Champions-League-Duell mit Galatasaray«YB hat diese Tendenz, darunter leidet die Leistung der Spieler»
Baykal Bellusci war Profi und berät heute Spieler. Im Interview erzählt der 41-Jährige von seinem grossen Fehler als Fussballer und erklärt, warum Teams zusammenbrechen.
Baykal Bellusci, der früher Baykal Kulaksızoğlu hiess, wurde 2003 als junger Ergänzungsspieler mit den Grasshoppers Schweizer Meister. Die restlichen 14 Fussballerjahre verbrachte er bei elf verschiedenen Clubs, etwa beim FC Basel, den Young Boys oder in der Türkei bei Karsiyaka.
2016 hat er zusammen mit Philipp Degen die Agentur SBE Management gegründet, seither berät er Fussballer. Zu den Klienten des 41-Jährigen gehören Spieler von YB und von Galatasaray, die sich am Mittwoch im Champions-League-Playoff gegenüberstehen.
Baykal Bellusci, wissen Sie, welches Foto auf Ihrem Instagram-Profil besonders beeindruckt?
Keine Ahnung. Da gibt es das eine oder andere, das nicht uninteressant ist.
Es ist jenes, auf dem Sie mit Oscarpreisträger Denzel Washington Schach spielen.
Ha! Das ist natürlich nicht Denzel Washington. Ich traf in Kubas Strassen einen Schachspieler, der wirklich haargenau aussah wie Denzel Washington. Und dann habe ich mir diesen Scherz erlaubt.
Ferien in Kuba also. Sie reisen auch als Spielerberater viel. Bei Galatasaray Istanbul betreut Ihre Agentur den ehemaligen Basler Yusuf Demir. Wie gut ist der Gegner der Young Boys?
YB muss zweimal ausgezeichnet spielen, um diese Hürde zu überstehen. In der Türkei sind viele, die auch in einer Top-5-Liga unter Vertrag sein könnten, weil am Bosporus Geld vorhanden ist.
Sie selbst waren vor 14 Jahren bei Karsiyaka in der zweiten türkischen Liga. Woran erinnern Sie sich?
Ich bin in Istanbul geboren und sechsjährig mit meiner Mutter in die Schweiz gekommen. Ich habe alles in der Schweiz gelernt. Als ich in die Türkei zurückging, stiess ich auf Probleme. Die Leute funktionieren ganz anders. Ich konnte die Sprache, aber ich fühlte mich als gebürtiger Türke wie ein Fremder.
Wie zeigte sich das?
Wenn du 26 Jahre lang das Freitagsgebet nicht gemacht hast und dann die ganze Mannschaft betet, dann kommt es bei niemandem gut an, wenn du nicht mitmachst. Oder dann die Matchtage: Wir kamen zwei Tage vor dem Spiel zusammen und waren fast eingesperrt auf dem Trainingsgelände. Ich hatte damals schon Kinder und war eine halbe Woche weg von der Familie. Das sind Sachen, die du aus Europa nicht kennst.
Warum wollten Sie sich nicht anpassen?
Das wollte ich als Fussballer leider zu oft nicht. 15 Jahre später weiss ich, dass ich gewisse Sachen anders gemacht hätte. Für mich liegt darin der Grund, warum ich Berater geworden bin: Weil ich den Jungen beibringen kann, nicht die gleichen Fehler zu machen.
Sie sagten einmal, dass Sie als Spieler etwa 30 Prozent Ihrer Möglichkeiten ausgeschöpft hätten.
Etwas wird sich nie ändern: Du kannst talentiert sein, aber das reicht nicht. Man kann Cristiano Ronaldo mögen oder nicht, aber was er aus seinem 39-jährigen Körper herausholt, mit harter Arbeit, das ist der positive Wahnsinn. In die Top-5-Ligen kommst du nicht einfach mit ein bisschen «Schüttelen». Ich dachte immer, ich bin sowieso genug gut, besser als die anderen. Mit hätte jemand sagen müssen: «Junge, du hast noch absolut überhaupt gar nichts erreicht.»
Was ist der Schlüssel für junge Fussballer?
