Winterpause in der Super LeagueDas sind die erstaunlichsten Zahlen zur Hinrunde
Der fast perfekte YB-Stürmer, der gewollte Makel des FCZ, die Basler Erfindung – so hat uns die Liga überrascht.
YB: Hanspeter trifft fast immer
«Früecher oder schpäter chunnt dr Hanspeter», singen Züri West auf dem Album von 1994. Längst wird die Zeile von den YB-Fans zweckentfremdet: Früher oder später trifft Hanspeter.
Hanspeter ist Jean-Pierre Nsame, seit Jahren Mister Effizienz im Berner Sturm. Dreifacher Torschützenkönig ist er schon, in der Vorrunde hat er wieder neunmal getroffen, obwohl er deutlich weniger spielt als seine Konkurrenten in dieser Rangliste, Jonathan Okita und Chris Bedia. Nsame kommt hochgerechnet alle 90 Minuten auf 0,8 Treffer, das ist Liga-Bestwert. 35 Schüsse hat er abgefeuert, mehr als die Hälfte davon brachte er aufs Tor, ein Viertel davon landete darin. Es sind Werte wie aus dem Labor für Strafraumstürmer.
Der Vertrag des 30-Jährigen läuft Ende Saison aus, die Young Boys müssen sich fragen: Können sie es sich leisten, ihren Hanspeter zu verlieren?
St. Gallen: Erster im Konjunktiv
Spielt St. Gallen in St. Gallen, gewinnt St. Gallen. Die Regel gilt – und zwar ohne Ausnahmen: Alle 9 Partien im Kybunpark haben die Ostschweizer für sich entschieden, sie haben dort 27 ihrer 33 Punkte geholt und den Bestwert von Basel aus der Saison 03/04 egalisiert.
Die St. Galler können sich so ganz schöne Dinge ausmalen – etwa, wie sie dastehen würden, wenn sie immer daheim spielen dürften. Oder: Wie es wäre, wenn sich alle Teams immer so belohnen würden, wie es die Statistik der erwartbaren Punkte vorsieht. Für diese ist die Qualität der erspielten und zugelassenen Chancen massgebend. Da wären die Ostschweizer mit 34 Punkten auf Rang 1, Tabellenführer YB folgt dagegen mit 24 Zählern nur an fünfter Stelle. Während die Young Boys also krass überperformen, sind die St. Galler nur Erster im Konjunktiv.
FCZ: Nummer 1 – bei den verlorenen Bällen
Bo Henriksen liest begeistert Statistiken. Der Trainer des FC Zürich wird also von der folgenden Zahl kaum überrascht werden. Andere vielleicht schon: Kein Team der Liga verliert häufiger den Ball als der FCZ. Auf 18 Spiele sind es 300 Ballverluste mehr als der FC Lugano, der am anderen Ende dieser Rangliste steht.
Es gibt noch andere Zahlen, die die vielen Ballverluste der Zürcher erklären. Keine Mannschaft spielt mehr Steilpässe als sie. Bei den versuchten Zuspielen zwischen gegnerischen Linien hindurch nach vorne sind sie die Nummer 2 hinter St. Gallen.
Das alles ergibt ein klares Bild: Sobald der FCZ den Ball hat, wird der so schnell wie möglich nach vorne gespielt. Dabei steigt logischerweise das Risiko, dass Pässe nicht ankommen.
Es klingt paradox: Aber Henriksen könnte die vielen Ballverluste also durchaus als Zeichen dafür deuten, dass seine Mannschaft genau den Fussball spielt, den er von ihr verlangt.
Winterthur: Samuel Ballet ist der Foulkönig der Liga
Ist Samuel Ballet in Ballnähe, führt der gut vorbereitete Schiedsrichter die Pfeife schon mal ganz nahe an den Mund. Das nächste Foul ist dann meist nicht mehr weit. Der Flügel des FC Winterthur ist der unangefochtene Foulkönig der Liga. Keiner wird häufiger unfair gebremst. Und niemand greift häufiger zu Mitteln, die vom Weltfussballverband verboten sind.
