der bekanntesten Youtube-Stars 2017 veröffentlicht: Mr Beast, dessen Kanal 386 Millionen Leute abonniert haben, zählte in einem Video auf 100’000. Das dauerte etwas länger als 40 Stunden, doch um unter dem damaligen Längenlimit von 24 Stunden zu bleiben, beschleunigte er einige Passagen als Zeitraffer. Der Lohn: 31 Millionen Klicks.
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Millionen von Geistervideos
Es gibt auch Youtube-Videos ohne erkennbaren Sinn und Zweck – und zwar millionenfach. Sie werden gern auch Geistervideos genannt. Ein Vertreter dieser Gattung ist heute als «Webdriver Torso» bekannt. Ab 2013 wurden auf diesem Kanal insgesamt 624’774 Videos publiziert. Sie zeigten rote und blaue Rechtecke auf weissem Grund, begleitet von digitalen Pieptönen. Nachdem ein User diese Videos entdeckt hatte, schossen die Spekulationen ins Kraut: Sind es Videos von Spionen mit versteckten Botschaften oder gar Werke von Ausserirdischen?
Doch die Videos kamen nicht aus dem All, sondern aus dem Google-Standort Zürich. Es handelte sich, so hiess es später, um einen Test. Gemessen werden sollten die Qualitätsverluste, die beim Hochladen der Videos entstehen. Google hatte sogar eine Anspielung auf einen alten Internetscherz untergebracht: Beim «Rickrolling» werden Leute veräppelt, indem sie auf das Musikvideo «Never Gonna Give You Up» von Rick Astley gelotst werden. Man werde die Youtube-Uploader niemals im Stich lassen, witzelte Google.
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Eine Plattform wie ein Eisberg
Wie gross ist das Phänomen der Geistervideos heute? Das hat Ethan Zuckerman mit seinem Team an der University of Massachusetts erforscht: Wie die BBC im Februar berichtete, generierten die Forscher nach dem Zufallsprinzip Youtube-Adressen. Sie wollten herausfinden, unter welchen tatsächlich ein Clip aufzufinden ist und welches Bild sich aus diesen zufälligen Funden ergibt.
Die Einsichten sind verblüffend: Die Mehrheit aller Videos sind komplett unbearbeitet. Etwa vier Prozent wurden überhaupt nie aufgerufen. Gemäss Ethan Zuckerman wird Youtube von vielen als eine Art Ablage benutzt, vermutlich von Privaten für Privates, aber auch von Behörden zur öffentlichen Rechenschaft. Nach zwanzig Jahren ist Youtube das grösste Massenmedium der Welt: ein Eisberg von einer Plattform, von dem nur der kleinste Teil öffentlich sichtbar ist.
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