Fan-Demo in Bern angekündigtVon Basel bis Zürich – jetzt wehren sich die Schweizer Fans gemeinsam
Am Samstag ist beim Heimspiel der Young Boys gegen GC der Fansektor der Berner gesperrt. Gegen diese Kollektivstrafen protestieren mehrere Szenen und wollen in die Bundeshauptstadt reisen.
Am Samstag wird in der Super League wieder Fussball gespielt. Young Boys gegen den Grasshopper Club, 18 Uhr, Wankdorf, das Stadion wird mal wieder ordentlich gefüllt sein. Eigentlich ist es ein perfekter Start ins neue Fussball-Jahr – doch es geht an diesem Wochenende nicht nur darum, was im Inneren des Stadions passiert.
Am Dienstag haben mehrere Schweizer Fanszenen angekündigt, am Samstag nach Bern zu reisen – auch wenn ihre Clubs dort gar nicht antreten. Auf den Websites der Fans aus Basel, Zürich (FCZ), Luzern, Winterthur, Lausanne, St. Gallen und Sitten tauchte am Morgen die gleiche Mitteilung auf: «Es reicht – alle nach Bern.» Die Fans von YB und GC beteiligten sich vorerst nicht an dieser Ankündigung, aber sie sind ja ohnehin vor Ort.
«Seit Beginn der laufenden Saison haben die Behörden schweizweit eine Eskalationsspirale in Gang gesetzt, indem sie im Umgang mit Fussballfans auf Nulltoleranz und Kollektivstrafen setzen», schreiben die Szenen im Einklang. «Dem sagen wir Schweizer Fanszenen gemeinsam den Kampf an!»
Für den neutralen Beobachter mag das etwas überraschend kommen. Eine Eskalationsspirale seit Beginn der laufenden Saison? Dramatische Einzelfälle mit den ganz grossen Schlagzeilen gab es in den letzten Monaten schliesslich nicht. Die allgemeine Situation zwischen Fans und den Sicherheitsbehörden ist jedoch ziemlich angespannt. Wieder mal.
Es ist jedenfalls kein Zufall, dass die Fans am Wochenende zur Partie zwischen YB und GC reisen wollen. Denn dort bleiben die Stehplätze der Berner Ostkurve leer. Es ist die Folge der Zwischenfälle rund um die Partie zwischen GC und YB Ende September im Letzigrund. Dort kam es, nachdem der Fanmarsch der Fans aus Bern offenbar kurzfristig nicht stattfinden konnte, vor und nach dem Spiel zu Zwischenfällen.
Unter anderem wurde ein Linienbus schwer beschädigt, und ein Buschauffeur soll von einzelnen Personen massiv bedroht worden sein. Als Konsequenz bleibt der Berner Fan-Sektor leer. Doch damit werden auch Personen bestraft, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen oder im September nicht mal in Zürich anwesend waren.
Zudem ist in Bern Reto Nause (Mitte) der Sicherheitsdirektor, für die Fans «einer der treibenden Kräfte dieser Eskalationsstrategie», der «seit längerem jegliches Augenmass verloren hat», wie sie schreiben. Nause ist der einzige Politiker, der namentlich genannt wird, weil er in den Augen vieler Fans wie kein anderer für Repression gegen sie steht. Und das nicht erst seit dieser Saison.
Die wenig schmeichelhaften Zuschreibungen aus der Fanszene nimmt Nause gelassen zur Kenntnis: «Das ist nichts Neues, ich kenne das seit Jahren», meint er auf Anfrage dieser Redaktion. «Mir wäre auch lieber, es bräuchte keine Kollektivstrafen», sagt er weiter, «dafür müssten sich aber die Täter stellen.»
Sämtliche kantonalen oder städtischen Bewilligungsbehörden stünden hinter der Massnahme, betont der Stadtberner Sicherheitsdirektor. Man sei sich einig gewesen, dass die Vorfälle in Zürich gravierend waren – immerhin sei ein Buschauffeur an Leib und Leben bedroht worden. «Nach solchen Gewaltexzessen konnten wir nicht einfach nichts tun», so Nause, das hätten damals selbst Fangruppen so gesehen.
Über das geplante Polizeiaufgebot am Samstag wollte Nause keine Auskunft geben.
Das bekannte Katz-und-Maus-Spiel
Im letzten Jahr präsentierte die SFL ein Kaskadenmodell gegen Fangewalt, das mehrere Formen der Bestrafung vorsieht. Von der «obligatorischen Lagebesprechung» bis hin zu «Bewilligungsentzug» und «Forfait-Niederlage» bei abermaligem Fehlverhalten. Auch wenn dieses Modell noch nicht in Kraft getreten ist: Seitdem kam es zu mehreren verhängten Sektorsperrungen, zum Beispiel in den Partien zwischen dem FC Luzern und dem FC St. Gallen.
Auch in diesem Fall waren Unbeteiligte von den Folgen betroffen, auch wenn die Luzerner Fans sich beim nächsten Auswärtsspiel in der Ostschweiz halt einfach Tickets für einen anderen Sektor gekauft haben und die Sanktion so umgehen konnten. Aber durch jeden vergleichbaren Vorfall schaukelt sich die Situation weiter auf – und mündet nun vorläufig in der Ankündigung zum gemeinsamen Protest der Fanszenen in Bern.
Neu ist es nicht, dass die Fans in Bern gegen eine Kollektivstrafe protestieren. Im Dezember 2021 war beim Spiel zwischen YB und dem FC Basel – damals offiziell noch im Zuge der Pandemie – der Gästesektor geschlossen. Trotz Verbot reisten aber zahlreiche Basler Fans zum Weihnachtsmarkt nach Bern und wurden dort von einem grossen Aufgebot der Polizei erwartet.
Ähnliche Bilder könnten nun auch an diesem Wochenende wieder zu sehen sein. Zumal nicht nur die grosse Szene aus Basel ihr Kommen angekündigt hat, sondern auch die Fans von mehreren anderen Clubs, was das Potenzial für Ausschreitungen untereinander und nicht nur im Umkreis des Berner Stadions erhöht.
Es ist das bekannte Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Fans und den Behörden. Auf die gestiegene Zahl der Repressionsmassnahmen reagieren die Fans jetzt und wollen ihre Macht beweisen. Denn eines ist klar: Ob am Samstag nun Tausende nach Bern reisen oder niemand – nur schon die Ankündigung sorgt für einen enormen Aufwand der Sicherheitsbehörden.
Fehler gefunden?Jetzt melden.