Vergiss das Geld. Das kommt automatisch, wenn du über Jahre gut spielst. Es geht um deine Bereitschaft, immer und immer wieder an deine Grenzen zu gehen. Und auf deinen Körper zu achten, gut zu essen, gut zu schlafen. Ich glaube zum Beispiel, dass Gögi (Gökhan Inler) nicht der bessere Fussballer war als ich. Aber er hatte mir etwas voraus: seine Einstellung. Ich mag ihm seine grosse Karriere sehr gönnen.
Wie gut hören die Jungen auf einen Berater wie Sie?
Das variiert. Aber ich glaube, dass wir mit unseren Karrieren, Philipp mit der grössten, glaubwürdig sind. Und ich glaube, dass die Spieler etwas aus Gesprächen mitnehmen, auch wenn sie nicht zuhören.
Sie haben 34-mal für YB gespielt. Woran erinnern Sie sich?
Ich kam im Winter zurück aus Köln in meine Heimatstadt Bern und machte gleich den ersten Fehler: Vor mir lag ein Vertrag über viereinhalb Jahre. Ich unterschrieb für eineinhalb. Weil ich dachte: Jetzt spiele ich hier eine Saison, dann geh ich eh wieder in die Bundesliga.
Stattdessen gingen Sie zum FC Aarau.
Was mir auch geblieben ist: die Finalissima 2008 gegen Basel. Wir hatten als YB so viel investiert, um endlich wieder Meister zu werden. Dieses letzte Saisonspiel, in dem der Stern von Valentin Stocker aufgegangen ist, ist mir als grösste Niederlage geblieben.
Wie erleben Sie den Berner Saisonstart?
Mich überrascht nicht, dass YB so gestartet ist. Ohne die Schwächephasen der anderen Teams hätte YB letzte Saison Mühe gehabt, mit diesem Kader Meister zu werden. Manchmal muss man Spieler ziehen lassen, obwohl der Preis nicht ganz den eigenen Vorstellungen entspricht. YB hat zuletzt Aurèle Amenda oder Fabian Rieder verkauft. Aber einen Meschack Elia oder Ali Camara oder Cheikh Niasse, Spieler, die schon länger da sind, die musst du im richtigen Moment abgeben, um eine Blutverjüngung zu erzielen. YB hat in den letzten Jahren sehr erfolgreich gearbeitet und super Transfers gemacht, aber diesen Moment hat YB zuletzt möglicherweise verpasst.
Ein Club will allerdings auch erfolgreich sein und kann nicht jeden Spieler abgeben.
Einerseits muss ein Club Spieler verkaufen, um sich zu finanzieren. Andererseits muss er ein Kader bauen, das ihm sportlichen Erfolg bringt. Daraus ergibt sich ein Spannungsfeld, in dem er ein Gleichgewicht finden muss. Transferiert ein Club zu viel, leidet das Kader. Der FC Basel hat gerade diese Tendenz, verkauft aber oft und zu sehr guten Preisen. Im schlimmsten Fall bricht dann das Team zusammen. Transferiert der Club zu wenig, hält er zum Beispiel an Spielern fest, die gehen wollen, dann hat er unzufriedene Fussballer im Kader. Diese Tendenz hat gerade YB. Darunter leidet die Leistung dieser Spieler, mit der Konsequenz, dass ihr Preis bestenfalls stagniert.
Sie beraten YB-Spieler Loris Benito. Wird er nach seiner Verletzung gegen Galatasaray auflaufen können?
Nein. Weder im Hin- noch im Rückspiel. Und bei allem Respekt: Es darf auch nicht passieren, dass Loris nach einem Kreuzbandriss diese Verantwortung tragen muss. Er wird zuerst mit der U-21 spielen und dann den Schritt in die erste Mannschaft machen.
Was muss YB tun, um gegen Galatasaray eine Chance zu haben?
Das wird wahnsinnig schwierig. Aber YB kann in der zweiten Minuten in Führung gehen und in der siebten das zweite Tor erzielen. Dann ist YB plötzlich wieder voll da. Und ich bin auch überzeugt, dass YB aus dem Tief in der Liga finden wird.
Dann bleibt noch eine Frage: Haben Sie das Denzel-Washington-Double am Schachbrett besiegt?
Ich spielte mit Schwarz und geriet unter Druck. Am Schluss gelang mir ein guter Angriff und ich konnte ihn aus guter Position eliminieren.
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