Yello-Musiker mit neuem AlbumIn Boris Blanks Musik hat es gerade keinen Platz für Dieter Meier
Soundtrack für ein Thermalbad: Der brillante Klangmanipulator veröffentlicht das überraschende, unverkennbare Soloalbum «Resonance».
Boris Blank ist irritiert. Aber nur ein bisschen. Das Mischpult, an dem der diskrete Stadtzürcher seine digitale Weltmusik collagiert, tut nicht so, wie es sollte. «Ich war seit zwei Monaten nicht mehr in meinem Studio», sagt Blank, der seit Corona auch viel im Homeoffice arbeitet. Jetzt müsse er den Service-techniker anrufen.
Boris arbeitet bei Dieter
Blank verbrachte Weihnachten und Silvester mit seiner Frau im Engadin. Er bleibt die meisten Ferien über in der Schweiz, Reisen ist seine Sache nicht. Ganz anders ist Dieter Meier, Blanks musikalischer Partner bei Yello. Als Rinderzüchter, Winzer und Restaurantbetreiber verfolgt Meier geschäftliche Interessen dies- und jenseits des Äquators, in Zürich trifft man ihn selten an. Blank harrt stattdessen in seinem Studio in Meiers Villa aus. «Das ist meine Bubble», sagt er. «Ich bin ein Eremit.»
Blank ist schon lange bei der Familie Meier einquartiert. Wann genau er mit seinen Samplern, Synthesizern und Schlagzeugmaschinen von der Roten Fabrik auf den Zürichberg zog, weiss er nicht. Man vermutet, dass dies zwischen den Yello-Alben «Stella» (1985) und «One Second» (1987) geschehen sein muss. Damals erreichte Yellos Musik eine klangliche Raffinesse, die bis heute eines ihrer Markenzeichen ist.
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Blanks perfektionistischer Anspruch hat seine Kreativität aber nie fixiert. Mit seinem zweiten Soloalbum «Resonance» entwickelt er sich merklich weiter. Trotz der für Blank neuen Mischung aus Ambient-Klängen und Feldaufnahmen mit viel Wasserrauschen und Vogelgezwitscher bleibt seine Musik überraschend und doch unverkennbar. «Bei Yello denke ich immer an Popsongs mit Versen und Refrains», sagt er. «Bei diesem Projekt konnte ich ausholen.»
Er kostet Sounds und Stille aus
Neun der zwölf Instrumentalstücke auf «Resonance» entstammen einer Auftragsarbeit für das von Mario Botta entworfene Thermalbad Fortyseven bei Baden. Blank: «Ich musste die Stücke so strukturieren, dass man sie im Bad schlaufen konnte. Also durften sie keine erkennbaren Anfänge oder Schlüsse haben.»
Für die Albumveröffentlichung gab er den neuen Stücken eine gewisse Dramaturgie. Trotzdem hört man diesem Repertoire die funktionelle Absicht an. So genüsslich hat Blank Stimmungen, Sounds und auch Stille selten ausgekostet. Die grossen Räume im Fortyseven hätten ihn mit ihren eigenen Resonanzen inspiriert. «Ich liebe es, weite Räume mit Musik zu füllen. Je grösser der Raum, desto interessanter ist er für mich.»
So begeistert sich Blank auch für den 3-D-Mix, der für die Verwendung seiner Stücke im Thermalbad Fortyseven erstellt wurde. Beim Zuhören fühle er sich, als würde er in ein Magnetfeld hineingezogen, sagt Blank, der schon eine Atmos-Version des letzten Yello-Albums «Point» (2020) in Auftrag gab. «So, wie meine Musik für das Fortyseven abgemischt wurde, müsste sie eigentlich immer klingen.»
In Briefkontakt mit der Nasa
Blank entwickelte das Titelstück zu «Resonance» auch für das Bad, überarbeitete es aber nachträglich auch für die US-Weltraumagentur Nasa. Aus terminlichen Gründen erschien «Resonance» aber nicht wie angedacht im Präsentationstrailer zum James-Webb-Weltraumteleskop.