Das alles macht total Sinn. Ballet ist einer, der oft das Dribbling sucht und von seiner Explosivität lebt. Kommt er durch, greift der Gegenspieler zum Foul, weil sonst schnell einmal Torgefahr droht. Kommt er aber nicht durch, bietet sich dem Gegner die Möglichkeit zum Konter. Worauf wiederum Ballet lieber den Pfiff des Schiedsrichters riskiert, als ein Gegentor zu riskieren.
GC: Ungenau, passiv – aber stark in die Winterpause
In der Tabelle, die zählt, liegen die Grasshoppers auf Rang 8. Das Tabellenende ist zehn Punkte entfernt, zudem stellt GC mit Mittelfeldspieler Tsiy Ndenge – etwas überraschend – den viertbesten Torschützen der Liga. Und weniger Tore als der Rekordmeister haben nur die Young Boys, der FC Zürich, St. Gallen und Servette kassiert. Trainer Bruno Berner sagt: «GC geht stark in die Winterpause.»
Alles gut also? Nun, es gibt noch andere Tabellen, und gemäss denen müsste GC ganz unten sein. Die Grasshoppers sind das passivste Team der Liga, spielen die wenigsten und ungenauesten Pässe und haben am wenigsten Ballbesitz. Immerhin ist das etwas, was sie mit den anderen Zürchern teilen: Winterthur und der FCZ sind nur minim besser.
Basel: Die Erfindung des Noctober
Aus Australien stammt der Movember, bei dem sich Männer im November einen Schnauz (Moustache) wachsen lassen, um auf Männerkrankheiten aufmerksam zu machen. Der FC Basel hat in diesem Jahr den Noctober erfunden: Den ganzen Oktober lang haben die Basler nicht ein Törchen geschossen. Das war dann der Hinweis an die Clubführung, den Trainer ein zweites Mal zu wechseln.
Es wäre recht einfach, die Basler Probleme vor dem Tor den Stürmern anzuhängen. Thierno Barry ist mit 18 Schüssen noch kein Treffer gelungen. Djordje Jovanovic bringt nicht mal 22 Prozent seiner Abschlüsse aufs Tor – Rang 48 von jenen 48 Stürmern, die mindestens 500 Minuten gespielt haben.
Aber es gibt auch Zahlen, die auf ein kollektives Problem hinweisen. Zum Beispiel, dass der FCB kaum einmal in den gegnerischen Strafraum kommt. Also dorthin, wo Stürmer gemeinhin ihre wichtigste Arbeit verrichten. Nur Yverdon kommt weniger in den Sechzehner des Gegners. Der Abstand zur Spitze ist eindrücklich: Der FC St. Gallen hat pro Spiel im Schnitt fast 12 Ballberührungen mehr im gegnerischen Strafraum als der FCB.
Trainerwechsel: Sinn und Unsinn
Drei Clubs haben bislang ihren Trainer ausgetauscht. Zufälligerweise (oder auch nicht) sind sie am Tabellenende zu finden. Der Blick in die Statistik entlarvt Sinn und Unsinn, wenn es ums Handeln der Chefs geht.
Nehmen wir Yverdon: Marco Schällibaum musste nach zwölf Spielen und trotz 16 Punkten gehen. Die Ausbeute von Nachfolger Alessandro Mangiarratti ist mit fünf Punkten aus sechs Spielen höchst überschaubar. Anders formuliert: Schällibaum kam auf einen Punkteschnitt von 1,33, Mangiarratti bringt es noch auf 0,83.
Oder Stade Lausanne-Ouchy. Anthony Braizat, Aufstiegstrainer wie Schällibaum, gewann in 13 Runden zehn Punkte, Schnitt 0,77. Das ist nicht viel, aber verglichen mit der Bilanz von Ricardo Dionisio schon fast überragend. Der weitherum unbekannte Portugiese hat nach fünf Einsätzen einen Schnitt von 0,2.
In Basel folgte Heiko Vogel auf Timo Schultz, und der Punkteschnitt sackte von 0,71 auf genau 0,0 ab. Nach vier Spielen war darum Schluss für Vogel. Wenigstens hat sich statistisch die Massnahme gelohnt, ihn durch Fabio Celestini zu ersetzen. Celestini kommt in sieben Spielen auf 13 Punkte, ergibt 1,86 Punkte pro Spiel.
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