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Porträt Yaël Braun-Pivet
Sie wurde stets unterschätzt, nun feiert sie Revanche – auch gegen Macron

French Member of Parliament (MP) for the Renaissance ruling party and former National Assembly president Yael Braun-Pivet reacts before voting to elect lower house' President at the France's National Assembly in Paris on July 18, 2024. The new MPs meet for the first time on July 18, 2024 to elect the President of the National Assembly, in the deeply fragmented lower house after the leftwing coalition defeated the far-right in general elections with no group winning an absolute majority. (Photo by Bertrand GUAY / AFP)
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Als die Wahl endlich vorbei ist, macht es den Anschein, als fehle Yaël Braun-Pivet der Atem für eine Dankesrede. So anstrengend waren diese Tage gewesen, dieses Bezirzen und Charmieren der Herrschaften Abgeordneten. Dieses Herumtelefonieren, Rechnen, Addieren, damit sie wiedergewählt würde als Präsidentin der Assemblée Nationale, Nummer vier im französischen Staat. Sie musste ja auch gegen die Kritiker im eigenen Lager kämpfen, der Partei von Präsident Emmanuel Macron. Sie ist darin «ein freies Elektron, ohne Tabu und Paten», schreibt die Zeitung «Libération».

Am Ende aber hat es knapp gereicht, im dritten und letzten Wahlgang, mit 220 Stimmen. «Ich bin tief ergriffen», sagt Braun-Pivet, als der Atem zurück ist, und in diesem Moment klatschen sogar ihre Rivalen bei der Wahl, ein Kommunist und ein extremer Rechter.

Die Verlierer stellen die Präsidentin

So bleibt also eine Macronistin Parlamentspräsidentin, obschon die Macronisten die Parlamentswahlen verloren haben. Dank eines Pakts mit den konservativen Républicains, den diese 53-jährige ehemalige Strafverteidigerin aus dem ostfranzösischen Nancy im Stillen zusammengeschustert hat.

Es ist dies auch ihre persönliche Revanche. Als Macron am 9. Juni nach der Europawahl das Parlament auflöste und vorgezogene Neuwahlen verordnete, war Braun-Pivet besonders verärgert, sie sagte das in allen Fernsehstudios, sehr frank, wie es ihre Art ist.

Sie habe versucht, den Präsidenten umzustimmen, es sei aber leider nichts mehr zu machen gewesen. Es gibt ein Foto von der Szene, die zwei sitzen im Garten des Palais de l’Élysée, nur sie zwei. Da wusste sie, dass sie ihren geliebten Posten schon wieder verloren hatte, nach nur zwei Jahren.

Im Garten des Palais de l’Élysée: Yaël Braun-Pivet und Emmanuel Macron.

In der Geschichte der Fünften Republik, seit 1958 also, war sie die erste Frau, die es auf den «perchoir» geschafft hat – auf die Sitzstange, wie die Franzosen mit ihrem feinen Sinn für Metaphern den Sitzplatz ihres Parlamentspräsidenten nennen. Der Fauteuil, hört man, soll unbequem sein.

Nie war der Posten zentraler als jetzt

Aber was hat er Prestige, gerade jetzt, da die Nationalversammlung in drei Blöcke gespalten ist. Nie in den letzten Jahrzehnten war sie zentraler. In den Korridoren des Parlaments entscheidet sich nun, ob sich eine Koalition finden lässt, die das Land über die Grenzen der Blöcke hinweg regieren könnte. Ausgehend von diesem Kern aus Macronisten und Republikanern.

Yaël Braun-Pivet hatte auch ein Leben vor der Politik. Nach ihrem Rechtsstudium arbeitete sie eine Weile im Kabinett des früheren Staranwalts Hervé Temime, dem sie mit 26 Jahren im Gericht abgepasst und ihren Lebenslauf -hingestreckt hatte. Doch lang blieb sie nicht. Ihr Mann, Manager eines französischen Kosmetikkonzerns, wurde ins Ausland entsandt, und sie zog mit: zwei Jahre Taipeh, fünf Jahre Tokio, zwei Jahre Lissabon. Das Paar hat fünf Kinder.

2012 kehrten sie nach Frankreich zurück, und sie eröffnete ein «Resto du cœur», eine Armenküche. Sie habe immer links gewählt, sagte sie einmal. Als Macron zum Aufstieg an die Macht ansetzte, engagierte sie sich in dessen Partei, die damals La République en Marche hiess. 2017 gewann sie einen Sitz im Parlament und wurde Präsidentin einer wichtigen Kommission, der Commission des Lois, die sich mit den Gesetzen befasst. Man warf ihr vor, sie sei eine Anfängerin. Aber sie biss sich durch und war schnell allen sympathisch mit ihrem fröhlichen, dauerpositiven Auftritt.

Antisemitische Angriffe

2022 berief Macron sie zur Ministerin für die Überseegebiete. Doch sie wollte mehr, sie wollte den «perchoir» – und gewann gegen alle Zweifler. Seit dem 7. Oktober 2023, dem Angriff der Hamas auf Israel und dem Krieg in Gaza wurde sie oft Opfer antisemitischer Angriffe, weil sie sich uneingeschränkt hinter Israel stellte. Aber auch der Hass hielt sie nicht auf.

Nun heisst es, was es in Frankreich immer heisst, wenn ein Politiker seinen Kopf aus der Masse reckt: Sie denke an die Präsidentschaftswahl, an 2027. Für sich. Wo sie doch bisher immer kolossal unterschätzt wurde.