Eine Zeitlang stand Blank in Briefkontakt mit Thomas Zurbuchen, dem langjährigen Wissenschaftschef der Nasa und Leiter des ambitionierten James-Webb-Projekts. Inzwischen ist der gebürtige Berner in die Schweiz zurückgekehrt, um an der ETH Zürich zu dozieren; zu einem Treffen zwischen Zurbuchen und Blank ist es bis jetzt aber nicht gekommen.
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Je mehr man mit Blank spricht, desto mehr merkt man, wie umtriebig und auch vernetzt der selbst erklärte Eremit ist. So hat Blank bereits Musik für den deutschen VW-Konzern und den französischen Designer Jean-Paul Goude geschrieben sowie zahlreiche Yello-Stücke für amerikanische Filmkomödien hergegeben. Inzwischen erarbeitet Blank auch eigene Videoclips mit dem Basler Multimedia-Künstler Dirk Koy.
Bei Yello war Dieter Meier immer für die optische Umsetzung der Songs verantwortlich. «Ich habe einmal einen Crack aus Hollywood zu mir ins Studio geholt, um zu lernen, wie man einen Film vertont. Dabei habe ich festgestellt, dass ich das gar nicht kann. Einen Soundtrack über die ganze Länge eines Films mit allen Übergängen zeitgenau zu strukturieren, liegt mir nicht.»
Womöglich könnte Boris Blank noch vernetzter sein, als er es ohnehin schon ist. 1995 lud er viele der bekanntesten Exponenten der elektronischen Clubmusik zur Teilnahme am Remix-Projekt «Hands On Yello», viele Freundschaften entstanden damals aber nicht. Zu Carl Craig, dem Techno-Eklektiker aus Detroit, und Thomas Fehlmann von The Orb, dem Wahl-Berliner aus Zürich, habe er noch Kontakt, sagt Blank.
Musik erdenken, damit sie erklingt
Über seine vielen Verbindungen zu Musikerinnen und Musikern, Produktionsfirmen und Forschungseinrichtungen in aller Welt hält Blank mit den neusten Entwicklungen auf dem Gebiet der Audiotechnik Schritt. Beim Einsatz der künstlichen Intelligenz (KI) in der Musikproduktion sieht er allerdings Grenzen. «Die KI ist sicher ein attraktives Tool. Sie ist aber noch weit davon entfernt, die menschliche Kreativität zu ersetzen. Erst wenn die Menschen ihre Musik nur noch erdenken müssen, damit sie erklingt, wird man tatsächlich von künstlicher Intelligenz sprechen können.»
Trotz seiner vielen Aktivitäten will Blank von einer Loslösung von Dieter Meier und Yello nichts wissen. In seiner Klangwelt sei der Partner immer schon ein Gast gewesen, erzählt Blank. «Dieter sieht das auch so. Er schaut im Studio vorbei, wenn er in der Schweiz ist. Und fragt ganz scheu, ob es in meiner Musik wieder Platz für ihn gebe. Dann schreibt und singt er und geht wieder.»
Meiers abgehackter Sprechgesang hatte oft einen ironischen Unterton – als würde er Blanks Musik kommentieren. «Resonance» fehlt zwar dieses satirische Kolorit, aber an Schalk mangelt es dem Album nicht.
Mit Songtiteln wie «Vertigo Heroes», «Defying Gravity» und «North of Eden» beweist Blank einmal mehr sein Flair für knappe Wortfolgen, die seine Musik filmisch umschreiben. Auch diese Wegweiser gehören zu den Markenzeichen seiner Klangwelt, die beim Musikpublikum Erinnerungen weckt, die es nie wirklich hatte. Oh yeah.
Boris Blank: «Resonance», Universal Music. CD/Doppel-LP und Blu-Ray mit Immersiv-Mix und 5 Videoclips. Erscheint am 16. Februar.
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